Beteiligungen an Start-ups sind für Unternehmerfamilien und Family Offices zunehmend interessant. Zwei Gründerinnen, Evgeniya Polo von Emmora und Manuela Sayin von matched.io, erzählen uns im Interview, wie sie zu ihren Geldgebern kamen und was bei der Zusammenarbeit wichtig ist.

Ihr habt beide im Jahr 2019 gegründet. Worin bestehen eure Geschäftsmodelle?

Evgeniya Polo: Emmora ist eine digitale Plattform, die sich den Themen Trauer, Tod und Leben widmet. Wir bieten Menschen in Deutschland die Möglichkeit, eine Planung der Bestattung abzuwickeln. Im Trauerfall oder auch im Vornhinein begleiten wir die Betroffenen und erleichtern die Organisation von Bestattung und Trauerfeier. Die Plattform bündelt ein Netzwerk an Bestattern, Trauerrednern und weitere Dienstleistungen zum Thema Lebensende.

Manuela Sayin: Wir haben eine Matching-Plattform für Softwareentwickler und -entwicklerinnen gebaut. Mehr als jedes zweite Unternehmen hat Probleme damit, diese Berufsgruppe zu rekrutieren. Es kostet viel Zeit und Geld, über bisherige Bewerbungskanäle solche Talente zu finden. Matched.io ist voll automatisiert, lernt mit jeder Entscheidung, die Nutzer dort treffen, dazu und spielt dadurch immer bessere Matches zwischen Unternehmen und Entwicklern aus.

Evgeniya, hat euch die Finanzierung einer Gründung abgeschreckt?

Manuela Sayin, Gründerin von matched.io, kommt aus dem Finance-Bereich und der Unternehmensberatung. Investoren von Matched.io sind Business Angel Lucas von Fürstenberg und der Next Commerce Accelerator.

Manuela Sayin, Gründerin von matched.io, kommt aus dem Finance-Bereich und der Unternehmensberatung. Investoren von Matched.io sind Business Angel Lucas von Fürstenberg und der Next Commerce Accelerator. / Foto: Philipp Steffen

Evgeniya Polo: Eigentlich nicht. Ich hatte das Gefühl, dass man gar nicht so viel zu verlieren hat, vor allem wenn man vorher schon berufstätig war. Meine Mitgründerin Victoria Schuchmann und ich waren absolut bereit, in unsere Idee Geld zu stecken. Die Frage war eher: Wo kriegen wir das her? Sehr schnell waren Mitarbeitende notwendig, da wir der Wachstumsgeschwindigkeit zu zweit nicht gerecht werden konnten.

Und wie seid ihr an Geld für eure Start-ups gekommen?

Evgeniya Polo: Wir waren zunächst bei dem Accelerator-Programm APX, einem Zusammenschluss von Axel Springer und Porsche, das in frühe Phasen von Start-ups investieren. So hatten wir schon einmal 50.000 Euro. Die Bewertung lag durch eine fünfprozentige Beteiligung von APX dann bei 1 Million Euro. Hinzu kam der Zugang zu einem großen Netzwerk an jungen Unternehmen und Investoren.

Manuela, eure erste Finanzierung betrug etwa eine Million Euro. Welche Gedanken habt ihr euch dazu gemacht?

Manuela Sayin: Ich war auf jeden Fall unsicherer als Evgeniya. Beim Notartermin zu der Pre-Seed-Finanzierungsrunde habe ich meine Gründungspartner noch gefragt: „Wollen wir das wirklich machen?“ Bis dahin waren wir nur durch Bootstrapping, also nur durch eigene Mittel und Umsätze gewachsen. Uns war ebenso klar, dass eine Finanzierungsrunde die richtigen Steine zur Skalierung legen wird – dies hat sich bewahrheitet.

Bootstrapping kann ja eine Gründung auch verlangsamen.

Manuela Sayin: Das ist ein Aspekt. Ein anderer ist, dass wir die ersten teuren Learnings aus eigener Tasche gezahlt haben. Wir haben dadurch ein realistisches Gefühl für Kosten entwickelt und wissen, was ein Euro wirklich wert ist.

Für welche Investoren habt ihr euch entschieden?

Manuela Sayin: Vor allem für solche, mit denen wir auch einen persönlichen Draht hatten. Wenn wir in Gesprächen gemerkt haben, dass es menschlich nicht passt, haben wir das auch direkt gesagt. Wir haben Investoren gesucht, die inhaltlichen Input geben können. Potentielle Geldgeber, die sich nicht mit unserer Technologie beschäftigt haben, standen für uns dann nicht mehr zur Debatte.

Auch bei Emmora gab es Anfang dieses Jahres eine Finanzierungsrunde über einen siebenstelligen Betrag. Was war euch bei den Geldgebern wichtig?

Evgeniya Polo: Das ist gewissermaßen ein zweischneidiges Schwert, denn wir brauchten definitiv Kapital, wollten aber auch Supporter und langfristige Partner mit an Bord haben. Wir haben uns dann für private Investoren entschieden, aber auch strategische Geldgeber aus unserer Branche und Family Offices. Letztere passten einfach gut zu unserem Credo, nachhaltig zu wachsen und weit vorauszudenken. Mit dem jetzigen Investorenkreis können wir auf verschiedenste Expertisen zurückgreifen, von branchenspezifischem Wissen über Finanz-Know-how bis hin zu Kommunikationsexperten.

Ein Venture-Capital-Fonds kam nicht in Frage?

Evgeniya Polo, Gründerin von Emmora, arbeitete vorher unter anderem bei Rocket Internet, Amazon, PwC und Deutsche Bahn. Investiert bei Emmora sind APX, IFB, Family Offices sowie die Business Angels Kerstin Schiefelbein und Marc Sasserath.

Evgeniya Polo, Gründerin von Emmora, arbeitete vorher unter anderem bei Rocket Internet, Amazon, PwC und Deutsche Bahn. Investiert bei Emmora sind APX, IFB, Family Offices sowie die Business Angels Kerstin Schiefelbein und Marc Sasserath. / Foto: Emmora

Evgeniya Polo: Es gab durchaus von Beginn an Gespräche und Kontakt zu VCs, aber mit unserem jetzigen Gesellschafterkreis glauben wir, die Idee und das große Ganze dahinter besser und vor allem gemeinsam voranbringen zu können. Venture Capitals sind dann doch sehr numerisch.

Ist für Dich denkbar, nicht mehr die Mehrheit an Emmora zu halten? Das könnte ja zu Konflikten mit den Investoren führen.

Evgeniya Polo: Aktuell haben wir die Anteilsmehrheit, und zunächst wird das auch so bleiben. Aber ich bin da pragmatisch, und sollte das einmal ein Thema sein, wäre ich aufgeschlossen. Solange es die richtigen Investoren sind, findet man auch bei kritischen Fragen eine Einigung – selbst wenn wir nur die Minderheit der Unternehmensanteile hätten.

Bei manchen Start-ups liegen nur wenige Monate zwischen den Finanzierungsrunden. Steht eure nächste auch bald an?

Manuela Sayin: Ja, es ist schon ein bisschen so wie: „Nach der Runde ist vor der Runde.“ Uns geht es in erster Linie darum, regelmäßig Traktion zu zeigen und den bisherigen Investoren den Output des Invests zu verdeutlichen. Wenngleich das User-Wachstum eine ebenso wichtige Rolle für uns spielt. Eine mögliche nächste Finanzierungsrunde ist für das erste Quartal 2023 denkbar.

Evgeniya Polo: Im vierten Quartal 2022 oder dem ersten des nächsten Jahres wird es bei uns wieder eine Finanzierungsrunde geben. Wir haben festgestellt, dass wir uns so einfach schneller und qualitativer entwickeln können. Jede Runde hat für sich einen eigenen Zweck, zum Beispiel mehr Bekanntheit oder eine Expansion. Dadurch verändert sich der Investorenkreis.

Wie kommt es bei Bestandsinvestoren an, wenn sich neue Geldgeber anschließen und sich auch inhaltlich beteiligen möchten?

Manuela Sayin: Es ist im Interesse aller Gesellschafter, Partner reinzuholen, die uns menschlich sowie beruflich weiterbringen. Das ist also kein Problem.

Evgeniya Polo: Wichtig ist dabei, dass alle Stakeholder eine gemeinsame Emmora-Vision teilen. Das sehen Victoria und ich als eine der Hauptaufgaben im Bereich Investor-Relations.

Apropos Kontakt mit den Investoren halten: Wie macht ihr das?

Manuela Sayin: Bei potentiellen Geldgebern sind wir kein Fan davon, nur Updates zu schicken, um welche geschickt zu haben. Bei Geldgebern, die tatsächlich bei uns investiert sind, ist es uns wiederum sehr wichtig. Einmal im Monat gibt es ein Reporting mit relevanten Kennzahlen, auf die wir uns vorher verständigt haben.

Evgeniya Polo: Auf Quartalsebene gibt es bei uns die großen Austauschrunden. Ein Reporting, das eigentlich für jemand anderen gedacht ist, dient auch einem selbst, da alle Zahlen regelmäßig aufbereitet werden. Wir versuchen aber möglichst viel zu automatisieren.

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