Von Privilegien für Unternehmerkinder hält Stephanie Mair-Huydts nichts. Ganz normal sollen ihre Kinder aufwachsen. Sie sprach mit wir über Ausbildung und Erziehung in einer Unternehmerfamilie.

Sie und Ihr Bruder haben in St. Gallen studiert und promoviert. Heute sind Sie beide in der Geschäftsführung von MairDumont tätig. Ist St. Gallen eine Art Kaderschmiede für Unternehmerkinder?

Keineswegs. Das Unternehmersein hat ja nicht nur mit Ausbildung zu tun. Außerdem gibt es auch andere gute Universitäten. St. Gallen hat mir gefallen,weil die Studenten vom ersten Semester an mit Unternehmen kooperieren, z.B. in Planspielen oder Seminararbeiten. In Freiburg, wo ich die ersten zwei Semester studiert habe, waren die Studenten weiter weg von der Praxis.

Haben Ihre Eltern Ihnen nahe gelegt, an der Schweizer Privatuniversität zu studieren?

Nein, meine Eltern haben keine Regeln für unsere Ausbildung aufgestellt. Es gibt in unserem Unternehmen auch keine Vorgaben für die Nachfolger. Zum Beispiel ist eine Promotion keine Bedingung für den Einstieg in die Geschäftsführung. Im Übrigen bin ich eher zufällig in St. Gallen gelandet. Als ich bereits in Freiburg war, hörte ich im Freundeskreis, jemand habe die Aufnahmeprüfung für St. Gallen nicht bestanden. Dass man da etwas bestehen muss, hat mich irgendwie motiviert, und ich habe mich beworben.

In Deutschland wird St. Gallen auch als Eliteuniversität gesehen. Wie passt das zur vielfach propagierten Bescheidenheit der Familienunternehmen?

Den Ruf einer Eliteuni hat St. Gallen vor allem in Deutschland, in der Schweiz dagegen ist es eine ganz normale Uni. Ich glaube, hier in Deutschland liegt das daran, dass die Leute, die dort hingehen, genau wissen, was sie beruflich erreichen wollen. Sie müssen sich ja speziell bewerben. Daher sind sie später oft recht erfolgreich. Die meisten meines Jahrgangs hat es in die großen Unternehmensberatungen gezogen. Das ist ein großer Unterschied zu denjenigen in Deutschland, die z.B. BWL oder Jura studieren, weil sie noch nicht wissen, wohin die Reise gehen soll.

Das heißt, Sie wussten vom ersten Semester an,wie Ihre berufliche Zukunft aussehen sollte?

Oh ja. Seit ich mich erinnern kann, möchte ich in unserem Unternehmen arbeiten. Ich wollte das einfach so unbedingt. Erklären kann ich Ihnen das nicht. Es lag sicherlich nicht daran, dass ich als Kind schon mit Papierschnipseln in der Druckerei gespielt habe, wie gerne angenommen wird. Auch war das Unternehmen kein Thema am Mittagstisch oder in Urlauben. Ich bin in meiner Kindheit nicht ständig mit dem Unternehmensthema konfrontiert worden.

Wird man also zum Unternehmer geboren? Oder eher erzogen, ausgebildet?

Nach kurzem Nachdenken würde ich sagen, es ist eine Mischung aus allen drei Faktoren. Aber spontan dachte ich ehrlicherweise: Das liegt in den Genen. Dabei spreche ich nicht nur von Familienmitgliedern, die in ein Unternehmen hineinwachsen, sondern auch von denjenigen, die eine Firma neu gründen und sie zum Florieren bringen. Die Leistung dieser Menschen bewundere ich.

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Die Verlegerin

Dr. Stephanie Mair-Huydts studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und in St. Gallen (Schweiz), wo sie 1989 auch promovierte. Über ihre Zeit als Praktikantin in England und Frankreich bei diversen Verlagen schwärmt sie immer noch. „So eine Zeit bekommt man nie wieder. Das kann mir niemand nehmen.“ Nach der Promotion stieg sie ins Familienunternehmen ein. Dort arbeitete sie zunächst im Bereich Touristik, der eigens für sie geschaffen wurde. „Ich wollte niemandem etwas wegnehmen. Sonst hätte ich mich nicht wohl gefühlt.“ Bald darauf übernahm sie den internationalen Verkauf. Seit 1996 ist sie Verlegerin und geschäftsführende Gesellschafterin und leitet den Geschäftsbereich Reiseverlage. Die 43-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von zehn und sieben Jahren.

Inwiefern ähneln Sie und Ihr Bruder Ihrem Vater?

Wir sind alle drei sehr positiv denkende, optimistische Menschen. Und wir sind sehr unternehmungslustig, ständig in Aktion. Das kann manchmal für die „Nicht-Mairs“, also die Angeheirateten, ein bisschen anstrengend sein. Im Sommer wird zum Beispiel gemeinsam ein Wochenende am Bodensee recht aufregend. Ist das Wetter schön, stehen wir auch schon einmal um sechs Uhr auf, frühstücken und fahren Wasserski, weil der See noch so ruhig ist. Kaum Mittag gegessen, müssen wir den aufkommenden Wind nutzen und das Segelboot flott machen. Wenn ich mit meinem Mann auf Städtereise gehe, ist er manchmal richtig erleichtert, wenn ich in der Stadt schon ein paar Mal gewesen bin. Dann jage ich ihn nicht durch die Straßen und die Museen, und wir setzen uns mal in Ruhe in ein Café. Es macht mir einfach sehr viel Spaß, Neues zu entdecken. Meinem Bruder und Vater geht es ähnlich.

Was haben Ihre Eltern Ihnen beigebracht?

Zum einen die Begeisterungsfähigkeit. Meine Eltern haben uns die Gabe mitgegeben, sich nicht nur an den großen, sondern auch an den kleinen Dingen des Lebens zu erfreuen. Zum anderen das Gefühl, als Mensch nicht besser oder mehr wert zu sein als sein Gegenüber.Mein Vater kann Arroganz nicht ausstehen, z.B. Leute, die nicht grüßen, weil sie meinen, etwas Besseres zu sein. Das hat auch mit Toleranz zu tun.

Gehen Ihre Kinder auf eine Privatschule?

Nein, sie gehen hier in die Dorfschule. Die zwei Töchter meines Bruders dagegen besuchen die internationale Schule. Wir haben viel über die Vor- und Nachteile einer privaten Schule diskutiert. Es ist schon toll, dass meine Nichten bereits fließend Englisch verstehen und sprechen lernen. Auf der anderen Seite – und das war für meinen Mann und mich ausschlaggebend – ist die Grundschule noch ein Ort, an dem die Kinder die Wirklichkeit erleben, wie sie in Deutschland „normal“ ist. Ein erster, kleiner Realitätsverlust kommt schon im Gymnasium. Je älter man wird, desto eingeschränkter wird der Personenkreis, mit dem man sich austauscht. Ich hoffe, meine Kinder lernen früh, dass Menschen sehr unterschiedliche Arten haben zu leben, zu denken, zu sein. Aber ich gebe zu, es ist ein schwieriger Spagat: Den Kindern auf der einen Seite zeigen, was „normal“ ist, und ihnen auf der anderen Seite eine möglichst gute Ausbildung bieten.

Würden Sie Ihre Kinder ermuntern, spezielle Seminare für Unternehmerkinder zu besuchen?

O nein, ganz und gar nicht. So etwas finde ich gruselig.

Werden Ihre Kinder in der Schule anders behandelt,weil sie einer Unternehmerfamilie angehören?

Glücklicherweise wissen die meisten Kinder in der Schule nicht, welche große Produktpalette aus unserem Verlag kommt. Da unsere Produkte, z.B. die Reiseführer, ihre eigenen Markennamen haben, verbindet sie niemand mit unserem Familiennamen, mit Ausnahme einiger Lehrer vielleicht. Das war bei mir und meinem Bruder auch so, als wir aufwuchsen.

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Das Unternehmen

Wer viel und gerne reist, kennt sie: die Reiseführer Baedeker Allianz, DuMont,Marco Polo, den Shell-Atlas oder die Falk Stadtpläne. Die MAIRDUMONT GmbH & Co. KG umfasst europaweit neun Verlage und eine Druckerei. In den Neunzigerjahren baute das Unternehmen den Bereich Elektronische Medien auf und entwickelt u.a. auch Navigationssysteme. Im Jahr 2005 erwirtschafteten etwa 550 Mitarbeiter 160 Millionen Euro. Im gleichen Jahr übernahm die Gruppe den DuMont Reiseverlag. Der Kölner Verlag M. DuMont Schauberg, ebenfalls ein Familienunternehmen, erhielt im Gegenzug 10 Prozent der Anteile an der Unternehmensgruppe. Kurt Mair gründete das Unternehmen 1948 als Kartographisches Institut. Sein Sohn, Dr. Volkmar Mair, ist heute 75 Jahre alt und Vorsitzender der Geschäftsführung. Seine beiden Kinder, Stephanie und ihr fünf Jahre jüngerer Bruder Frank (Geschäftsführer Elektronische Medien), sind leitend tätig. Die Bereiche Finanzen & Controlling sowie Marketing & Vertrieb verantworten familienexterne Personen.

Wie wollen Sie Ihren Kindern die Werte Ihrer Eltern weitergeben?

Ich denke, das funktioniert am ehesten, wenn man die Werte nicht nur predigt, sondern auch lebt. Meine Kinder sind mit sieben und zehn Jahren noch sehr jung, und natürlich überlege ich mir nicht jeden Tag, was ich ihnen denn heute mit auf den Weg gebe. Meist entstehen Situationen, auf die man reagiert. Ein Beispiel: Mein Sohn hat sich in der Schweiz nicht gerade nett über den Dialekt geäußert. Da mussten wir ihm erklären, dass die Menschen eben unterschiedlich sprechen und die Art zu sprechen nichts darüber aussagt, ob die Person gut oder schlecht, schlau oder dumm ist.

Reisen Sie viel mit Ihren Kindern, um Toleranz zu fördern?

Nein, meine beiden sind zu klein, als dass sie von fernen Reisen oder auch von Städte- und Kulturreisen profitieren könnten. Wir fahren jeden Sommer drei Wochen in die Bretagne und im Winter in die Berge. Im Übrigen finde ich, dass es nicht sein muss, ihnen die ganze Welt jetzt schon zu zeigen. Denn es macht doch viel mehr Spaß, ferne Länder und Städte im jungen Erwachsenenalter allein zu erkunden.Mein Vater hat mir zu meinem 18. Geburtstag eine gemeinsame Reise nach Paris geschenkt. Das war für mich unglaublich aufregend. Mit zwölf Jahren hätte ich die Stadt nie mit der gleichen Intensität genießen und erfahren können wie mit 18 Jahren. Aber trotzdem freuen sich mein Mann und ich schon auf mögliche Touren mit den Kindern. Wir würden z.B. gerne nach Südafrika und Kanada mit ihnen reisen. Aber das hat noch etwas Zeit.

Sie würden sich demnach freuen, wenn Ihre Kinder später einige Zeit im Ausland verbrächten?

Ja, natürlich würde ich das gerne sehen, sei es zum Reisen oder zum Arbeiten. Dabei denke ich in erster Linie aber nicht daran, dass dies dem Lebenslauf gut tun würde. Ich erinnere mich an meine Aufenthalte in England und in Frankreich, wo ich eine so herrliche und aufregende Zeit verbracht habe. Das wünsche ich mir auch für meine Kinder. Aber es ist viel zu früh, über so etwas nachzudenken. Ich hätte Angst, meine Kinder zu überfordern und ihnen die Lust am Reisen zu nehmen, wenn wir ihnen das Fremde zu schnell schmackhaft machen wollten. Toleranz kann man auch schon im eigenen Dorf üben.

Mischen Ihre Eltern bei Fragen der Ausbildung und Erziehung Ihrer Kinder mit?

Nein. Sie lassen uns einfach laufen, wie sie es seit jeher getan haben. Mein Vater, der mittlerweile schon 75 ist, schnappt sich manchmal seine vier Enkel und fährt mit ihnen im Camper für ein Wochenende ins Grüne. Das macht ihm Spaß.

Welche Rolle spielt Ihre Kinderfrau im Leben Ihrer Kinder?

Unsere Kinderfrau ist für uns alle vier ganz wichtig. Wir feiern dieses Jahr zehnjähriges Jubiläum. Sie ist seit der Geburt unserer Tochter bei uns. Ich könnte ohne sie niemals Beruf und Kinder unter einen Hut bringen. Die Kinder lieben sie. Sehr wichtig ist, dass sie den gleichen Erziehungsstil hat wie mein Mann und ich. Wir hoffen, dass sie noch lange bei uns bleibt.

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