Unternehmerfamilien möchten so normal leben wie möglich. Das Thema persönliche Sicherheit wird oft verdrängt. Damit werden sie allzu leicht zu Opfern.

Ein 47-jähriger Waffelhersteller aus dem brandenburgischen Rogäsen erhält eines Tages einen Anruf auf seinem Handy: Ein unbekannter Mann fordert 800.000 Euro und droht, die 12-jährige Tochter des Unternehmers zu erschießen, wenn seine Forderung nicht erfüllt werde. Kein Einzelfall: AWD-Gründer Carsten Maschmeyer erhält Drohbriefe. BMW-Erbin Susanne Klatten wurde erpresst. Die Familien Oetker, Reemtsma, Schlecker, Müller und von Metzler wurden Opfer von Entführern.

Unternehmerfamilien sind besonders gefährdet. Ihr Ver mögensstatus ist leicht recherchierbar. Listen wie die 500 reichsten Deutschen sind ein ideales Nachschlagewerk. Online gestellte Presseberichte, Fotos von Familienmitgliedern auf Wohltätigkeits- oder Sportveranstaltungen ermöglichen die Identifizierung eines potentiellen Ziels vom Laptop aus. Posten die Kinder dann noch über Facebook, wann die Eltern verreist sind, wird es den Kriminellen einfach gemacht.

Naiver Wunsch nach Normalität

Viele Vermögensinhaber unterschätzen die Risiken oder möchten sich einfach nicht mit Horrorszenarien auseinandersetzen. Dazu kommt der Wunsch, nach einem „normalen“ Leben, ohne Bewachung und permanente Kontrolle. „Dies sind die üblichen Hürden, Kontakt mit einer Sicherheitsfirma aufzunehmen“, weiß Dr. Kevin Schaefers, Mitglied der Geschäftsleitung beim Feri Family Office.

Feri hat im Rahmen einer Studie mit Prof. Peter Schaubach vom Competence Center for Family Office an der EBS Business School ein ganzheitliches Family-Office-Konzept erstellt, das den Vermögensbegriff um Faktoren wie Human- und Sozialvermögen erweitert. Herausgekommen sind Handlungsstrategien zur Vermögenssicherung. Ein Element davon ist die persönliche Sicherheit. „Wir möchten die Vermögensinhaber für Themen wie Datensicherheit, den Umgang mit Sozialen Netzen, Objektschutz und Recherchierbarkeit persönlicher und vermögensbezogener Daten sensibilisieren“, sagt Schaefers, schließlich könne eine Entführung oder eine Erpressung, abgesehen von der persönlichen Katastrophe, schnell zu einem finanziellen Fiasko für die Familie werden.

Christian Schaaf, Gründer der Sicherheitsfirma Corporate Trust und früherer Ermittler beim Bayerischen Landeskriminalamt, hat schon viele solche Dramen erlebt. „Die Sensibilität der Unternehmer für das Thema Sicherheit ist oft nicht ausreichend“, findet er. Viele Vermögensinhaber kämen erst auf Sicherheitsspezialisten zu, wenn sich bereits ein Vorfall ereignet habe oder ein konkreter Verdacht bestehe. Doch dann verliere man kostbare Zeit. Zudem gehe es ja darum, Prävention zu betreiben: „Täter wählen ihre Opfer aus, weil sie ihnen aufgefallen sind“, weiß Schaaf.

Daher empfiehlt er, sich möglichst unterhalb des Radars der öffentlichen Medien zu bewegen, „vor allem keine Bilder, schon gar nicht von den Kindern, und keinerlei private Gewohnheiten preiszugeben“. Auch sei es heute viel zu einfach, die Privatadresse und das Autokennzeichen zu recherchieren. „Eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt kostet gerade einmal 10 Euro“, sagt Schaaf; daher rät er vermögenden Familien, eine Auskunftssperre zu beantragen.

Besondere Gefahren lauern im unbefangenen Umgang mit IT-Geräten: Je mehr Geräte heute Daten austauschen, desto schwieriger wird es für die Nutzer, die Kontrolle über ihre Daten zu behalten. Was für den Normalverdiener ärgerlich bis lästig sein mag, kann für Inhaber größerer Vermögen zu einer echten Bedrohung werden. „Einer unserer Kunden hatte seine Videoüberwachungsanlage für sein Haus auf sein Netzwerk geschaltet, dass er selbst eingerichtet hatte. Die Täter hackten sich ins Netzwerk und schalteten die Einbruchsicherung aus“, berichtet Schaaf. Abgesehen von Passwortschutz – der heute Standard sein sollte – empfiehlt Schaaf, die Einrichtung und Wartung der IT in die Hände eines Fachmanns zu geben, der idealerweise ein entsprechendes Sicherheitsverständnis mitbringe. Unternehmer sollten sich überlegen, ob es sinnvoll sei, dass der Unternehmensadministrator auch die privaten Geräte der Familie betreue.

Während sich die eigenen Geräte noch sichern lassen, sieht das im freien Netz schon ganz anders aus. Vor allem Kinder sind gefährdet, denn sie geraten zunehmend in den Fokus der Täter, die versuchen, über Soziale Medien oder Onlinespiele mit ihnen in Kontakt zu treten. „Eltern sollten mit ihren Kindern über die Gefahren sprechen“, empfiehlt Uwe Gerstenberg, Geschäftsführer der consulting plus Beratung, eines Anbieters für Sicherheitslösungen. Verbote werden sowieso nicht eingehalten, weiß Gerstenberg, doch es sei wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen entsprechend geschult und trainiert werden, damit sie keine verwertbaren Informationen im Internet preisgeben. „Idealerweise werden auch die Freunde einbezogen, denn auch ihre Internetaktivitäten können zur Gefahr werden.“

Neben einer Gefährdungsanalyse, dem Objektschutz, der IT-Sicherung und der Sensibilisierung im Umgang mit Sozialen Medien können zu einem umfassen Sicherheitskonzept auch ein mobiles Alarmgerät für das Auto und Aufklärungsmaßnahmen wie die Sicherung der Wegstrecken und die Beobachtung des familiären Umfelds gehören. Ziel ist es, Auffälligkeiten rechtzeitig zu erkennen.

Den Ernstfall üben

Gerstenberg analysiert mit seinen Kunden das Gefahrenpotential und mögliche Krisenszenarien. Anschließend wird ein Sicherheitsleitfaden erarbeitet, der nicht nur der Prävention dient, sondern auch Ratschläge für den Ernstfall gibt. Die Betroffenen wissen so, wie sie im Notfall reagieren müssen und an wen sie sich wenden können, um keine Zeit zu verlieren und kein Aufsehen zu erregen. „Es muss nicht immer gleich eine Entführung sein“, sagt Gerstenberg. „Viele Vermögensin haber bekommen regelmäßig Drohbriefe.“ Gerstenberg und sein Team sichern dann die Spuren und erstellen ein Profil des Absenders. „Sind die Drohungen ernst zu nehmen, werden unverzüglich Sicherheitsmaßnahmen für die Familie ergriffen.“

Auch das personelle Umfeld nehmen die Sicherheitsmanager unter die Lupe. Bei neuen Geschäftspartnern empfiehlt Schaaf einen Hintergrundcheck. „Ein polizeiliches Führungszeugnis und eine regelmäßige Schufa-Auskunft für Hausangestellte sollten ohnehin für jede Familie selbstverständlich sein.“ Schaaf kennt eine Familie, deren Hausangestellte private Daten verkauft hat, weil sie hochverschuldet war. „Die Frau arbeitete schon lange für die Familie, doch irgendwann war sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten.“ In einem anderen Fall hatte sich eine junge Frau als Hausmädchen beworben. Die Familie war begeistert von dem Neuzugang, bis sie von dem langen Vorstrafenregister erfuhr. „Risiken, die vermeidbar sind, sollte man nicht eingehen“, warnt Schaaf.

Das hätte vielleicht auch der brandenburgische Waffelfabrikant beherzigen sollen. Auf einer Geburtstagsfeier hatte er seinen späteren Erpresser kennengelernt und ihm von seiner Tochter erzählt. Seine Handynummer hatte er ihm selbst auf einen Bierdeckel gekritzelt.

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