Sie gehört zwar offiziell zur Familie, zumindest dem Nachnamen nach. Aber eigentlich gehört sie ja doch nicht richtig dazu, spürt sie. Die Frau, die einen Unternehmer heiratet, heiratet auch seine Familie und sein Unternehmen. Klischees, Rollenbilder, Erwartungen und Machtfragen prallen aufeinander. Manchmal laut, meist aber ganz leise.

Ich bin verheiratet mit der vierten Generation des Unternehmens Schmidtbau.“ Oder: „Ich bin die Ehefrau von Herbert Bauer, dritte Generation des Unternehmens Bauer & Pleiß.“ (Alle Namen von der Redaktion geändert). So stellten sich viele Frauen in einem Workshop eines Kongresses für Familienunternehmen vor. Kaum jemand begann die eigene Vorstellung mit: „Mein Name ist …“

Ist das das Schicksal der angeheirateten Unternehmerehefrau? Die Frau ohne Eigenschaften? Eine Person ohne eigene Identität? „Nein, diesen Stereotyp gibt es so nicht“, sagt Dr. Karin Martens- Schmid, Coach und Beraterin auch für Familienunternehmen. „Viele wissen, dass die Unternehmerfamilie, in die sie eingeheiratet haben, von ihnen erwartet, sich in der Öffentlichkeit zurückzunehmen. Fügen sie sich in dieses Rollenbild ein, heißt das nicht unbedingt, dass sie nicht ihre Wege finden, eine eigene Identität aufzubauen.“ Die Unternehmerehefrau und die Rollen, die sie spielt, sind so unterschiedlich, wie Menschen und ihre Beziehungsgeflechte nur sein können. DIE Rolle der Unternehmerfrau gibt es nicht. Im Gegenteil, sie ist mit vielen Rollenbildern konfrontiert und somit auch mit Erwartungen, die sich aus diesen Bildern ergeben: Erwartungen des Mannes, der Kinder, der Familie, in die sie eingeheiratet hat, des Managements, der Mitarbeiter oder der regionalen Öffentlichkeit.

All diese Rollen zu spielen und den Erwartungen gerecht zu werden ist mehr als nur ein Kraft- und Balanceakt. Bei alledem auch noch selbst glücklich und zufrieden zu sein ist die wohl größte Herausforderung dabei. „Wichtig ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion und zum achtsamen Umgang mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen. Kennt die Frau ihre individuelle Glückserwartung? Kann sie ihr eigenes Lebensmodell und ihre eigenen Wertesysteme angemessen einschätzen? Kann das ihr Mann auch? Und können beide darüber kommunizieren?“ fasst Christiane Schuchardt-Hain, die ebenso als Coach auch Familienunternehmen berät, essentielle Fragen zusammen. „Man sollte vor der Ehe versuchen, die eigenen Rollenbilder aufzuarbeiten und zu analysieren“, sagt auch Uschi Rodenstock,Diplom-Psychologin mit eigener Praxis und Ehefrau von Randolf Rodenstock, vierte Generation des mittlerweile verkauften Brillenherstellers Rodenstock AG.

Als Arbeitskraft unerwünscht

Eine Klarstellung vor dem Ernstfall Hochzeit wäre zwar ideal, dürfte aber in den meisten Fällen kaum gelingen. Bilder und Erwartungen liegen oft im Verborgenen, klaffen auseinander und sind der Keim vieler Konflikte, insbesondere im Verhältnis zwischen den Ehepartnern. In Familienunternehmen der ersten, manchmal auch der zweiten Generation ist es durchaus üblich, dass die Frau entsprechend ihrer Ausbildung im Unternehmen mitarbeitet. Bei älteren, über Jahre gewachsenen Strukturen ist das nicht immer der Fall. Entscheidend ist dann, welche Rollenbilder und Erwartungen beide Seiten aus ihren eigenen Familien mitbringen. Oft heißt es, es herrsche ein größeres Verständnis unter Ehepartnern, wenn beide einen ähnlichen Hintergrund haben und aus einem Familienunternehmen stammen. Das muss aber nicht immer der Fall sein.

Gisela Munser (Name von der Redaktion geändert) zum Beispiel ist in einer selbständig tätigen Familie aufgewachsen. In beiden Generationen arbeiteten Mann und Frau Seite an Seite. Als Gisela ihren Mann kennenlernte, der ein größeres Familienunternehmen führte, ging sie davon aus, dass sie selbstverständlich im Unternehmen tatkräftig mitwirken würde. In seiner Familie dagegen dominierte ein ganz anderes Rollenverständnis. In keiner Generation hat eine Frau im Unternehmen mitgearbeitet.Die Frau repräsentierte immer den Schöngeist der Familie und führte den Salon. „Ich war bitter enttäuscht. Sehr lange Zeit hing das Problem unausgesprochen in der Luft und sorgte für ein Reizklima“, erinnert Gisela Munser sich. Sie entschied sich für einen eigenen Berufsweg, der nichts mit dem Familienunternehmen zu tun hatte.

Eng verknüpft mit den inkompatiblen Rollenbildern ist auch die Frage der Machtverteilung, die wiederum vom Faktor Zeit beeinflusst wird.Wenn kaum Zeit da ist, um Gedanken und Meinungen auszutauschen, werden Standpunkte schnell mit Macht durchgesetzt. Im Alltag zum Beispiel ist die Frau Chefin zu Hause, unabhängig davon, ob sie ihrem eigenen Beruf nachgeht oder nicht. Sie führt Familie und Haushalt und trifft Entscheidungen. Die gängige Formulierung lautet: Sie hält ihrem Mann den Rücken frei. Wenn dieser (mal) zu Hause ist, neigt er dazu, alles an sich zu reißen, weil er es eben gewöhnt ist, als Patriarch unantastbar zu sein. „Nicht selten schwingt dann bei ihm ein Unterton mit, den man gar nicht gerne hört. Er spricht mit der Familie wie mit seiner Sekretärin.

Dann rumst es natürlich gewaltig“, sagt eine Unternehmerehefrau eines größeren Mehrgenerationenunternehmens. Wenn Frauen die Mitarbeit im Familienunternehmen verwehrt bleibt, jonglieren viele von ihnen zwischen eigenem Berufsweg, Erziehung der Kinder, diversen, meist sozialen Engagements und der Wahrnehmung von repräsentativen Aufgaben an der Seite des Mannes, z.B. bei Treffen mit internationalen Geschäftspartnern. Vor allem im Charity-Bereich sind viele angeheiratete Unternehmerfrauen aktiv. Das kann grundsätzlich eine gute Alternative oder ein Zusatz zum eigenen Berufsleben und zur Erziehung der potentiellen Nachfolger sein. Aber: „Man kann nur schwer erkennen, ob Frauen wirklich mit Herz und Verstand und auch mit unternehmerischem Sinn dabei sind oder nicht.Wenn nicht, dann sind das Alibihandlungen, und das bringt langfristig sicherlich keine innere Zufriedenheit“, sagt Andrea Prym-Bruck, Kunsthistorikerin, selbständige Unternehmerin und Ehefrau von Michael Prym, Gesellschafter des 1530 gegründeten Druckknopfherstellers William Prym GmbH & Co. KG.

Sind gute Feen glücklich?

Außerdem bleibt ein bitterer Beigeschmack. „Ich sage es mal provokativ: Frauen werden oft abgespeist mit etwas, das aus sozialen Gesichtspunkten eine hohe Wertigkeit besitzt, nicht aber aus ökonomischer Sicht. Wenn wir aber ehrlich sind, werden in unserer Gesellschaft doch meist nur Leistungen honoriert und anerkannt, die auch einen ökonomischen Wert generieren“, sagt Andrea Prym-Bruck. Sie engagiert sich zwar auch ehrenamtlich im sozialen Bereich und hat bereits vor 17 Jahren in Kindergärten und Schulen Projekte zur besseren Betreuung für Kinder berufstätiger Mütter initiiert und gemanagt. Das macht sie auch gerne. Aber eben nicht nur.

Heute leitet sie das Firmenarchiv, ist Mitglied im Beirat des Unternehmens und berät Familienunternehmen, u.a. in Fragen der Familiendynamik und der Ausrichtung von Familienund Betriebsfeiern. Beim Thema Anerkennung geht es aber nicht nur um einen finanziellen Ausgleich für die Aktivitäten. „Wenn die Frau keine Anerkennung findet, nagt das am Selbstwertgefühl, und die Frustration wächst. Ihre Funktion muss sichtbar sein“, sagt Schuchardt- Hain. Dafür genügt nicht ein Dankeswort auf der Jahresbetriebsfeier. Wenn die Ehefrau hinter den Kulissen als Ratgeberin, Schlichterin, Organisatorin oder Managerin fungiert, warum sollten sich diese Tätigkeiten nicht auch in einer offiziellen Funktion oder Position widerspiegeln?

Dass eine Unternehmerfrau aber auch ohne offizielle Funktion und Vergütung der Aktivitäten ihren eigenen Weg gehen kann, zeigt Dr. Beate Heraeus, Diplom-Kauffrau und verheiratet mit Dr. Jürgen Heraeus, Aufsichtsratchef des 1851 gegründeten Edelmetall- und Technologiekonzerns Heraeus Holding GmbH. Sie hat ihre Rolle im Gesellschafterkreis der Familie gefunden. In nichtoffizieller Funktion ist sie verantwortlich für Gesellschafterangelegenheiten. Ihre Aufgabe: 180 Gesellschafter zusammenzuhalten. Mit fünf verschiedenen Veranstaltungen pro Jahr schafft sie Foren, um Gedanken auszutauschen, und die Grundlage für ein starkes Wir-Gefühl. „Das mache ich unentgeltlich. Wenn aber meine Tochter, die mit einem Mitglied der Geschäftsführung verheiratet ist, meine Aufgabe übernehmen würde, müsste man sich die Frage nach einer leistungsgerechten Bezahlung sicherlich stellen, denn die Aufgabe ist anspruchsvoll und zeitintensiv. Unsere fünf Töchter wachsen zu Recht mit einem anderen Rollenverständnis auf als meine Generation. Dem sollte Rechnung getragen werden.“

Immer Stoff für die Seifenoper

Dr. Beate Heraeus bekleidet auch offizielle Mandate, mittels derer sie sich für ihre echten Herzensangelegenheiten einsetzt: Umwelt und Natur. „Die Natur braucht uns nicht, wir aber die Natur.“ Sie ist u.a. in den Präsidien der familieneigenen Stiftungen, bei der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, der Allianz- Umweltstiftung und bei WWF Deutschland aktiv. Auch das macht sie ehrenamtlich. Sie sieht dadurch aber keineswegs den Wert ihrer Arbeit gemindert. Vor ihrer Hochzeit hatte sie sich beruflich bereits gut etabliert. Finanziell war und ist sie unabhängig. Sie stammt aus einem Familienunternehmen, das unter ihrem Mitwirken im Aufsichtsrat vor zwei Jahren verkauft wurde. Sie kann es sich leisten, ehrenamtlich tätig zu sein. Vor diesem Hintergrund hält sie dennoch eine gewisse Vergütung für sinnvoll, um mehr Menschen ins Ehrenamt zu locken. Angeheiratete Ehefrauen müssen nicht nur mit unterschiedlichen Lebensmodellen innerhalb ihrer Ehe klarkommen, sondern auch mit denen der Familie ihres Mannes. Diese kann sehr groß sein. Nicht nur Schwiegereltern, Schwager und Schwägerinnen spielen mit. Gerade in Unternehmerfamilien gibt es auch Exehefrauen und Stiefkinder.

Das Verhältnis zu Schwager und Schwägerin ist zwiespältig. Einerseits können enge Bande entstehen. Andererseits kann es aber auch Neid geben, wenn Angeheiratete, auf welchem Gebiet auch immer, sich Ansehen schaffen und erfolgreich sind. „Spannungen treten z.B. auf, wenn die Schwestern des Ehemannes, die sich nicht wirklich für das Unternehmen interessieren, an Gesellschaftersitzungen teilnehmen dürfen und angeheiratete Partner nicht. Manchmal werden talentierte und ambitionierte Frauen ferngehalten, obwohl es der Familiendynamik sogar gut tun würde, eine Außenansicht zu hören. Eine Frau von außen bringt eine gesunde und frische Distanz mit, während jemand, der in einem Familienunternehmen aufwächst, manche Dinge mit einer eingeschränkten Sichtweise betrachtet“, berichtet Andrea Prym-Bruck aus ihrer Beratungspraxis. Daraus entspringen Konflikte. „Diese Art von Konflikten zwischen Schwager und Schwägerin werden selten direkt angesprochen. Sie dringen aber an anderer Stelle an die Oberfläche. Zum Beispiel: Wer richtet die besseren Familienfeste aus? Wer ist im Charity erfolgreicher?“

Wie viel Druck kann man ertragen?

Konflikte, die nicht angesprochen werden dürfen, sind ein ausgeprägtes Phänomen in Unternehmerfamilien. Dessen sind sich viele Frauen vor der Eheschließung nicht bewusst, vor allem, wenn sie nicht in einer Unternehmerfamilie groß geworden sind. „Auch wenn jeder weiß, dass es unter der Oberfläche richtig brodelt, muss Haltung gewahrt werden.Werden Konflikte offengelegt und bewältigt, schweißt das zusammen. Sind sie tabu, lebt man sich eher auseinander. Das ist eine große Belastung für Unternehmerfamilien, die auch krank machen kann“, weiß Dr. Martens- Schmid. Im Alltag können sich die Probleme in einer extensiven Oberflächlichkeit zeigen. Es gibt verschiedene Arten von Flucht: in den zweiten Wohnsitz, in die Spiele Bridge und Golf oder ins exzessive Shoppen und Redekorieren. „Das ist sehr schade, denn das sind Energien, die in die falsche Richtung gehen und zu Depression und Isolation führen können“, sagt Andrea Prym-Bruck.

Frauen sind mit all den Rollen, die sie einnehmen, auch zeitlich stark beansprucht. Im Alltag zeigen sich die Symptome der Belastung vor allem in dem Gefühl, eine Aufgabe nie so gut zu erfüllen, wie man eigentlich möchte. „Wenn ich in meinem Büro saß oder meinen Mann auf Geschäftsreisen begleitete, dachte ich, ich müsste mich eigentlich um die Kinder kümmern. Wenn ich mit den Kindern spielte, dachte ich, ich müsste meine Arbeit stärker vorantreiben. Dieser Spagat, diese Sorge, dass man weder das eine noch das andere richtig macht, kostet sehr viel Kraft“, sagt Uschi Rodenstock.

Vor allem die eigenen Kinder rücken hier ins Blickfeld. Gisela Munser empfand es in ihrer Kindheit als Entbehrung, von der Großmutter erzogen worden zu sein, weil die eigene Mutter im Familiengeschäft arbeitete. „Viele haben ein Kindermädchen oder kompensieren das schlechte Gewissen mit finanziellen Geschenken. Das alles wollte ich nicht. Also quälte mich regelmäßig die Frage: Gebe ich mich ausreichend und sorgfältig meinen Kindern hin?“

Sich irgendwie einfügen

Wie packt also eine Frau all die Herausforderungen an, wenn sie in eine Unternehmerfamilie einheiratet? Nicht nur die zu Anfang erwähnte klare Analyse und Kommunikation des eigenen Lebensentwurfs ist entscheidend. „Die Frau muss wissen, dass sie Teil einer ganzen Geschichte ist. In Prioritäten, Rangfolgen oder ähnlichen Kategorien zu denken, so nach dem Motto: „Das Unternehmen ist meinem Mann wichtiger als ich“, ist ein problematischer Ansatz. Jedes Familienmitglied ist Teil eines Ganzen, muss seinen Platz im System finden und kann darüber Identitätstiftendes erleben“, sagt Dr.Martens-Schmid.

„Ich habe versucht, meine eigene Identität so aufzubauen, dass sie meiner Lebensphase entsprach“, erzählt Dr. Beate Heraeus. Während der Schulzeit ihrer Kinder hat sie zum Beispiel die englische Sprache in 180 Kindertagesstätten eingeführt. Sie hat später viele Projekte in hessischen Schulen angestoßen, immer mit der Frage, welche Managementtools sich in Schulen anwenden ließen. „Man muss sich eine eigene Identität aufbauen, sonst lebt man ausschließlich durch den Firmenchef. Ich habe immer versucht, den Blick für meine jeweilige Rolle zu schärfen und – egal an welcher Front – Nähe und Vertrauen aufzubauen.Unabhängig davon, welchen Weg die Frau sich bahnt, sollte sie allerdings nicht auf Anerkennung oder gar Dank warten. Irgendwann kriegt man es auf der menschlichen Schiene wieder. Engagement lohnt immer.“

Aktuelle Beiträge