Wie Klüh seiner Verantwortung als Arbeitgeber gerecht werden will

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Christian Frank, Sie sind beim Familienunternehmen Klüh als Geschäftsführer unter anderem für den Bereich Personal verantwortlich. Wie beschreiben Sie ihre Fachkräftesituation?

Klüh bietet sogenannte infrastrukturelle Dienstleistungen an, von Reinigung über Catering bis zu Security und Airport-Services. Das ist sehr personalintensiv. Wir haben keinen Maschinenpark, den man nach Osteuropa verlagern könnte. Das ganze Unternehmen lebt davon, wie unsere Mitarbeitenden jeden Tag bei Kunden performen. Ich bin seit mehr als 20 Jahren bei Klüh und habe Josef Klüh, der heute dem Beirat vorsitzt, noch in seiner operativen Rolle erlebt. Er hat uns immer eingeschärft: Auch als Eigentümer oder Führungskraft haben wir hohen Respekt vor unseren Leuten. Wir haben mehr als 20.000 Mitarbeitende, die zu einem großen Teil geringqualifiziert sind – das ist natürlich ein Massengeschäft. Aber wenn wir sie nicht hätten, bräuchten wir auch keine Buchhaltung und kein Finanzwesen.

Haben Sie Schwierigkeiten, Ihren Fachkräftebedarf zu decken?

Wir sind in Regionen unterwegs, die sich stark unterscheiden. Nehmen Sie eine touristische Region, wo wir einen Ferienpark reinigen sollen – da gibt es kaum Reinigungskräfte. In den Großstädten ist die Diskrepanz teilweise deutlich kleiner. Unabhängig davon müssen wir aber natürlich sehr viel mehr Arbeit in unseren Rekrutierungsprozess stecken, hier ist insbesondere eine extrem schnelle Reaktion auf eingehende Bewerbungen gefragt.

Mit den Geschäftsbereichen Facility Management und Security ist Klüh in Bereichen mit einem niedrigen Lohniveau tätig. Wie leben Sie da Ihre Verantwortung als Arbeitgeber?

Das muss ich etwas relativieren. Wir ärgern uns immer, wenn in den Medien mal wieder ein Bericht über den gesetzlichen Mindestlohn erscheint – der dann mit einer Reinigungskraft bebildert wird. Schauen Sie mal hinter die Kulissen: Als 2015 der gesetzliche Mindestlohn eingeführt wurde mit 8,50 Euro, da lag die niedrigste tarifliche Lohngruppe bei den Gebäudereinigern von Klüh bei 9,50 Euro. 2024 liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 12,41 Euro, bei uns liegt die niedrigste Lohngruppe bei 13,50 Euro. Als Arbeitgeber haben wir auch in den Tarifverhandlungen schon viel dafür getan, diesen Abstand zu halten. Wir zahlen tariftreu, an einigen Standorten auch freiwillig über den Tarif hinaus. Wir sind nicht nur im Niedriglohnbereich unterwegs. Und in anderen Gewerken gibt es außerdem noch eine ganz andere Situation der Tariflöhne. Unsere Mitarbeitenden sind zum Beispiel als Boardkartenkontrolleure an den Airports unterwegs. Dafür braucht es keine langjährige Berufsausbildung, aber es gibt einen Tarifvertrag: Der aktuelle Tariflohn liegt bei 20,19 Euro – ohne Feiertags- und Nachtzuschläge.

Zugleich gibt es eine öffentliche Diskussion darüber, ob sich Arbeiten noch lohnt. Spüren Sie eine Konkurrenz durch Maßnahmen der sozialen Sicherung?

Das würde ich so nicht sagen. Es gibt mit Sicherheit potentielle Mitarbeitende, die Rechenkünstler sind und sich genau ausrechnen: Was würde man über Bürgergeld einnehmen? Und wie viel höher wäre der Verdienst, wenn man in einem unserer Gewerke arbeitet? Ich mache aber viel stärker die Erfahrung: Wir haben es vor allem mit Mitarbeitenden zu tun, die ein Selbstwertgefühl haben. Sie haben verstanden, dass es um eine wirtschaftliche Grundlage geht, und dass Arbeit zugleich auch sinnstiftend sein kann. Das geht weit über die Vergütung hinaus.

Wie können Sie dazu als Arbeitgeber beitragen?

Die wichtigsten Punkte sind Aus- und Fortbildung. Wir haben zum Beispiel eine unternehmenseigene Sicherheitsfachschule, um unsere Security-Mitarbeitenden weiterzuqualifizieren. Für die ganze Gruppe gibt es die Klüh Akademie. Dort kann man sich persönlich und fachlich weiterbilden, zum Beispiel zum zertifizierten Objektleiter für Reinigungskräfte. Das ist keine klassische Berufsausbildung, aber eine Zusatzausbildung, die sich über mehrere Monate erstreckt. Wir spornen unsere Mitarbeitenden aktiv an, daran teilzunehmen. Das erfordert auch die richtige Kultur innerhalb der Organisation. Denn der Reflex bei den Teamleitern liegt nahe, zu sagen: Dann fehlen die mir ja zwei Tage vor Ort. Wir nehmen diese Zeit aber nicht als unproduktiv wahr. Im Gegenteil: Weiterqualifizierung und damit auch Aufstiegschancen sind im Interesse aller.

Haben Sie keine Sorge, dass diese Kandidaten dann abgeworben werden?

Wir machen uns da nichts vor: Es gibt Mitarbeitende, die sehen ihre Fortbildung auch als Mittel zur Steigerung ihres Marktwerts. Als wir mit der Akademie angefangen haben, gab es in der Organisation ganz große Angst davor, nach dem Motto: Wer sagt uns, dass die dann nicht gehen? Ich habe immer dafür geworben, dass wir uns davon lösen müssen. Wir brauchen Großzügigkeit im Ausbildungsdenken. Man muss flächendeckend in die Mitarbeitenden investieren. Natürlich besteht hierbei grundsätzlich die Gefahr, dass Mitarbeitende mit der bei uns erworbenen Qualifikation das Unternehmen verlassen – doch gleichzeitig tun wir viel, um ihnen attraktive Entfaltungsmöglichkeiten bei uns zu bieten und sie langfristig zu halten.

Wie setzen Sie das praktisch um?

Lassen Sie mich ein Beispiel aus der Securitybranche nennen. Dort braucht man für viele Tätigkeiten Spezialqualifikationen, etwa die geprüfte Sicherheitsfachkraft oder den Luftsicherheitsassistenten. Mindestvoraussetzung für eine Vielzahl von Beschäftigten ist aber ein Unterrichtsnachweis nach Paragraph 34a der Gewerbeordnung. Das ist eine Low-level-Einsatzvoraussetzung: Man wird eine Woche lang bei der IHK belehrt, die Kosten betragen circa 400 Euro. Vor Jahren war es noch so, dass wir das als Unternehmen nur vorfinanziert haben. Mitarbeitende, die in den Security-Bereich wollten, mussten die Kosten bei ihrer späteren Tätigkeit in 50-Euro-Raten wieder abstottern. Das haben wir geändert. Man darf den Mitarbeitenden nicht pauschal misstrauen. Wer heute den Schein noch nicht mitbringt, der kann ihn machen, wir finanzieren das. Wenn diese Person Klüh verlässt, dann war es ein falsches Invest, das muss man aushalten. Aber womöglich bleibt sie auch gerade deswegen.

Welche Möglichkeiten hat Klüh, sich auf dem Arbeitsmarkt abzugrenzen?

Die jüngste Maßnahme ist eine groß angelegte Employer-Branding-Kampagne. Dafür haben wir unsere Mitarbeitenden gefragt, wie sie Klüh als Arbeitgeber sehen – und das Ergebnis zeigt deutlich, dass ein Großteil von ihnen stolz darauf ist, Teil unseres Unternehmens zu sein. Sie arbeiten, so könnte man sagen, „für Geld und für Klüh“. Die Kampagne setzt deshalb auf die Message: „Ich arbeite nicht für jede*n, aber für Klüh.“ Gleichzeitig ist uns wichtig, dass unsere Mitarbeitenden wissen: Ihr dürft Euch auf uns verlassen, wir stellen uns vor Euch. Das Berufsbild als solches soll wertgeschätzt werden, dafür setzen wir uns ein, öffentlich und auf Verbandsebene. Zu Corona wurden Reinigungs- und Sicherheitsdienste als systemrelevant angesehen, diese Wahrnehmung ist heute leider wieder aus dem öffentlichen Bild verschwunden. Unser Ziel ist es nun, den positiven Stellenwert wieder nachhaltig in der Öffentlichkeit zu verankern und die wichtige Arbeit unserer Leute sichtbar und wertgeschätzt zu halten.

Hat Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte in Mainz und Paris studiert. Kam über die Kulturberichterstattung zur Tageszeitung. Seit 2007 Redakteurin in der F.A.Z.-Gruppe, seit 2015 fester Teil der wir-Redaktion, wo sie die Produktion des Magazins, das Programm der „wir-Tage“ und den Podcast verantwortet.