Mitten im Herzen Münchens, in der noblen Einkaufsmeile am Marienplatz liegt das Family Office der Familie Wendeln. Von seinem Büro im 4. Obergeschoss aus kann Bernd Wendeln das Rathaus sehen. Erst im Herbst vergangenen Jahres ist WEGA Support mit seinen fünf Mitarbeitern hier eingezogen. WEGA, das steht für Wendeln Garrel. Zusammen mit seinem Cousin Alexander Wendeln leitet Bernard Jan, kurz Bernd, Wendeln seit zehn Jahren das Family Office der Familie Wendeln, die ihr Vermögen mit dem Verkauf der Großbäckerei Wendeln (Lieken Urkorn, Golden Toast) 1999 an Kamps gemacht hat. Daneben ist Bernd Wendeln auch für den Fonds „BonVenture“ verantwortlich.
Im Münchner Büro erinnert heute nichts mehr an die Bäckerei, die Wendelns Großvater 1919 in Garrel, einem Örtchen zwischen Oldenburg und Osnabrück, gegründet hat und die Vater Bernhard und Onkel Paul Wendeln zu einer der größten Industriebäckereien in Deutschland aufgebaut haben – zuletzt mit einem Umsatz von 2 Milliarden Euro und über 7.000 Beschäftigten.
Neben Investitionen in Aktien, Renten und Hedgefonds, kümmert sich Cousin Alexander heute von Garrel aus mit fünf Mitarbeitern primär um das Thema Immobilien, während Bernd Wendeln unter anderem auch für das Thema Private Equity und Philanthropie zuständig ist – dazu gehört auch BonVenture, der Fonds für soziale Verantwortung. Die Idee, soziale Projekte mit Beteiligungskapital zu verbinden, hatte Wendeln während seines Studiums in den USA. Wendeln machte eine Lehre als Industriekaufmann und studierte in München BWL. Nach seinem Abschluss arbeitete er zweieinhalb Jahre als Investmentmanager bei Apax Partners und lernte dort das Beteiligungsgeschäft kennen. Sein Wunsch, das Netzwerk zu erweitern und einmal im Ausland gelebt zu haben, brachte ihn an die Wharton-Universität in Philadelphia. Dort stieß er auf das Thema „Social Entrepreneurship“. „Während in den USA das Konzept von sozialen Unternehmen, die finanziell unabhängig wirtschaften, verbreitet ist, war es bis vor ein paar Jahren im deutschsprachigen Raum fast unbekannt“, erinnert sich Wendeln.
Meist wird nur geliehen, nur wenig verschenkt
In Horst Goß, Geschäftsführer von btv, dem Family Office des WAZ-Erben Martin Brost, fand Wendeln einen Verbündeten. Zusammen hoben sie im Jahr 2003 BonVenture aus der Taufe und fanden schnell mit dem ehemaligen Papierunternehmer Clemens Haindl sowie mit Venture-Capital- Urgestein Falk Strascheg zwei weitere Partner. Insgesamt kamen so 5,1 Millionen Euro für den ersten Fonds zusammen. „Ziel ist es, sozial motivierten Unternehmern bei der Umsetzung einer guten Idee zu helfen“, erklärt Wendeln das Konzept. „Wir sorgen dafür, dass diese Unternehmen nachhaltig wirtschaften können und der Erfolg der Projekte nicht von Spenden abhängt. Gewinne sind für uns kein Teufelszeug, doch die Geldgeber achten darauf, dass es nicht der Wunsch nach Profit und Unabhängigkeit ist, der die Unternehmer antreibt, sondern der Wille, etwas zu bewegen“, sagt Wendeln. Ob es sich dabei um ein soziales oder ein ökologisches Projekt handelt, spielt keine Rolle. BonVenture hilft, wenn es für Start-up-Unternehmen schwierig ist, finanzielle Mittel zur Verwirklichung ihrer Idee zu bekommen und wenn ein hoher sozialer Nutzen erreichbar ist.
Der erste Fonds ist inzwischen voll investiert. Acht Unternehmen haben zwischen 200.000 und 500.000 Euro als Starthilfe erhalten. Die Projekte sind ganz unterschiedlich ausgerichtet: Das DialogMuseum in Frankfurt am Main – eines der Lieblingsprojekte von Wendeln – beherbergt die Ausstellung „Dialog im Dunkeln“, die sehenden Menschen die Welt der Blinden nahebringt. Solarlite entwickelt Kleinkraftwerke zur Nutzung thermischer Solarenergie, und Parlamentwatch bietet Kurzprofile der deutschen Abgeordneten im Bundestag und im Europaparlament. Nutzer der Internetplattform können sich über das Abstimmungsverhalten der Volksvertreter informieren und in einem Chat Room Kontakt aufnehmen.
Das Geld, das die jungen Unternehmen erhalten, ist nicht geschenkt, sondern nur geliehen. Das Management soll lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. „In der Regel vergeben wir Darlehen mit Zins- und Tilgungsplänen“, sagt Wendeln. Die Darlehenssätze liegen zwischen 6 und 8 Prozent und sind damit für die Kreditgeber kostenneutral. Wie bei einem normalen Bankkredit müssen die Darlehensnehmer bestimmte Meilensteine erreichen, um die nächste Tranche zu erhalten.
„Wenn wir eine Möglichkeit für einen Exit sehen, beteiligen wir uns auch direkt“, erklärt Wendeln weiter, doch das sei eher die Ausnahme. Mitunter springen die Geldgeber von BonVenture zusätzlich auch schon mal privat in die Bresche: Wendeln ist zum Beispiel bei Job-TV24 noch mit eigenem Kapital beteiligt.
Damit aus den guten Absichten kein Flop wird, helfen insgesamt sieben BonVenture-Mitarbeiter und ein Expertengremium bei der Entwicklung des Geschäftsmodells, beim Aufbau eines Reporting- und Controllingsystems und beim Marketing. Auch die Beiratsmitglieder, in dem die Kapitalgeber vertreten sind, engagieren sich je nach Neigung und Fähigkeiten bei den einzelnen Projekten als Ratgeber.
Eitelkeiten werden nicht bedient
Neben dem Fonds gibt es auch noch eine gemeinnützige Stiftung, die kleinere Summen in Höhe von 20.000 bis 30.000 Euro an Organisationen spendet, die für Darlehen und Eigenkapital nicht in Frage kommen. „Die Gewinne, die mit dem Fonds erwirtschaftet werden, sollen nach dem Begleichen der Steuerschuld wieder in einen neuen Fonds oder in die Stiftung fließen“, erklärt Wendeln. „Wir wollen nicht am Fonds verdienen, wir wollen aber auch kein Geld verlieren, damit wir wieder in neue Projekte investieren können.“ Ein zweiter Fonds in Höhe vom 10 Millionen Euro ist Ende vergangenen Jahres geschlossen worden. Eine Handvoll weiterer Familien hat neben den BonVenture-Gründern in den neuen Fonds investiert. Auch große DAX-Unternehmen waren interessiert.
Doch die BonVenture-Leute waren skeptisch: „Wir befürchteten, dass diese Unternehmen den Fonds für Marketingzwecke ausnutzen könnten“, erklärt Wendeln seine Zweifel. Außerdem bestehe bei Konzernen immer die Gefahr eines Strategiewechsels. Durch die Arbeit der vergangenen zehn Jahre hat der Begriff „Social Entrepreneurship“ an Bedeutung gewonnen. Quantensprünge gab es hierzulande allerdings keine. Der Bereich entwickelt sich in Deutschland nur langsam, obwohl die Stiftungskultur gut verankert ist. „Jeder möchte sich sein eigenes Denkmal setzen“, erklärt Wendeln die Zurückhaltung der Vermögenden. Neue Geldgeber ins Boot zu holen ist nicht einfach. Lange war BonVenture Pionier auf seinem Gebiet. Inzwischen gibt es jedoch einige Ansätze, die in die gleiche Richtung gehen.
Beispielsweise gibt der Fonds Aurides, hinter dem das Family Office von Karl Albrecht (Aldi Süd) steht, finanzielle Starthilfe für junge sozial fokussierte Unternehmen mit dem Schwerpunkt auf kindlicher Bildung. Weitere Mitstreiter mit anderem Format sind die Schwab Foundation for Social Entrepreneurship und Ashoka, eine Organisation mit Ursprung in den USA, die Stipendien an sozial orientierte Unternehmer vergibt. Projekte anderer Unternehmerfamilien sind in Vorbereitung, BonVenture steht hier als Ratgeber zur Seite.
Die guten Absichten reichen nicht
Der Erfolg scheint den BonVenture-Gründern Recht zu geben. Nur ein Projekt ist bislang gescheitert. Email charity – ein Web 2.0-Spendeninstrument – musste Anfang des Jahres Insolvenz anmelden. „Alle anderen Projekte des ersten Fonds laufen gut“, versichert Wendeln. Vermittlungscoach – eine Vermittlungsstelle für Langzeitarbeitslose – hat das Darlehen bereits komplett zurückgezahlt und steht nach nur vier Jahren ganz auf eigenen Füßen. Normalerweise beträgt die Laufzeit der Darlehen fünf bis zehn Jahre.
Während sich die Finanzierungsseite noch etwas schwertut, herrscht an Projektangeboten kein Mangel. Rund 50 Businesspläne flattern jeden Monat bei BonVenture ins Haus. „Doch vieles passt nicht zu unserem Konzept“, sagt Wendeln. „Die guten Projekte bekommen wir meistens über unsere Investoren und Beiratsmitglieder und über befreundete Organisationen wie Ashoka und die Schwab Foundation.“ Ausgewählte „Sozial Entrepreneurs“ dürfen sich dann auf den Beiratssitzungen, die alle zwei bis drei Monate auf dem Anwesen von Martin Brost am Walchensee stattfinden, präsentieren. In der bayerischen Idylle diskutiert das Gremium dann, ob es ein Projekt unterstützen wird. Besonders emotional scheint es dabei nicht zuzugehen: „Jeder hat seine Expertise in einem anderen Gebiet, der eine im Sozialbereich, der andere im Umweltbereich und der Dritte im kaufmännischen Bereich. Die unterschiedlichen Meinungen werden in einen Topf geworfen, dann wird kräftig umgerührt“, erläutert Wendeln den Meinungsbildungsprozess. Am Ende entscheidet die Mehrheit. Dabei wird genau geschaut, ob das Unternehmen mit seiner Idee auch Geld verdienen kann. Denn – das wissen die Unternehmerfamilien von BonVenture aus eigener Erfahrung – nur was sich rechnet, hat auch Überlebenschancen.