Angelique Renkhoff-Mücke, warum engagieren Sie sich beim Arbeitgeberverband?
Ich bin seit vielen Jahren aktiv bei Arbeitgeberverbänden tätig, weil ich davon überzeugt bin, über diesen Weg dem Mittelstand und den Familienunternehmen bei vielen Themen Gehör verschaffen zu können. Häufig wird die Verbandslandschaft von wenigen großen Playern bestimmt und die Sichtweisen und Interessen des Mittelstandes werden kaum berücksichtigt. Damit wird aber die Basis der deutschen Wirtschaft vernachlässigt und die Gesetze und Regelungen, die ohne Berücksichtigung der Anforderungen des Mittelstandes verabschiedet werden, sind oftmals praxisfremd und schwer bis gar nicht umsetzbar.
Wofür brauchen wir Gewerkschaften in Deutschland?
Die Sozialpartnerschaft hat in Deutschland eine lange und erfolgreiche Tradition. Speziell in Krisenzeiten haben die Sozialpartner auch in jüngster Vergangenheit bewiesen, dass sie gemeinschaftlich für den Wirtschaftsstandort Deutschland und Arbeitsplatzsicherung einstehen. Generell ist es die Kernaufgabe der Gewerkschaften allgemeine Mindeststandards für die Arbeitsbedingungen festzulegen. Und wie überall verändern sich diese Mindeststandards auch im Laufe der Zeit und müssen angepasst werden. Allerdings besteht zunehmend eine Tendenz bei einigen Gewerkschaften, gesellschaftliche Trends abzubilden und die Mindeststandards zu Maximalstandards auszubauen. Beispiele sind die Forderungen nach einer 4-Tagewoche, einem Anspruch auf Home-Office oder auf individuelle Festlegung der Arbeitszeiten. Immer dann, wenn solche Forderungen durch die Politik flankiert oder sogar aktiv unterstützt werden, gerät das Gleichgewicht zwischen den Sozialpartnern aus den Fugen und führt zu Wettbewerbsnachteilen für deutsche Unternehmen. Dennoch halte ich Gewerkschaften für ein unverzichtbares Element unserer sozialen Marktwirtschaft.
Was lernen Sie in den Gesprächen und während der Verhandlungen von Gewerkschaften?
Die Gewerkschaften spiegeln in aller Regel ein zwar manchmal etwas einseitig dargestelltes, aber dennoch relevantes Stimmungsbild der Belegschaften wider. Sie setzen sich für die Interessen der Mitarbeitenden ein und kanalisieren die zum Teil sehr unterschiedlichen Strömungen. Dabei muss man auch hier darauf achten, dass große Unternehmen und Konzerne nicht bestimmend für die Meinung der Gewerkschaft sein dürfen. Am Ende sind die Gewerkschaften ihren Mitgliedern verpflichtet und je härter und schärfer die Konfrontation im Vorfeld ist, desto schwieriger ist die Lösungsfindung
Sind Arbeitgeber und Gewerkschaften eher Sozialpartner oder Verhandlungspartner?
Das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ist situationsbedingt unterschiedlich. Während der Tarifverhandlungen bestimmt klar die Rolle des Verhandlungspartners den Umgang. In der verhandlungsfreien Zeit gibt es regelmäßige Austauschformate, in denen man sich eher auf die sozialpartnerschaftliche Beziehung konzentriert und sich über Lösungen konkreter wirtschafts- und sozialpolitischer Herausforderungen austauscht. Wichtig ist, in beiden Situationen die Gewerkschaften mit ihrer oft sehr unterschiedlichen Perspektive als wertvoller Teil einer möglichen Lösung zu betrachten und nicht grundsätzlich als Gegner. Am Ende kommt es aber auch immer auf die handelnden Personen an, inwieweit ein ideologiefreier Diskussionsraum geschaffen werden kann.
Wie reagiert Ihre Belegschaft auf Ihre Rolle in Verhandlungen mit den Gewerkschaften?
Grundsätzlich respektieren die Mitarbeitenden meine Rolle als Verhandlungsführerin und vertrauen weitgehend darauf, dass ich gute Gesamtlösungen verhandle, die am Ende auch ihre Interessen berücksichtigen. Sie kennen und respektieren mich als jemanden, der bei betrieblichen Lösungen nach fairen, für beide Seiten akzeptablen und tragfähigen Lösungen sucht. Sie wissen, dass ich durchaus bereit bin, ihre Perspektive einzunehmen und versuche, ihre Belange zu verstehen. Ihnen ist dabei bewusst, dass am Ende ein Kompromiss stehen muss, der für beide Seiten nicht die Maximallösung bedeutet.
Hat an der Uni Bamberg Germanistik, Philosophie und Kommunikationswissenschaften studiert. Zuvor arbeitete sie als Redakteurin am Zukunftsinstitut von Matthias Horx. Bei dem Magazin brand eins in Hamburg entdeckte sie ihre Liebe zum Wirtschaftsjournalismus, der sie seit März 2023 beim wir-Magazin frönen darf.

