Wer teilweise im Ausland lebt, muss ab 2015 damit rechnen, dass im Todesfall ausländisches Erbrecht angewandt wird. Was Unternehmer bei Auslandsaufenthalten bedenken und wie sie sich auf den Erbfall vorbereiten sollten.

Erbfälle mit Auslandsberührung sind in deutschen Unternehmerfamilien nicht die Ausnahme, sondern längst die Regel. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission gibt es in der EU jährlich rund 450.000 solcher Fälle, bei denen der Erblasser, seine Angehörigen oder die im Erbfall begünstigten Personen unterschiedlichen Staaten angehören, in unterschiedlichen Staaten leben oder das Erbvermögen auf verschiedene Staaten verteilt ist.

Grund genug für die EU, die bislang unterschiedliche Behandlung solcher Fälle zu harmonisieren. Seit August 2012 ist die EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbRVO) in Kraft. Sie ist auf alle Todesfälle ab dem 17. August 2015 anwendbar.

Aufenthaltsort entscheidend

Die wichtigste Neuerung: Für die Frage, welches Erbrecht anwendbar ist, ist nicht mehr die Staatsangehörigkeit, sondern der „gewöhnliche Aufenthalt“ des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes von entscheidender Bedeutung. Ein deutscher Staatsbürger, der seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort nach Frankreich verlegt hat und dort verstirbt, unterliegt somit grundsätzlich nicht mehr dem deutschen, sondern dem französischen Erbrecht. Das kann für einen deutschen Erblasser zu unerwünschten Rechtsfolgen führen.

Zur Bestimmung des „gewöhnlichen Aufenthaltsortes“ werden Kriterien wie der Ort des Arbeitsplatzes, der soziale Lebensmittelpunkt des Erblassers und seiner Familie sowie die Lage der wesentlichen Vermögensbestandteile herangezogen. Allerdings sind viele Fragen zur Begriffsdefinition bis heute ungeklärt (z. B. Behandlung von Grenzpendlern, Langzeitpendlern). Ungeachtet dieser Unklarheiten gilt jedoch: Ein langfristiger Auslandsaufenthalt kann zu einem Wechsel des anzuwendenden Erbrechts führen.

Wahlfreiheit

Wer sich dieser Regelung nicht unterwerfen oder Rechtsunsicherheiten ausschließen möchte, besitzt eine Rechtswahlmöglichkeit. Der Erblasser kann das Erbrecht des Staates wählen, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl angehörte. Diese Rechtswahl muss allerdings ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen.

Erbschaftsteuer

Die neue Regelung gilt nicht für (Erbschaft-)Steuer sachen. Hier finden wie bisher das jeweilige nationale Erbschaftsteuerrecht und, sofern vorhanden, ein entsprechendes Doppelbesteuerungsabkommen Anwendung. Eine Wahlmöglichkeit gibt es nicht. Das heißt, dass das jeweilige nationale Erbschaftsteuerrecht weiterhin maßgebend ist. Zu unterschieden sind hier:

1. Erblasser Deutschland

Das deutsche Erbschaftsteuerrecht knüpft nach den derzeitigen Regelungen zunächst daran an, ob der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. War dies der Fall, so unterliegt der gesamte Nachlass der deutschen Erbschaftsteuer.

2. Erblasser Ausland / Erbe Deutschland

Hatte der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, unterliegt der Erwerb durch den Erben dennoch der deutschen Erbschaftsteuer, sofern dieser einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.

3. Erblasser / Erbe im Ausland nach Wegzug aus Deutschland

Für den Fall, dass weder Erblasser noch Erben zum Zeit punkt des Todes des Erblassers einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten, kann der weltweite Nachlass dennoch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen. Dies ist der Fall, sofern der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes deutscher Staatsangehöriger war und seinen Wohnsitz in Deutschland erst vor kurzem, nämlich innerhalb von fünf Jahren vor dem Tod, aufgegeben hat. Entsprechendes gilt für die Erben und deren anteiligen Erwerb.

Verlegt ein deutscher Rentner beispielsweise seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt dauerhaft nach Spanien und verstirbt innerhalb von zwei Jahren nach seinem „Wegzug“ dort, so wird sein Vermögen – vorbehaltlich einer Wahl des deutschen Erbrechts – nach spanischem Erbrecht vererbt. Selbst dann, wenn die Erben weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, unterliegt der gesamte weltweite Nachlass der deutschen Erbschaftsteuer.

Neben der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt der Erbfall dann gegebenenfalls zusätzlich der spanischen Erbschaftsteuer, insbesondere etwaiges in Spanien belegenes Grundvermögen oder Bankguthaben. Da es zwischen Deutschland und Spanien kein Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer gibt, besteht das Risiko einer doppelten Besteuerung.

Ob und inwieweit die spanische Erbschaftsteuer auf die deutsche angerechnet werden kann, bestimmt sich wiederum nach dem deutschen Erbschaftsteuerrecht. So kann die spanische Erbschaftsteuer für die in Spanien belegene Immobilie auf die deutsche angerechnet werden, da es sich dabei aus deutscher Sicht um Auslandsvermögen handelt, während die in Spanien erhobene Erbschaftsteuer auf Bankguthaben bei einer spanischen Bank nicht auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden kann.

4. Erblasser und Erbe im Ausland

Sofern weder Erblasser noch Erben zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten, und ein etwaiger Wegzug des Erblassers oder der Erben vor mehr als fünf Jahren erfolgt ist bzw. diese nicht (mehr) die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, kann dennoch deutsche Erbschaftsteuer ausgelöst werden. Dies gilt bei so genanntem Inlandsvermögen. Dazu zählen beispielsweise Grundvermögen in Deutschland und inländisches Betriebsvermögen. Auch hier kann es zu einer doppelten Besteuerung mit Erbschaftsteuer kommen.

Angesichts dieser weitreichenden Folgen sollten sich alle Personen, die einen Auslandsaufenthalt planen, mit dem ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltsortes verbunden ist, Gedanken über die entsprechende Rechtswahl bezüglich ihres Erbrechtes machen und hierzu rechtzeitig etwa erforderliche Verfügungen von Todes wegen treffen.

Torsten Bloch und Sven Oberle sind Partner bei Deloitte.

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