Prinz Hubertus von Sachsen-Coburg und Gotha: Altes Recht, neue Wege

Prinz Hubertus liebt die Natur und den Wald. Sobald er laufen konnte, nahm sein Vater ihn mit in den Wald und später zum Jagen. Er besitzt – wie alle Mitglieder der Familie Coburg – eine Jagdlizenz und ist passionierter Jäger. 9.000 Hektar gehören zum Vermögen der Stiftung der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’schen Familie in Thüringen. Würde der Prinz den Forstbetrieb im Thüringer Wald einmal umrunden, wäre er zwei bis drei Tage unterwegs. 6.400 Hektar Forst in Oberösterreich und 3.000 Hektar in Tirol befinden sich ebenfalls im Besitz der Familienstiftung, die ihren Geschäftssitz in Coburg hat.Das Erbe einer EpocheAls Chef des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha hat Prinz Hubertus die Aufgabe, das Erbe für die Nachkommen zu bewahren. „Fideliter et constanter“, „treu und beständig“ lautet seit 300 Jahren der Leitspruch der Familie. Diese Verantwortung übernimmt stets der männliche Erstgeborene im Haus Sachsen-Coburg, das 1826 mit dem Herzogtum Gotha vereint wurde. So steht es in der Satzung der Familienstiftung von 1928, die genau genommen eine Fideikommiss-Auflösungsstiftung ist.Prinz Hubertus von Sachsen-Coburg und Gothas Urgroßvater war bis 1918 der letzte regierende Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha. Über viele Generationen hinweg sicherte das Fideikommiss den Fortbestand adeliger Vermögen in Deutschland und Österreich. Es handelte sich um einen Teil des Erbes, der bewusst vom übrigen Besitz getrennt wurde. Nutznießer war jeweils nur eine Person, das Vermögen selbst blieb unantastbar und vor einer Zersplitterung durch die Nachkommen geschützt.Bis heute Teil der Familienstiftung des Hauses Sachsen- Coburg und Gotha: Burg Callenberg bei Coburg. / Foto: Stiftung der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’schen FamilieMit dem Ende des Deutschen Kaiserreichs wurden das Staats- und das Privatvermögen des Herzoglichen Hauses getrennt. Die Veste Coburg und Schloss Ehrenburg gingen an den Freistaat Bayern. Die Besitztümer, die dem Herzog privat zugeordnet wurden, sind in der Familienstiftung vereinigt. Neben den Wäldern zählen dazu Schloss Callenberg bei Coburg sowie Schloss Greinburg in Oberösterreich. Die zeitgleich gegründete Kunststiftung hält die verbliebenen Kunstschätze der Herzoglichen Familie.Die Stiftungsurkunde von 1928 umfasst lediglich 18 Paragraphen und legt fest, wie das Familienerbe für die folgenden Generationen zu erhalten ist. Damit verbunden ist auch der Auftrag, die wissenschaftlichen Sammlungen und Kunstschätze des Hauses zu bewahren sowie die Schlösser und Parks zu unterhalten. Schloss Callenberg bei Coburg beherbergt den Herzoglichen Kunstbesitz sowie das Museum des Deutschen Schützenverbands. In Schloss Greinburg, in Grein an der Donau, ist seit 1969 das Oberösterreichische Schifffahrtsmuseum untergebracht.Reglementiert führen„Es ist für uns alle bis heute beeindruckend, wie gut diese Satzung damals konzipiert worden ist. Bis auf kleinere sprachliche Anpassungen wurde die Stiftungssatzung bis heute nicht verändert“, erklärt Prinz Hubertus von Sachsen-Coburg und Gotha, der nach dem Tod seines Vaters im April dieses Jahres das Erbe des Hauses angetreten hat. „Mein Urgroßvater hat die Stiftungssatzung so angelegt, dass der Gedanke des Fideikommiss weitergeführt wird.“Zwar liegt die Geschäftsführung der Familienstiftung bei der Familie, wichtige Entscheidungen, etwa über einen Verkauf, Beleihung oder Kreditaufnahmen, dürfen aber nur mit der Zustimmung des Stiftungsvorstands getroffen werden. „Die Struktur der Stiftung sorgt dafür, dass im Zweifelsfall Schaden vom Vermögen abgewendet wird, lässt aber zugleich demjenigen, der fachlich und charakterlich geeignet ist, sehr viel Entfaltungsfreiheit“, ergänzt Prinz Hubertus.Der Vorstand vereint Elemente eines Aufsichtsrats und eines klassischen Stiftungsvorstands. Er setzt sich aus fünf Personen zusammen, darunter der Hauptnutzungsberechtigte und ein von ihm frei benanntes Mitglied. Zwei Mitglieder werden auf Aufforderung des Vorstands durch Mehrheitsbeschluss der Familienberechtigten gewählt, das fünfte Mitglied wird von den vier anderen bestimmt. Der Vorsitzende darf dabei weder mit dem geschäftsführenden Familienmitglied verwandt noch verschwägert sein. Dies schaffe eine sinnvolle Trennung von Kontrolle und Führung und ermögliche zugleich die Einbindung externer Kompetenz, erläutert Prinz Hubertus. Die externen Vorstandsmitglieder kommen vorwiegend ebenfalls aus Adelsfamilien mit Land- und Forstbesitz und haben wie Prinz Hubertus selbst in der Finanzwirtschaft Karriere gemacht. „Es ist gut, Menschen an Bord zu haben, die bestimmte Sachzwänge aus der eigenen Familientradition heraus nachvollziehen können“, sagt er. „Wir wägen viele Entscheidungen anders ab als in einem modernen Familienunternehmen. Das Wirken der Vorfahren spielt bei uns stets eine Rolle.“Laut Satzung steht dem Hauptnutzungsberechtigten die Hälfte des jährlichen Ertrags der Stiftung zu, die andere Hälfte wird im freien Ermessen des Vorstands an die übrigen Familienangehörigen verteilt. Wer Hauptnutzungsberechtigter wird, ist ebenfalls eindeutig geregelt: Nur der Erstgeborene kann Nachfolger werden. Bislang gab es in jeder Generation mindestens einen männlichen Nachkommen. Prinz Hubertus ist froh, dass er eines Tages nicht darüber entscheiden muss, wer seine Nachfolge antreten soll.Gleichzeitig weiß er, dass die genauen Vorgaben des Stifters die Familienstiftung zu einem starren Konstrukt machen: „Anpassungen an die modernen Gegebenheiten sind schwierig“, insbesondere, wenn die Nachfolge nicht so verläuft wie geplant, zum Beispiel weil der Erstgeborene kein Interesse an der Nachfolge hat, die direkten Nachkommen weiblich sind – oder sich der Hauptnutzungsberechtigte zurückziehen möchte: 2011 erkrankte Hubertus’ Vater, Prinz Andreas, an Parkinson. Hubertus, damals noch Erbprinz, arbeitete in der Vermögensverwaltung bei einer Bank in New York. Dort lernte er auch seine heutige Ehefrau Kelly kennen. Auf Bitte des Vaters zog Sohn Hubertus mit Kelly nach Coburg und übernahm die Geschäftsführung der Familienstiftung.Mit dem Fortschreiten der Krankheit traf Prinz Andreas 2019 die Entscheidung, seinen Erstgeborenen zum Hauptnutzungsberechtigten zu machen, und musste beim Oberlandesgericht (OLG) Bamberg vorsprechen, denn die Stiftung untersteht nicht der üblichen Aufsicht, sondern unterliegt dem Fideikommiss-Senat des OLG Bamberg. Nach einer 15-minütigen Anhörung und der Zustimmung des Senats durfte sich Prinz Andreas zur Ruhe setzen.Mit dem Tod von Prinz Andreas folgte Hubertus seinem Vater auch als Chef des Herzoglichen Gesamthauses nach. Auf den Geschäftsbetrieb habe das Ableben seines Vaters so gut wie keine Auswirkungen gehabt, berichtet er, „da mein Vater alles frühzeitig im Einvernehmen mit mir geregelt hatte“.Die unternehmerische Neuausrichtung beispielsweise im Forstbetrieb, dem Hauptertragsbringer der Familienstiftung, hat Prinz Hubertus bereits vor zehn Jahren angestoßen. Während sein Vater eine besondere Leidenschaft für die Pflege des kulturellen Erbes der Familie hatte, sieht er den Schwerpunkt seiner Aufgabe vor allem in der nachhaltigen Weiterentwicklung der Forstbetriebe. „Ich fokussiere mich darauf, die Wälder bestmöglich zu bewirtschaften und an die veränderten Klimabedingungen anzupassen. Die Schlösser sind Verlustbringer, die wir aus unserer historischen Verpflichtung heraus erhalten wollen, aber quersubventionieren müssen“, stellt der Prinz nüchtern fest.Diversifizieren mit WindkraftBislang blieben die Forstbetriebe, die vor allem Fichtenholz an Vorproduzenten für die Bau- und Möbelindustrie verkaufen, weitgehend von den Folgen des Klimawandels verschont. „Wir sind noch nicht so stark betroffen wie andere Teile in Deutschland und handlungsfähig, um unsere Strategie umzusetzen.“ Diese beinhaltet das Pflanzen neuer klimaresilienter Baumsorten, einen höheren Einschlag sowie eine Reduzierung des Wildbestands.Neben dem Rohstoff Holz sollen künftig auch Windenergieanlagen im Herzoglichen Wald für Einnahmen sorgen. Gerade in höheren Lagen herrschen dafür gute Windverhältnisse. Die Stiftung hat Waldfläche an zwei Energieversorger verpachtet, die die Projektierung übernehmen. „Die Genehmigungsverfahren in Deutschland sind komplex, daher gehen wir selbst nicht ins Risiko, sondern vergeben nur das Recht, mit entsprechender Umsatzbeteiligung, Windenergieprojekte auf unseren Waldflächen zu entwickeln.“Etwas anders sieht es im Herzoglichen Forst in Oberösterreich aus. Dort wird derzeit das größte unternehmerische Projekt der Stiftung umgesetzt: eine Projektierung von zehn Windenergieanlagen. Die Genehmigungsverfahren laufen aktuell noch. „Wir hoffen auf einen positiven Bescheid bis Ende dieses Jahres. Allerdings rechnen wir noch mit Klagen, die den Baubeginn noch einmal um mindestens zwei Jahre verzögern könnten.“ Es brauche einen langen Atem für solche Projekte, sagt der Prinz, der das Ganze bereits vor zehn Jahren angestoßen hat. Sobald die Genehmigung erteilt ist, sollen Investoren beteiligt werden. Das Vorhaben sei für die Stiftung viel zu groß, um es in Eigenverantwortung zu realisieren.„Wir beschäftigen uns viel mit der Frage, wie wir unser Geschäftsmodell zukunftsfähig machen können“, ergänzt Prinz Hubertus. Für Einnahmen sorgen sollen neben erneuerbaren Energien auch die Zertifizierung von CO₂-Speichern und Gutschriften für Ökosystemdienstleistungen, auch in Form von staatlicher Förderung für Flächenstilllegungen. Trotz der großen Herausforderungen, die vor ihm liegen, schätzt Prinz Hubertus den Weitblick seines Urgroßvaters: „Ich bin sehr frei in meinen Entscheidungen und kann neue Dinge anstoßen, die die Lebensgrundlage der kommenden Generationen erhalten oder sogar verbessern.“ Und das an dem Ort, wo er am liebsten ist: im Wald.

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