Zahlen belegen, dass die Entwicklungszusammenarbeit fruchtet. Aber es bleibt noch viel zu tun. Wie können Unternehmer und Stifter dies unterstützen?

In der Öffentlichkeit ist das Image der Entwicklungszusammenarbeit – früher: „Entwicklungshilfe“ – gut. 83 Prozent der Deutschen möchten sie weiterhin auf dem Niveau von zurzeit 25 Milliarden US-Dollar pro Jahr finanziell unterstützen oder sie sogar steigern. Doch obwohl 93 Prozent meinen, dass es wichtig sei, Menschen in Entwicklungsländern zu helfen, denken nur 11 Prozent der Deutschen, dass dies wirkungsvoll geschieht. Die Widersprüche in der Wahrnehmung haben oft damit zu tun, dass die wenigsten Menschen belastbare Daten über die Entwicklungserfolge kennen.

Martin Block, Leiter der Servicestelle für Stiftungen und Philantrophie, Engagement Global gGmbH

Foto: Engagement Global gGmbH

Wie grundlegend positiv sich viele Länder im Globalen Süden in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben, sorgt meist für großes Erstaunen. Viele Erfolge erzielten etliche Länder durch eigene Anstrengungen. Oft fanden sie dabei Unterstützung durch Industriestaaten und die UNO sowie von Hilfsorganisationen wie Stiftungen, Kirchen und anderen NGOs.

Die großen Fortschritte, die diese Länder seit langem erreicht haben, überraschen deswegen, weil Bilder von Katastrophen und Notlagen die Medienberichterstattung dominieren. Dadurch prägen sie die Wahrnehmung des Globalen Südens. Die Wirklichkeit sieht jedoch wesentlich differenzierter aus. Seriöse Statistiken bleiben oft unbekannt, doch harte Kennziffern sagen mehr über den Zustand der Welt aus als eine gefühlte Wahrheit.

Mädchen und junge Frauen ausbilden

Viele Menschen in Deutschland befürchten eine „Bevölkerungsexplosion“, obwohl das Bevölkerungswachstum nicht mehr exponentiell zunimmt. Während sich die Weltbevölkerung zwischen 1950 und 2000 um 245 Prozent von 2,5 auf 6,1 Milliarden Menschen vervielfachte, wird sie in den 50 Jahren von 2000 bis 2050 voraussichtlich nur noch um 60 Prozent auf 9,7 Milliarden wachsen. Die Stiftung Weltbevölkerung prognostiziert, dass der Höhepunkt der weltweiten Bevölkerungszahl weitere 50 Jahre später mit nur noch 10 Prozent Anstieg unter 11 Milliarden bleiben und ab 2100 wieder sinken wird.

Weltweit ist die Zahl der Kinder pro Frau von 4,8 (1970) auf heute 2,3 gesunken. Beim Wert von 2,1 bleibt eine Population stabil. Auf dem afrikanischen Kontinent ist diese Rate von durchschnittlich 5,8 auf inzwischen 4,4 zurückgegangenen – Tendenz weiter sinkend. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau von Frauen, ihrem Zugang zu Verhütungsmitteln und der Anzahl ihrer Kinder. Wer möchte, dass eine Bevölkerung langsamer wächst, sorgt daher am besten für eine gute Ausbildung von Mädchen und eine gute Gesundheitsversorgung. Dies sind langfristige Investitionen, die dauerhaft Wirkungen erzeugen.

Bessere Grundversorgung

Oberstes Ziel aller Entwicklungsanstrengungen ist, die Armut zu vermindern und damit Lebenschancen zu ermöglichen. Hier wurden in den zurückliegenden Jahrzehnten enorme Fortschritte erzielt. 1990 verfügten fast 36 Prozent aller Menschen auf der Erde (1,9 Milliarden) über weniger als 1,90 US-Dollar täglich, was als Grenze der absoluten Armut gilt. Knapp 30 Jahre später waren es noch 9,3 Prozent (2019: 700 Millionen). Zwar ist der Anteil armer Menschen auch in Afrika südlich der Sahara von 54 Prozent auf 40 Prozent gesunken, ihre absolute Anzahl ist jedoch gewachsen. Große Sorgen macht die Weltgemeinschaft sich aktuell um die Folgen der Corona-Pandemie. Viele Kinder müssen die Schule abbrechen, um ihre Familien mit zu ernähren. Und die ungewollten Teenagerschwangerschaften nehmen stark zu. Die Zahl absolut armer Menschen könnte wieder um 120 bis 200 Millionen steigen. Weitere Kennziffern für Fortschritte sind die Kindersterblichkeit, die Lebenserwartung und der Zugang zu Wasser. Überall wurden Erfolge erzielt: Während 1970 jedes vierte afrikanische Kind seinen fünften Geburtstag nicht erlebte, konnte dieser Anteil auf 7,8 Prozent verringert werden, in Südasien von 21 Prozent auf 4,2 Prozent und in Lateinamerika von 12 Prozent auf 1,6 Prozent.

Und auch die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den Ländern mit geringem bis mittlerem Einkommen von 55 Jahre (1970) auf heute 71 Jahre gestiegen.

1990 hatte fast ein Viertel der Weltbevölkerung keinen gesicherten Zugang zu Wasser, in Afrika südlich der Sahara waren es sogar 53 Prozent. Bis 2017 wurde dieser Anteil auf 8 Prozent insgesamt gesenkt, in Afrika waren es allerdings immer noch 39 Prozent.

Die weltweite Ernährungssituation hat sich zwar deutlich verbessert, und der Hunger ist zurückgegangen. Der Welthungerindex, berechnet von der Deutschen Welthungerhilfe, sank seit dem Jahr 2000 von 28,2 Punkten auf inzwischen 18,2 Punkte, und die Hungersituation wird insgesamt als „mäßig“ eingestuft. Doch gibt es starke regionale Unterschiede, etwa für Südasien und Afrika, wo die Welthungerhilfe die Situation als „ernst“ bezeichnet.

17 SDGs verpflichten

In allen Bereichen sind rund 2.000 deutsche Stiftungen und zahlreiche philanthropische Geldgeber aktiv und tragen mit zu den Erfolgen bei. Insgesamt wurde in den vergangenen Jahrzehnten Enormes geleistet. Die wortwörtlich weltbewegenden Verbesserungen der Lebenssituation von vielen Millionen Menschen werden inzwischen durch einen großen Plan unterstützt: die Agenda 2030 der Vereinten Nationen. In dieser Strategie werden 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) mit 163 Unterzielen, Zeitplänen bis 2030 und klaren Indikatoren definiert. In einer wegweisenden Erklärung verpflichteten sich 2015 alle Regierungen zur Umsetzung des „Weltzukunftsvertrags“, wie ihn Bundesentwicklungsminister Gerd Müller nennt. Bis zum Zieldatum sollen Armut und Hunger beendet, eine gute Bildung für alle gewährleistet und der Zugang zu nachhaltiger Energie für alle gesichert werden. Der Klimawandel soll bekämpft und die Nachhaltigkeit bei Produktion und Konsum sichergestellt sein, das Leben an Land und in den Meeren geschützt werden.

In die Definition der SDGs wurden die Wirtschaft, die Zivilgesellschaft und die Wissenschaft in einem bis dahin nicht gekannten Maße eingebunden. Durch ihre Mitwirkung haben sich namhafte Unternehmen und ihre Verbände, Stiftungen und Philanthropen, NGOs sowie führende Forschungseinrichtungen auf die Umsetzung festgelegt.

Seit der Verabschiedung der Agenda 2030 sind fünf Jahre und damit mehr als ein Drittel des Zeitziels vergangen. Trotz substantieller Fortschritte werden die 17 Ziele bis 2030 nicht erreicht sein. Viele Engagierte sehen sich dennoch auf dem richtigen Weg in eine nachhaltigere und gerechtere globale Zukunft. Sie eint die Überzeugung, dass die Anstrengungen verstärkt werden müssen und vor allem der zerstörerische Klimawandel aufgehalten werden muss (SDG 13). UN-Generalsekretär António Guterres fordert von Regierungen, der Zivilgesellschaft und Philanthropen, der Privatwirtschaft, der Wissenschaft und jedem Einzelnen, für die SDGs „eine unaufhaltsame Bewegung zu erzeugen, die auf die erforderlichen Veränderungen drängt“. Seine wichtigste Botschaft ist, dass es an vielen einzelnen engagierten Menschen liegt, diese Verbesserungen herbeiführen.

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