Das Vermögen liegt im Unternehmen – so ist die Realität vieler Familienunternehmer. Unternehmer mit Herz und Seele konzentrieren sich auf das, was sie besonders gut können und vertrauen naturgemäß auf ihr unternehmerisches Geschick. Dennoch hat es sich für Familienunternehmer bewährt, für folgende Fälle eine passende Vermögensreserve inklusive Wertpapierportfolio als unternehmerischen Risikoausgleich aufzubauen:

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- geplante oder überraschende Erbschaftsteuer im Rahmen des Generationenübergangs
- Erfordernis der Abfindung von Gesellschaftern oder der Abfindung von Kindern, die nicht in die Gesellschaft eintreten, um den Familienfrieden zu wahren
- Anlegen eines persönlichen Ruhepolsters, um bei Disruptionen im eigenen Geschäftsfeld angemessen abgesichert zu sein
Bei der zielgerichteten Strukturierung einer solchen Risikoreserve sollten Unternehmer dafür sorgen, dass sie ohne größere Hemmnisse in einem überschaubaren Zeitraum liquidierungsfähig ist, um im Bedarfsfall zur Verfügung zu stehen. Die Wertschwankungen sollten sich in einem vorgegebenen Rahmen bewegen, um die Gefahr von Verlusten zum Zeitpunkt des Einsatzes zu begrenzen. Alternative Investments wie unternehmerische Beteiligungen, Private-Equity-Fonds oder Immobilien erfüllen das Kriterium der Liquidierbarkeit eher weniger. Wertpapieranlagen sind dagegen für den unternehmerischen Risikoausgleich gut geeignet. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass ein solches Portfolio nicht einseitig auf das Renditeziel fokussiert ist.

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Jahrelang stagnierte die Zahl der Aktionäre. Nach Angaben des Statista Research Department hat sich diese Zahl in den vergangenen Monaten sprunghaft auf 5,33 Millionen erhöht, den höchsten Stand seit 2001. Auffällig ist dabei das Interesse der Investoren an denjenigen Unternehmen, die in den Geschäftsfeldern neue Technologien, neue Medien und Digitalisierung aktiv sind. Auch das Interesse an Kryptowährungen ist massiv angestiegen.
Trotz dieser Entwicklung gibt es Unternehmer, die paradoxerweise hohe Anlagebeträge auf Konten horten, für die sie keine Verzinsung erhalten oder gar mit einem negativen Zins belastet werden. Sie finden keinen Zugang zu den Aktienmärkten. Grund ist häufig eine schlechte Erfahrung nach der Jahrtausendwende – entweder aus erster Hand oder durch die Medienberichterstattung. Ihnen erscheint das Risiko von Aktien als zu hoch. Doch Mathematik und Empirik zeigen: Das Risiko von Aktienanlagen ist eine Funktion der zwei wesentlichen Parameter Anlagedauer beziehungsweise Anlagehorizont und Aktienmarktbewertung. Welche Auswirkungen die Anlagedauer auf das Ergebnis, das heißt auf Verlustrisiko und Ertrag, hat, zeigt die Grafik am Beispiel des Deutschen Aktienindex.
Anlagedauer entscheidend
Eine kurzfristige Anlage ist demnach einer recht hohen Zufallswahrscheinlichkeit ausgesetzt, sie kann ein erratisch positives oder ein negatives Ergebnis erzielen. Mit längerer Anlagedauer verschwindet dieser Zufallseinfluss, und der Ertragsfaktor durch die Teilhabe am Produktivkapital gewinnt an Bedeutung. Zufallsschwankungen am Kapitalmarkt, ein wesentlicher Risikofaktor für die Aktienanlage, treten in den Hintergrund. Daher sollte der maximale Aktienanteil eines Portfolios so gewählt werden, dass er zu dem wahrscheinlichen individuellen Anlagehorizont des Unternehmers passt. Dabei spielt beispielsweise die Frage eine Rolle, wie wahrscheinlich ein notwendiger Rückgriff auf die Reserve ist. Auch den zweiten Parameter müssen Anleger beachten, nämlich die Aktienmarktbewertung. Zur Veranschaulichung dient hier das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), obgleich die Betrachtung des durchschnittlichen KGV eines Index als Bewertungskriterium meist zu kurz greift. Hat ein einzelnes Unternehmen eine hohe Bewertung nach den klassischen Bewertungskennziffern, besteht nicht unbedingt ein erhöhtes Verlustrisiko. Dagegen muss eine hohe Branchen-, Segment- oder Regionenbewertung kritisch betrachtet werden.
Erinnert sei hier an die exorbitante Bewertung japanischer Aktien bis zum Ende der achtziger Jahre. Die Argumente dafür schienen schlüssig. Dass mit der hohen Bewertung ein sehr hohes Verlustrisiko verbunden war, erschloss sich vielen Anlegern erst, als es zu spät war. Auch die – gemessen an allen gängigen klassischen Bewertungskriterien – hohen Bewertungen von TMT-Aktien (Technologie/Medien/Telekom) bis zur Jahrtausendwende waren für Anleger ein Desaster. Dagegen mussten substanzstarke Value-Aktien von „altmodischen“ Industrieunternehmen nur für eine überschaubare Zeit eine Verlustphase hinnehmen.
Mittlerweile präsentiert sich die Deutsche Telekom als ein solides, dividendenstarkes Anlagevehikel. Vor gut 20 Jahren war das Unternehmen bei einem teils zehnfach höheren Kurs ein wildes Spekulationsobjekt. Ein weiteres Beispiel aus der Vergangenheit sind die Ereignisse rund um die „Nifty Fifty“: US-amerikanische Anleger, die Anfang der siebziger Jahre ihr Vermögen vor einer Inflation durch die Verschuldung im Vietnamkrieg schützen wollten, erzeugten durch den übermäßigen Erwerb von 50 hochbewerteten Aktien, darunter IBM oder Coca-Cola, eine Blase, deren Platzen viel Geld vernichtete.
Selbstverständlich ist es für den Aktienmarkt auch relevant, wenn schwerste Krisen über die Welt hereinbrechen, sei es die Finanzmarktkrise 2008/2009 oder eine in jüngerer Zeit nie dagewesene Pandemie: Eine angemessene Bewertung der investierten Anlagen schützt vor langanhaltenden Verlusten, wie eine Analyse der Baisse-Phasen für den Dow Jones seit 1896, den Nasdaq seit 1938 und den japanischen Nikkei seit 1920 zeigt. Bei moderater Bewertung der Indizes beziehungsweise der Marktsegmente erreichten diese trotz einer Baisse stets ihren ehemaligen Höchstkurs in einem für Aktien üblichen Anlagezeitraum.
Natürlich darf nicht verschwiegen werden: Hohe KGV-Bewertungen führen nicht zwangsläufig zu dauerhaften Verlusten, und vor allem ist nicht absehbar, ob eine scharfe Wertkorrektur in einen dauerhaften Verlust mündet. Der zwischenzeitliche massive Preisverfall des Bitcoin 2018 illustriert eindrucksvoll, dass auch bei zweifelhafter Substanz Verluste aufgeholt werden können. Doch dies ist Spekulation und weniger unternehmerisches Handeln.
Extrem lange Verlustphasen werden von Anlegern als ausgeprägtes Risiko empfunden. Verlustphasen von über sechs Jahren gingen an den Aktienmärkten jedoch stets auf eine überhöhte Bewertung zurück und nicht auf unvorhergesehene Ereignisse, wie potentielle Anleger häufig befürchten. Daher hat der japanische Nikkei auch nach 30 Jahren seinen Prä-Krisenstand nicht erreicht, ebenso wenig wie die Deutsche Telekom ihr Kursniveau aus dem Jahr 2000 wieder erreicht hat. Insofern empfiehlt es sich für Familienunternehmer, die ein Wertpapierportfolio für den unternehmerischen Risikoausgleich aufbauen wollen, die Parameter Anlagedauer und Marktbewertung unter Risikogesichtspunkten intensiv zu analysieren.