Die Kabel am Boden sind noch nicht verklebt. Die Tischdeko steht zusammengepfercht im Eingangsbereich. Junge Leute eilen hin und her, murmeln ständig etwas in ihr Headphone. In wenigen Stunden beginnen hier die Feierlichkeiten. 250 Gäste sollen verwöhnt werden, unter ihnen auch die Festredner Prof. Dr. Berthold Leibinger, Inhaber und Vorsitzender des Aufsichtsrates der Trumpf GmbH & Co. KG, und Erwin Teufel, der ehemalige Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg.
Während das Orgateam der GFT Technologies mit Checklisten durch die Räume hastet, steht einer in schwarzer Jeans und weißem Hemd mittendrin und plaudert. Ulrich Dietz lässt seine Blicke zufrieden durch die Räume schweifen. Der Gründer und CEO der GFT ist seit dem Börsengang im Jahr 1999 größter Einzelaktionär. Er und seine Frau Maria halten knapp 40 Prozent der Anteile.
Ein 20-jähriges Firmenjubiläum klingt nicht spektakulär. Manch alteingesessener Familienunternehmer wird nur müde darüber lächeln. Manch anderer wird aber bewundernde Worte finden. Vor allem junge Nachfolger aus Familienunternehmen zollen erfolgreichen Gründern Respekt, da sie sich nicht in ein vorgewärmtes Nest setzen. Was die 20 Jahre außergewöhnlich macht, ist die Branche. In der IT-Welt gehen Unternehmen genauso schnell wieder unter, wie sie aufgetaucht sind. Die Produkt- und Innovationszyklen sind extrem kurz. „Speed, Speed, Speed“ fordert Dietz am Ende vieler Besprechungen, wie seine PR-Chefin Elke Möbius erzählt. Im Gespräch dagegen lehnt er sich in seinen Stuhl zurück. Gesprächs- und Denkpausen lässt er zu.„Anfang der neunziger Jahre hat mich ein Buch stark beeinflusst: Die Entdeckung der Langsamkeit von Sten Nadolny.“
Behäbiges Baden-Württemberg
In seiner Festrede am Abend zieht Dietz Parallelen zu John Franklin, dem Protagonisten des Romans. Franklin, englischer Kapitän und Entdecker, braucht beim Denken, Sprechen und Handeln viel länger als andere. Doch bei seinen zahlreichen Polarreisen hat er dank seiner Langsamkeit immer überlebt, weil er in kritischen Situationen alle Lösungswege gründlich gegeneinander abgewogen hat. „Im Jahr 2000 haben die Analysten mich schier verrückt gemacht. Welche Prozesse ich nicht hätte verändern sollen, welche Unternehmen wir nicht alle hätten übernehmen müssen. Bis wir uns alles in Ruhe überlegt und entschieden hatten, waren die Chancen an uns vorbeigezogen. Das hat uns aber letztlich auch gerettet.“ Dietz hat sich auch für die Vorbereitung des Börsengangs doppelt so viel Zeit gelassen wie viele seiner Kollegen.
Die Jubiläumsgäste sollen keinen falschen Eindruck gewinnen.„ Die GFT ist keineswegs ein Unternehmen, das zu langsam ist für seine Zeit.“ Aber er bekräftigt, dass dank der vielmals belächelten Eigenschaften der Schwarzwälder – Zurückhaltung, Beharrlichkeit und Gründlichkeit – das Unternehmen überhaupt so weit gekommen sei. Diese Tugenden verkaufen sich gut. Der Erfolg gibt seiner Eigencharakterisierung recht. Aus zwei IT-Krisen, Anfang der neunziger Jahre und 2001 bis 2003, die ihn fast in den Konkurs getrieben haben, ist er gestärkt hervorgegangen. Daher weiß er: „Der Erfolg ist wie ein scheues Reh. Er ist auch ganz schnell wieder weg.“
Nach Frankreich fliehen
Dietz war immer glücklich, von seinen Geschäftsreisen und den Orten mit den schillernden IT-Lichtgestalten wieder heimzukehren. Er scheint immer noch nicht seinen Platz gefunden zu haben zwischen der schnellen, globalen IT-Welt und seiner bedächtigen Heimat, dem Schwarzwald. Dort, in St. Georgen, einst die Hochburg der deutschen Uhrmacher- und Phonoindustrie (DUAL), hat er seine GFT gegründet und groß gemacht. Über 1.100 Mitarbeiter werden dieses Jahr einen Umsatz von etwa 230 Millionen Euro erwirtschaften.
Eine Maßnahme, sich selbst zu mehr Ruhe und Gelassenheit zu disziplinieren, war der Umzug nach Nizza im Jahr 2003. Die GFT hatte dort ein Unternehmen gekauft, dessen Integration er steuern wollte. Ein anderer Grund war aber wichtiger: „Ich musste Abstand gewinnen. So viele Leute reden tagtäglich auf einen ein: Banker, Steuerberater, Kollegen, Kunden, Analysten. Ich war im Themenstrudel gefangen und brauchte Distanz, weil mein Kopf einfach so voll war. Außerdem wollte ich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen. In Frankreich hatten wir wenigstens die Wochenenden zusammen.“ Erst 2007 kehrte die Familie Dietz zurück nach Deutschland und lebt in Stuttgart, wo das GFT Corporate Center in Stuttgart- Plieningen neue Räume bezogen hat. Trotz der schnelllebigen Branche fühlt sich Dietz als Unternehmer, der auch langfristige Strategien umsetzen kann. „Die IT-Branche ist kein Hindernis dafür, den Grundstein für ein langlebiges Unternehmen zu legen. Das Umfeld ist gut, wir können aus der IT heraus so vieles entwickeln, weil alle großen Branchen Anwender von IT-Technologien sind. Die kurzen Produkt- und Innovationszyklen sind kein K.- o.-Faktor. Wir müssen, salopp gesagt, einfach sehr schnell und sehr gut sein und alles richtig machen.“
Generation Gründer
Unabhängig davon, wie man Familienunternehmen definiert, weist die GFT durchaus einige klassische Merkmale für inhabergeführte Firmen der ersten oder zweiten Generation auf.Maria Dietz zum Beispiel hat als Diplom-Kauffrau von Beginn an im Unternehmen mitgearbeitet und verschiedene Abteilungen geleitet. Im Krankenhaus, zwei Tage nach der Geburt des ersten Sohnes, hat sie den Börsenprospekt Korrektur gelesen. Sie war in Krisenzeiten gemeinsam mit dem Finanzvorstand die engste Vertraute ihres Mannes. Und sie litt sehr darunter, als die Aktie der GFT in den Jahren der Börsenbaisse 2001 bis 2003 in den Keller sackte und Freunde und Bekannte aus der Schwarzwaldregion viel Geld verloren haben.
Anders aber als die alteingesessenen, verschwiegenen Unternehmens- und Familiendynastien hat sich GFT dem Kapitalmarkt geöffnet. „Ohne den Börsengang gäbe es uns heute vielleicht nicht mehr. Nicht wegen des Geldes, das in unsere Kasse gespült wurde, oder der Aktien, die wir für Unternehmenskäufe nutzen konnten. Die Transparenz und die Professionalität, die wir gewonnen haben, haben uns in schlechten Zeiten geholfen, auf Kurs zu bleiben.“ Trotz des ersten gelegten Grundsteins glaubt Dietz nicht, dass die GFT für weitere Generationen in Familienhand bleiben wird. „Das hat aber nichts mit unserer Branche zu tun. Um die Nachhaltigkeit und Langlebigkeit von GFT zu sichern, denke ich jetzt bereits über eine Stiftungslösung nach. Gute Beispiele sind Bosch und in unserer Branche die Software AG.“
Das offizielle Programm der Jubiläumsveranstaltung ist beendet. Langatmige Reden und flotte, provokante Musikeinlagen im Wechsel haben die Gäste herausgefordert. Die Tische im Foyer füllen sich, zu den bärtigen Professoren von Fraunhofer-Instituten und Universitäten gesellen sich die jungen Ingenieure und internationalen Führungskräfte der GFT. Und Firmenlenker Dietz, diesmal in Anzug mit Schlips, steht entspannt mittendrin.
Unternehmer der ersten Stunde
Ulrich Dietz studierte nach seiner Lehre als Maschinenbauer an den Fachhochschulen Reutlingen und Furtwangen Maschinenbau und Product- Engineering. Der Diplom-Ingenieur war Kogründer des Transferzentrums für Informationstechnologie (TZI) der Steinbeis Stiftung für Wirtschaftsförderung und arbeitete dort als Projektleiter, bis er 1987 sein eigenes Unternehmen, die GFT, gründete. Die GFT Technologies bietet als ITDienstleister Beratung, Systemintegration, Anwendungsentwicklung und -betrieb,Vermittlung von IT-Freiberuflern und Outsourcing von IT-Einkaufsprozessen an. Zu den größten Kunden zählen Deutsche Post, Deutsche Bank, Daimler und die brasilianische Bank Bradesco. Im Jahr 2006 betrug der Umsatz 174 Millionen Euro, der Gewinn vor Steuern 6,6 Millionen Euro.