Natalie Welch: „Familienunternehmer können mehr bewegen“

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Frau Welch, was sind die größten Hürden für Frauen, die eine Führungsposition anstreben?

Leider können wir in unserer Forschung keine unmittelbaren kausalen Zusammenhänge empirisch nachweisen. Woran es also liegt, dass Frauen in Deutschland in Führungspositionen immer noch so rar gesät sind, lässt sich also gar nicht so einfach sagen. Was wir aber beobachten können, sind Korrelationen mit bestimmten Variablen wie z.B. Ganztagsbetreuung und der Elternzeit der Väter. Mit diesen Daten und ein wenig Nachdenken liegt es eigentlich auf der Hand, dass bestimmte gesellschaftliche Rollenbilder den Schlüssel zu diesem Problem darstellen. Denn die Rollenbilder bestimmen auch die Verteilung der Sorgearbeit, was sich wiederum auf die Erwerbsarbeit auswirkt.

Natalie Welch ist Doktorandin an der Uni Trier und forscht im Fach BWL. / Foto: privat

Was können Arbeitgeber tun, um Frauen auf dem Karriereweg zu fördern?

Ich sehe hier zunächst vor allem die Politik in der Pflicht, bessere Anreize für eine gerechtere Verteilung von Sorgearbeit zu setzen. Arbeitgeber haben aber auch einen gewissen Hebel: Sie können für einen inklusiveren Arbeitsmarkt sorgen. Die wahrgenommene Chancengleichheit in einem Unternehmen hat unmittelbare Auswirkungen darauf, wie viele Frauen sich überhaupt auf eine Stelle bewerben. Unternehmen müssen sich aber vor „Pinkwashing“ hüten: Wie viele Frauen bereits in Führungspositionen sind, also die harten Fakten, hat einen stärkeren Impact als irgendwelche Lippenbekenntnisse auf der Unternehmenswebsite.

Wie groß sind die regionalen Unterschiede in Deutschland bei Frauenanteilen an Führungspositionen? Welche Regionen sind hier stark, welche schwach? Gibt es Enklaven, die Sie nicht erklären können?

Die drei Regionen mit der höchsten Beteiligung von Frauen an Führungspositionen sind Frankfurt/ Oder in Brandenburg, das Altenburger Land südlich von Leipzig und Garmisch-Partenkirchen.

Garmisch-Partenkirchen? Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet.

Verständlich, denn „katholisch“ und „ländlich“ sind in der Regel keine guten Voraussetzungen für Geschlechtergleichheit. Aber in Garmisch-Partenkirchen gibt es überdurchschnittlich viele Väter, die früh lange Elternzeit nehmen, und einen ausgeprägten familiären Zusammenhalt auch in den Großfamilien. Eine direkte Kausalität lässt sich auch hier nicht direkt aus unseren Forschungsergebnissen ableiten, aber wir vermuten, dass diese Faktoren im Fall Garmisch-Partenkirchen den Ausschlag geben.

Sind regionale Unterschiede bei Familienunternehmen weniger stark ausgeprägt als bei anderen Unternehmen?

Das nicht, aber der Einfluss der bereits erwähnten Variablen ist schwächer; beziehungsweise die Kultur des einzelnen Unternehmens hat bei Familienunternehmen einen stärkeren Einfluss als allgemeine Faktoren wie Ganztagsbetreuung und die Elternzeit der Väter. So gesehen können Geschäftsführer und Gesellschafter von Familienunternehmen mehr bewegen als andere Unternehmer in Deutschland.

Hat an der Uni Bamberg Germanistik, Philosophie und Kommunikationswissenschaften studiert. Zuvor arbeitete sie als Redakteurin am Zukunftsinstitut von Matthias Horx. Bei dem Magazin brand eins in Hamburg entdeckte sie ihre Liebe zum Wirtschaftsjournalismus, der sie seit März 2023 beim wir-Magazin frönen darf.