Adlon: Mit der Familienstiftung in die Zukunft

Der Rückzug ist ihm nicht leichtgefallen. „Ich habe mir natürlich Gedanken darüber gemacht, ob ich nicht noch zu jung bin, um jetzt bereits den Schritt aus der operativen Geschäftsführung zu gehen. In der Entscheidung steckt viel Rationalität“, sagt Andreas Richstätter. Im November 2024 hat er alle seine Anteile – er war Alleingesellschafter – an der Adlon Intelligent Solutions GmbH mittels einer Schenkung in die Familienstiftung Adlon eingebracht. Ein Jahr zuvor hatte er bereits seinen Geschäftsführerposten an Sebastian Eberle übergeben, der mit Co-Geschäftsführer Sven Hillebrecht das Unternehmen mit 60 Mitarbeitenden an drei Standorten und etwa 22 Millionen Euro Umsatz führt. Mit nur 55 Jahren aufhören? Das ist eher ungewöhnlich für ein inhabergeführtes Unternehmen. Allerdings ist auch die Geschichte um Adlon und Richstätter keine klassische Geschichte eines Familienunternehmens.Adlon wurde 1988 in Ravensburg gegründet und hat sich Schritt für Schritt zu einem IT-Systemhaus mit eigener PC-Produktion entwickelt. Elf Jahre später stieß Richstätter zum Unternehmen, zunächst als kaufmännischer Leiter. Im Jahr 2009 legte er schließlich den Grundstein für den weiteren Verlauf von Adlon, indem er durch einen Management-Buy-out die Gründer und weitere Gesellschafter auszahlte und zum alleinigen Inhaber des Unternehmens wurde.Vom Einstiegszeitpunkt Richstätters im Jahr 1999 bis zum Jahr 2015 erlebte Adlon Höhen und Tiefen, wie etwa die Euphorie des Neuen Marktes, aber auch die Finanzkrise. In den Jahren 2000 bis 2009 war ein Private-Equity-Investor an Bord – im Rückblick eine eher erfolglose Partnerschaft, wie Richstätter erzählt. „Man wollte aus uns eine reine Softwarefirma machen. Dadurch wurden Strukturen stark reduziert, in denen wir vorher stark waren. Sowas führt natürlich zu Spannungen“, erinnert er sich. Als der Plan nicht aufgegangen sei, sei der Investor wieder ausgestiegen. Dennoch habe das Klima im Unternehmen noch lange gelitten. „Ich würde sagen, der ‚Heilungsprozess‘ war erst 2015 abgeschlossen. Viel Wertschätzung war innerhalb der Belegschaft verloren gegangen, und bis solche Wunden heilen, dauert es“, führt Richstätter weiter aus.Warum Adlon gut gerüstet ist Andreas Richstätter (Mitte) hat die Führung von Adlon in die Händevon Sven Hillebrecht (rechts) und Sebastian Eberle (links) gelegt. / Foto: Adlon Intelligent Solutions GmbHDiese Erfahrung mag dazu beigetragen haben, dass sich Richstätter im Zuge der Nachfolge gegen einen Verkauf entschieden hat. Wesentlich war am Ende jedoch ein anderer Grund. „Der Verkauf eines Unternehmens macht meiner Meinung nur dann Sinn, wenn es eine Herausforderung gibt, die das Management nicht selbst lösen kann oder will. Wer sich mit seinem Unternehmen in schwierigem Fahrwasser mit instabiler Führung befindet, für den ist eine Stiftung keine gute Lösung.“ Anders bei Adlon: Richstätter sieht das Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen gut gerüstet für die Zukunft. Da ist zunächst die Führungsstruktur. „Mit Sven Hillebrecht und Sebastian Eberle hat Adlon zwei sehr kompetente Geschäftsführer, die in ihrer Charakter- und Altersstruktur sehr unterschiedlich sind und sich daher gut ergänzen“, sagt Richstätter. Sven Hillebrecht ist 52 Jahre alt, Sebastian Eberle 39 Jahre. Dadurch komme es in der Geschäftsführung nicht zu einem abrupten Ende, sondern es könne ein Übergangsprozess stattfinden. Außerdem sei er ein Fan von Doppelspitzen, fügt Richstätter hinzu, Statistiken würden belegen, dass mit Doppelspitzen die Überlebenswahrscheinlichkeit von Unternehmen steige. „Ich habe viel vom Adlon-Gründer gelernt, ihm war die Personenunabhängigkeit in der Firma wichtig.“ Außerdem arbeite Adlon in zwei Geschäftsbereichen, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Zyklen schockresistent seien: der Bereich Defence und der Bereich Digitaler Arbeitsplatz. Und zu guter Letzt ist sich Richstätter sicher, dass die „gelebten Werte bei Adlon, was den Umgang mit Mensch, Fortschritt und Leistung betrifft“ die IT-Beratung zukunftsfähig machen.Bei seinen Überlegungen zur Stiftung ist er sehr gründlich vorgegangen, hat viel gelesen, sich mit Stiftern und Unternehmern unterhalten, sich in die komplexe Materie eingearbeitet. „Ich bin ein mathematisch geprägter Mensch“, sagt Richstätter, der BWL an der Universität der Bundeswehr in München studiert und als Offizier der Luftwaffe gearbeitet hat. Um herauszufinden, mit wem er die Stiftung aufsetzen wollte, hat er einen „Beauty-Contest“ initiiert. Mit vier Sozietäten hat er Gespräche geführt, Standorte wie Österreich, die Schweiz und Liechtenstein geprüft und wieder verworfen. „Das deutsche Stiftungsrecht ist jetzt mit der Stiftungsrechtsreform gut in unserem Rechtssystem verankert. Mit der Erbersatzsteuer kann ich gut leben, 30 Jahre sind ein guter Planungshorizont“, sagt er.Allerdings: ganz aus dem Unternehmen raus ist Richstätter nicht. Der Stiftungsrat der Adlon Familienstiftung besteht aktuell aus ihm selbst, seiner Frau und seinen beiden Kindern. Andreas Richstätter ist Alleinvorstand und bestimmt somit über strategische Weichenstellungen mit.Bei der Gestaltung der Stiftung war ihm wichtig, dass die Gremien klein gehalten werden und es bei Abstimmungen zu keinen Pattsituationen kommen kann. Mit „lieber eine schlechte Entscheidung als gar keine Entscheidung“ erklärt Richstätter diesen Schritt. Außerdem gibt es eine Altersgrenze für Mitglieder des Stiftungsrats. „80 ist zwar immer noch ein recht hohes Alter, ich finde aber, es ist wichtig, überhaupt eine Altersgrenze festzulegen, um nicht in eine mögliche Demenzfalle zu tappen.“ Mit der Altersgrenze endet auch Richstätters „Alleinherrschaft“ im Stiftungsvorstand. Seine Kinder können dann überlegen, auch familienexterne Personen mit in Vorstand oder Stiftungsrat aufzunehmen, dennoch sind diese Positionen vorrangig für Familienmitglieder vorgesehen.Feste RegelnMit Hilfe der Stiftung haben die Kinder Richstätters zudem die Chance, das Unternehmen kennenzulernen. Seinen Nachwuchs dazu zwingen, irgendwann einmal seine Rolle zu übernehmen, will er dabei aber nicht: „Sie müssen es beide schon wollen.“ Wichtig neben dem Wollen sei zudem das Können. Denn Richstätter ist wichtig, dass immer die bestqualifizierte Person die Firma führt. In der Präambel der Satzung ist deshalb festgehalten, dass seine Kinder, wenn sie in die Geschäftsführung einsteigen wollen, immer einem Fremdvergleich standhalten müssen. Zumindest fachlich sind sie nah dran am Geschäftsmodell von Adlon: Seine Tochter studiert Informatik und Mathematik, sein Sohn Physik.Über den Stiftungszweck und die Ausschüttung der Adlon Familienstiftung hat sich Richstätter ebenfalls Gedanken gemacht. „Ich habe überlegt, was Menschen wirklich langfristig dabei helfen kann, glücklich und zufrieden zu sein. Mir sind zwei Dinge eingefallen: Ausbildung und ein Sicherheitsgefühl im Rentenalter“, führt der Stiftungsvorsitzende aus. Familienmitglieder sollen als Destinatäre der Stiftung bis zum 18. Geburtstag einen Betrag ausgezahlt bekommen, der sich am deutschen Bafög orientiert. Außerdem wird ihnen in der zweiten Hälfte des Lebens eine Rente gezahlt, die sich nach dem durchschnittlichen Einkommen eines Angestellten in Deutschland richtet. Die finanzielle Eigenverantwortlichkeit der Nachkommen solle dadurch nicht eingeschränkt werden, so Richstätter. Gleichzeitig werde damit eine Wechselwirkung zwischen Unternehmen und Familie hergestellt, indem sich die Familie wohlwollend um das Unternehmen kümmere und umgekehrt. Ziel sei es, damit die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen, Familie und Stiftung langfristig zu gewährleisten. „Ich habe diesen Maßstab herangezogen, um den Wert und den Zweck der Unterstützung zu verdeutlichen.“Richstätter blickt erwartungsvoll in die Zukunft und weiß seine neu gewonnene Freizeit zu nutzen, wie er erzählt. So hat er einen Segelschein mit seinem Sohn gemacht und plant nun eine Reise nach China, gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter. Außerdem möchte er seine Hochschulaktivitäten hochfahren, und auch den Posten als Regionalvorstand Bodensee und Oberschwaben beim Verband „Die Familienunternehmer“ wird er zukünftig weiter bekleiden.

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