M&A und Family Offices: Warum eine Commercial Due Diligence unverzichtbar ist – und worauf es ankommt

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Wenn Family Offices heute in digitale Geschäftsmodelle investieren, stehen sie vor einer paradoxen Situation: Die Assets werden immer komplexer, während viele Prüfprozesse noch aus der analogen Welt stammen. Genau hier setzt die Commercial Due Diligence an – und wird zum entscheidenden Werkzeug.

Wer langfristig investieren will, muss auch auf Langfristigkeit prüfen

Während etwa Private-Equity-Häuser oft mit einem klaren Exit-Zeithorizont arbeiten – Asset kaufen, optimieren, nach fünf Jahren weiterverkaufen – denken Family Offices deutlich langfristiger. Halteperioden von 15 Jahren oder mehr sind keine Ausnahme, wenn in Generationen gedacht wird.

Genau dieser langfristige Blick verändert die Anforderungen an die Due Diligence. Es reicht nicht, kurzfristige Profitabilität oder operative Effizienz zu prüfen. Gerade im digitalen Kontext, sei es E-Commerce, SaaS oder andere technologiegetriebene Modelle. Denn die klassische Financial Due Diligence prüft nur die Vergangenheit eines Unternehmens: Stimmen die Zahlen? Ist die Buchhaltung sauber? Gibt es versteckte Risiken in den Abschlüssen? Das ist wichtig – aber nur die halbe Wahrheit.

Die Commercial Due Diligence dagegen bewertet die Zukunft. Hier geht es um die entscheidende Frage: Funktioniert dieses Geschäftsmodell auch noch in fünf, acht oder fünfzehn Jahren? Es reicht nicht, rückwärtsgewandt Zahlen zu kontrollieren. Wer nicht weiß, wie der operative Alltag aussieht, verpasst entscheidende Details. Man muss verstehen, ob das Produkt im sich stark wandelnden Markt bestehen kann, ob es von Plattformen oder einzelnen Kanälen abhängig ist, ob und wie das Geschäftsmodell das eigene Kerngeschäft disruptiert und ob das Team die nötige Umsetzungsstärke mitbringt. Nur so lässt sich wirklich einschätzen, ob etwas Werthaltiges gekauft wird.

Commercial Due Diligence: Ohne Investment-These und eigene Expertise wertlos

Ein weit verbreiteter Fehler: Man beauftragt Berater mit der Durchführung einer Commercial Due Diligence, ohne selbst zu wissen, was eigentlich geprüft werden soll. Das Ergebnis? Standardisierte Prüfberichte, die wenig Substanz liefern.

Deshalb ist eine präzise formulierte Investment-These Pflicht. Nur wer vorab genau definiert, welche Stärken, Synergien oder Zukunftschancen ein Zielunternehmen bieten muss, kann durch die Commercial Due Diligence auch valide Antworten erhalten. Prüfkriterien wie Langlebigkeit und Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells, Skalierbarkeit und Integrationsfähigkeit ins bestehende Portfolio sowie Digitalisierungsgrad und Innovationspotenzial sollten unbedingt ins Briefing einfließen. Eine Commercial Due Diligence ohne klare Richtung bleibt oberflächlich – gerade bei digitalen Geschäftsmodellen, die von Dynamik leben.

Die Versuchung ist groß, Prüfprozesse möglichst intern abzuwickeln. Doch das ist selten sinnvoll – es sei denn, ein Family Office kauft pro Jahr 15 Unternehmen oder mehr und ist dadurch geübt und verfügt über das entsprechende Personal.

Gerade bei Targets, die „digital first“ agieren, braucht es spezialisierte externe Partner, die die Mechanismen dieser Märkte verstehen. Gleichzeitig sollte intern mindestens eine erfahrene Person (ideal: ein Ex-Unternehmensberater) die Qualitätssicherung als interner Projektleiter übernehmen. Nur so wird verhindert, dass externe Anbieter bloß standardisierte Analysepakete abliefern, ohne echten Mehrwert zu erzeugen.

Bevor es in die umfassende Commercial Due Diligence geht, empfiehlt sich fast immer ein vorgelagerter Quick-Check – die sogenannte Red-Flag-Analyse. Dabei werden die zwei bis drei größten Annahmen der Investment-These gezielt geprüft: Sind die behaupteten Kunden wirklich vorhanden? Gibt es versteckte technologische Altlasten? Entsprechen Umsatzstrukturen und Marktperformance den generellen Trends?

Dadurch lassen sich grundlegende Risiken frühzeitig identifizieren – ohne direkt hohe Kosten für eine vollständige Prüfung auszulösen. Bestätigen sich die Annahmen, kann mit demselben Partner nahtlos in die Detailanalyse übergegangen werden.

Hinzu kommt: Eine gute Commercial Due Diligence liefert nicht nur Risiken, sondern konkrete Handlungsempfehlungen, idealerweise inklusive Kostenschätzungen. Das schafft Vorteile in der Verhandlungsphase, etwa durch Synergien, die anderen Bietern verborgen bleiben. Wer solche Potenziale erkennt, kann mit einem höheren Gebot in die Auktion gehen – und das Investment bzw. die Akquisition sichern.

Wer also in Zukunftsfähigkeit und Wertsteigerung investieren will, kommt an einer professionellen Commercial Due Diligence nicht vorbei. Eine klare Investment-These, erfahrene interne Kontrolle und der Mut, unangenehme Wahrheiten frühzeitig aufzudecken, sind das Fundament für nachhaltigen Erfolg.

Info


Nils Seebach ist Digital-Unternehmer, Aufsichtsrat und Geschäftsführer der Digitalberatung Etribes. Sein Fokus liegt auf der digitalen Transformation des deutschen Mittelstands und der Nachfolgegestaltung von Familienunternehmen, für die er auch als Beirat und Ratgeber agiert.