Frank Ferchau holt die Gäste persönlich beim Empfang ab und geleitet sie in sein Büro. Kein Vorzimmer. Die Tür steht immer offen. Ungewöhnlich für einen Chef, der 4.200 Mitarbeiter führt, meist Ingenieure und Techniker. Ingenieure brauchen einen transparenten Führungsstil, sagt er. Nur so bekommt er die Besten. Warum sind Familienunternehmen für Bewerber interessant?

Herr Ferchau, tobt der Kampf um die besten Ingenieure noch immer?

Diesen Kampf wird es auch in Zukunft geben, weil der Bedarf weiter wachsen wird. Seit 2004 zeigt sich, wie groß der Engpass an Ingenieuren allein hier in Deutschland ist. Die Situation hat sich seit Beginn der Finanzkrise jedoch entspannt. Neben der Gewinnung von geeignetem Fachpersonal hat die Akquisition von Aufträgen im Vergleich zum vergangenen Jahr an Bedeutung gewonnen.

Sind Ihre Ingenieure nervös und bangen um den Arbeitsplatz?

Unsere hoffentlich nicht, dazu gibt es derzeit keinen Anlass. Insgesamt aber haben sich auch in unserem Arbeitsmarkt die Vorzeichen geändert. Wir erhalten mehr Bewerbungen als sonst. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass die Unternehmen in Deutschland die Fehler der Jahre 1992 bis 1994 wiederholen. Damals sind durch die Entlassungen ganze Kompetenzjahrgänge von Ingenieuren weggebrochen. Heute wollen sicherlich die meisten Unternehmen so lange wie möglich ein altersgerechtes, adäquates Kompetenzprofil innerhalb des Unternehmens abbilden.


Fühlen sich Ihre Ingenieure sicherer aufgehoben, weil Ferchau ein Familienunternehmen ist?

Ich denke, ohne dass ich hierzu genaue Statistiken kenne, dass sich Familienunternehmen in konjunkturell schwächeren Zeiten nicht so drastisch von Mitarbeitern trennen wie Konzerne. Familienunternehmen neigen tendenziell dazu, das Personal auch in schwierigen Zeiten mitzutragen.


Geschieht das aus Altruismus oder aus Kalkül?

Wir sind natürlich keine altruistische Einrichtung. Aber da exzellente Ingenieure nun einmal knapp sind, wollen wir diese auch halten. Für Ingenieure ist im Übrigen Sicherheit ein wesentliches Asset. Vereinfacht und schematisch dargestellt, neigen Ingenieure dazu, in ihrem technischen Umfeld nach Ruhe zu suchen, damit sie ungestört arbeiten können. Vor allem von kaufmännischen Themen halten sie sich fern. Sicherheit ist in Familienunternehmen stärker adressierbar als in Konzernen.


Warum?

Ein Familienunternehmen hat es in der Kommunikation etwas leichter als börsennotierte Konzerngesellschaften, weil eine Person nach außen auftritt, die oft auch noch den gleichen Namen trägt wie das Unternehmen. Es fällt immer leichter, bestimmte Werte, Attribute und Vorstellungen glaubwürdig zu vermitteln, wenn ein Mensch dahintersteht. Das schafft Vertrauen, das schafft Sicherheit.


Bringt Ihnen das bei der Mitarbeitergewinnung gegenüber Konzernen Vorteile?

Ja, in einem tendenziell entemotionalisierten Berufsumfeld ist die Wahrnehmung eines Familienunternehmens positiver hinterlegt. Vermutlich wird unterstellt, dass Themen oder Probleme direkter und persönlicher angesprochen werden können, weil ein Eigner hinter dem Unternehmen steht, den man anrufen und persönlich sprechen kann. Das ist nicht nur ein kommunikatives, sondern auch ein stark emotionales Thema. Ich glaube, dass bei Familienunternehmen der wirtschaftliche Faktor um eine emotionale Bindungskomponente ergänzt wird. Auch das Thema einer langfristigen Perspektive – auch wenn dies abgegriffen und stereotyp zu sein scheint – spielt in Familienunternehmen eine größere Rolle.


Findet der Ingenieur für seine Befindlichkeiten im Familienunternehmen mehr Verständnis als im Konzern?

Das würde ich so nicht sagen. Empathie für einen Ingenieur findet man dort, wo das Unternehmen von Ingenieuren geführt wird. Das wird zum Beispiel in einem forschenden Pharmaunternehmen nicht viel anders sein. Ich nehme aber schon wahr, dass das Thema Familienunternehmen für viele unserer Mitarbeiter ein Kriterium ist. Jeder findet für sich in seinem kleinen Gebiet eine kleine positive Wirkung. Wir führen zum Beispiel jedes Jahr einen Soccer Cup für Mitarbeiter durch, bei dem ich auch mitspiele. Daraus ergeben sich für Kollegen immer wieder Anknüpfungspunkte, um direkt mit mir in ein Gespräch zu kommen, das nicht unbedingt fachlicher Natur sein muss. Vielleicht geht es bei uns einfach etwas menschlicher zu.


Spielen Sie diese Karte Familienunternehmen bewusst beim Rekrutieren von Mitarbeitern aus?

Wir betonen in der Rekrutierung nicht zuallererst, dass wir ein Familienunternehmen sind. Wenn wir gute Mitarbeiter suchen, setzen wir auf andere, für Ingenieure greifbarere Kriterien: Führungsstil, Kommunikation, Weiterbildung, Prozessorientierung. Mit diesen Kriterien schaffen wir ein Umfeld, das für den Ingenieur interessant ist.


Welches Bild vom Ingenieur steckt dahinter?

Rein faktisch haben wir es im Ingenieurberuf mehrheitlich mit Männern zu tun. Das ist bedauerlich, wir hätten gerne mehr weibliche Ingenieure, mehr weibliche Führungskräfte. Aber die hohe Männerquote ist nun mal kennzeichnend für unsere Branche. Außerdem haben Sie es mit Persönlichkeiten zu tun, die sehr analytisch und prozessorientiert denken, Dinge fragmentieren und auf den Kern zurückführen, um sie dann zu analysieren. Dieser gemeinsame Denkstil erleichtert in der Ingenieursfraktion die interne Kommunikation, auch mit uns Führungskräften.

Info

Warum nach Gummersbach?

Bereits in den sechziger Jahren litt Deutschland an der Knappheit von Fachkräften. Die Wirtschaft boomte, vor allem die erdölverarbeitende Industrie wurde der Nachfrage nach Kunststoffen nicht mehr Herr. Das bewog Heinz Ferchau im Jahr 1966, ein kleines Ingenieurbüro in Gummersbach nahe Köln zu gründen. Heinz Ferchau schickte Ingenieure und Techniker für eine begrenzte Zeit in Unternehmen. Heute beschäftigt die Ferchau Engineering GmbH 4.200 Mitarbeiter in mehr als 50 Niederlassungen in Deutschland. Entwickler, Konstrukteure und Projektmanager übernehmen die Projektverantwortung für Ferchaus Kunden aus dem Maschinen- und Fahrzeugbau, der Elekrotechnik und der Luft- und Raumfahrt. Im Jahr 2008 betrug der Umsatz 310 Millionen Euro. Um hochqualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, engagiert sich Ferchau vor allem in Fachhochschulen. Ferchau unterstützt die VDI-Initiativen zur Stärkung des Technologiestandortes Deutschland und zur Karriereförderung von Studierenden.

Das Unternehmen schreibt selbst Innovations- und Förderpreise sowie einen Technik-Kunstpreis aus und ist in Schulen und Kindergärten präsent. Frank Ferchau ist Diplom-Ingenieur und Diplom-Kaufmann. Der 44-Jährige stieg 1994 als stellvertretender Niederlassungsleiter in das Familienunternehmen ein. Elf Jahre später löste er seinen Vater an der Spitze des Unternehmens ab. Heute ist Heinz Ferchau zwar noch Gesellschafter, aber nur noch beratend tätig. Zur Wachablösung arbeiteten die beiden einige Jahre mit einem externen Berater und Coach. Frank Ferchau ist verheiratet und hat drei kleine Kinder.

Wenn Führungsstil so wichtig für Ingenieure ist, wie beschreiben Sie Ihren eigenen Stil?

Detailverliebt, prozessorientiert, verantwortungsbewusst für Unternehmen und die Mitarbeiter, offen für alle Belange, klar in der Kommunikation, transparent in meinen Entscheidungen. Ich mische mich nicht in die Bereiche anderer ein.


Welche Bereiche sind das, und wie sieht in diesem Zusammenhang Ihre Führungsstruktur aus?

Damit meine ich die Abteilungen des Unternehmens: also den dezentralen Vertrieb und die Zentralabteilungen wie Personal, Finanzen und EDV. Grundsätzlich gibt es bei Ferchau flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege. Das ist uns sehr wichtig, um unsere Dynamik und Flexibilität behalten zu können. Dennoch hat es unsere Größe und die Vielfalt unseres Angebotes im letzten Jahr notwendig gemacht, sowohl im Vertrieb als auch in den Abteilungen der Zentrale eine weitere Führungsebene einzuführen. Damit gelingt es uns nun besser, Projekte schnell und pragmatisch umzusetzen.


Sie sind ausgebildeter Ingenieur und Kaufmann. Was sind Sie mehr?

Vom Denkstil her bin ich eher Ingenieur, wahrscheinlich weil das meine erste Ausbildung war. Eine zu große Liebe zum Detail kann ich nicht abstreiten. Allerdings habe ich als Geschäftsführer keine Zeit mehr, dieser Neigung intensiv nachzugehen. Operativ bin ich in den wenigsten Fällen tätig.


Was tun Sie stattdessen?

Als Führungskraft bediene ich im Wesentlichen drei Hebel, mit denen ich das Geschäft beeinflusse: Kunden, Personal und Prozesse. Ich beschäftige mich mit den Zufriedenheitsanalysen der Kunden und Mitarbeiter, aber auch mit Fragen der Qualitätssicherung und der Auditierung. Insgesamt sehe ich mich als verbindendes Element zwischen den Führungskräften und ihren Bereichen. Vor allem bin ich als Geschäftsführer verantwortlich für Dinge, die nicht so gut laufen.


Wie finden und binden Sie Topleute?

Wir kooperieren vor allem mit Fachhochschulen und mit Forschungsinstituten, halten dort Vorträge und schreiben Preise aus. Wir wollen so früh wie möglich Kontakt herstellen zu den Studenten. Immer nur dann Topbewerber anzusprechen, wenn es brennt, ist kein langfristiges Erfolgsrezept. Wir halten aber nicht nur Kontakt zu den Ausbildungsund Forschungseinrichtungen, um den Nachwuchs zu sichern, sondern auch um zu lernen, welche neuen technologischen Möglichkeiten es gibt. Und wir kommunizieren, welche Entwicklungen wir am Markt sehen. Das ist eine beiderseitige Befruchtung. Insgesamt wollen wir die technischen Berufe in das Bewusstsein der Bevölkerung bringen, da sind wir Überzeugungstäter.


Wie haben Sie diese Recruiting-Strategie entwickelt?

Es war schon vor einigen Jahren unser fester Wille, das Thema Attraktivität für Bewerber anzupacken, weil wir als Dienstleister in Deutschland von den Bewerbern oftmals als zweite Wahl betrachtet wurden. Wir wollten aber First Choice sein. So begannen wir mit kleinen Maßnahmen. Wir sind mit jedem Schritt klüger geworden.


Zum Beispiel?

Wir haben zum Beispiel versucht, im Ausland Ingenieure zu rekrutieren. Das ist in Deutschland aber nicht praktikabel. Zum einen ist die deutsche Sprache ein K.-o.-Kriterium. Die Ingenieure unserer Kunden sprechen am liebsten und am besten deutsch. Unsere Kunden legen sehr viel Wert auf die Kontinuität von Personen, Tooling und Prozessen, weil nur so die Projektstabilität gewährleistet wird. Viele sorgten sich, ausländische Kollegen könnten nach einem halben Jahr wieder weg sein.


Werden Sie Ihr Engagement an den Forschungsinstituten wegen der Finanzkrise zurückfahren?

Nein, das bleibt zunächst einmal unverändert. Wir werden auch in Zukunft einen dichten und intensiven Rekrutierungswettbewerb um die besten Leute haben. Gute Leute zu finden, zu rekrutieren und an sich zu binden muss die Aufgabe jedes Unternehmers sein, unabhängig von der Konjunktur.

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