„Wenn jeder nur einen Zehnten gäbe, sähe die Welt ganz anders aus“, sagt Philipp Horsch. Er glaubt fest daran, dass die Welt gerechter und ohne so viel Not sein könnte, würden diejenigen, die Glück haben und auf der Habenseite geboren sind, mehr finanzielle Mittel bereitstellen.
Horsch ist Familienunternehmer in erster Generation. Er führt die HORSCH Maschinen GmbH mit Sitz in Schwandorf gemeinsam mit seinem Bruder, dessen Ehefrau und einem weiteren Gesellschafter. Im Jahr 1984 gegründet, schnell gewachsen, erwirtschaftet der Hersteller von Landtechnik für eine bodenschonende Landwirtschaft heute etwa 1 Milliarde Euro Umsatz und beschäftigt weltweit 3.000 Mitarbeitende an sechs Produktionsstandorten und verschiedenen Landesvertriebsgesellschaften. Die Geschichte des Unternehmens war wechselhaft, es ging nicht immer nur bergauf. „In schwierigen Zeiten ist die Familie immer wieder zusammengerückt“, erzählt Philipp Horsch. Eines habe sich in guten wie in schlechten Zeiten nicht verändert: „Wir sind eine sehr christlich geprägte Familie. Immer haben wir versucht, uns bei der Führung des Unternehmens an christlichen Werten zu orientieren.“

Gut 20 Jahre nach der Firmengründung errichtete Familie Horsch eine Stiftung bürgerlichen Rechts. Zweck der HORSCH Stiftung ist es unter anderem, mit Investitionen in wirtschaftliche Projekte die Armut in verschiedenen Ländern zu bekämpfen. „Wir glauben, dass Unternehmertum Menschen in eine finanzielle Unabhängigkeit führen und Armut überwinden kann“, sagt Philipp Horsch. Die Förderstiftung arbeitet mit 70 internationalen Projekten zusammen, auf nationaler Ebene sind es 60. Größter Partner auf internationaler Ebene sind die Mennonite Economic Development Associates (MEDA), eine kanadische Organisation, die weltweit Kleinstunternehmen unterstützt.
Der unternehmerische Ansatz der HORSCH Stiftung spiegelt sich auch in der Kooperation mit der Initiative Integration SAD wider, die seit 2016 Geflüchteten hilft, in den deutschen Arbeitsmarkt zu finden. Außerdem unterstützt die HORSCH Stiftung auch Projekte im Kinder- und Jugendbereich, in der theologischen Ausbildung im Speziellen und der Bildung im Allgemeinen.
Die HORSCH Stiftung finanziert sich aus Ausschüttungen aus dem Unternehmen, rund 10 Prozent des Gewinns fließen jährlich in die Stiftung. Heute sind 2,5 Vollzeitstellen in der Stiftung beschäftigt. In den Gremien entscheiden Familienmitglieder und Externe über die Förderung der Projekte. „Auch Mitarbeitende aus dem Unternehmen und wir als Familie selbst unterstützen die Arbeit der Stiftung“, sagt Horsch.
Armut oder Klima?
Mit der nachwachsenden Generation verändert sich nun aber die Gemengelage. Vier Mitglieder der Unternehmerfamilie Horsch gehören zur ersten und 13 zur zweiten Generation, die wiederum bereits kleine Kinder hat. „Das Verständnis von Philanthropie verändert sich. Meine Generation hat sich stark auf die Armutsbekämpfung konzentriert. Jetzt dominiert vielerorts das Thema Nachhaltigkeit, für unsere nachwachsende Generation ist der Klimaschutz dringend. Aber Klima und Umwelt sind nicht Bestandteil der Satzung“, sagt Horsch.
Der Unternehmer begann daher, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie die Familie den Interessen aller in Fragen der Philanthropie gerecht werden könne. Bei der Suche nach Antworten stieß er auf die Sinngeber gGmbH, ein Tochterunternehmen der Hoffnungsträger Stiftung, die Tobias Merckle im Jahr 2013 errichtet und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt hat.
Tobias Merckle ist Philanthrop, Sozialunternehmer und Seriengründer. Während sein Vater Adolf Merckle das Unternehmen ratiopharm führte und groß machte, studierte der Sohn Sozialpädagogik und gründete im Jahr 2001 den Verein Seehaus, der sich auf Hilfe für Opfer und Straffällige konzentriert und nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern aktiv ist.

Tobias Merckle kehrte im Februar von einer längeren Kolumbienreise zurück, wo er die Partnerorganisation Prison Fellowship berät und unterstützt, die unter anderem Opfer und Täter aus den Zeiten der bewaffneten Konflikte in dem Land zusammenbringt. Gemeinsam mit den lokalen Partnern vor Ort hat Tobias Merckle das Programm „Dörfer der Versöhnung“ entwickelt, ein Versöhnungsprogramm, an dem ehemalige Guerillakämpfer, Paramilitärs und die Bevölkerung, die jahrzehntelang Opfer von Krieg und Gewalt war, teilnehmen und zerstörte Strukturen gemeinsam wieder aufbauen.
Im Jahr 2013 folgte die Gründung der Hoffnungsträger Stiftung. „Ich habe selbst mehr, als ich zum Leben brauche, dann kann ich auch in Menschen und in die Gesellschaft investieren“, erklärt Merckle diesen Schritt. Durch die Fluchtbewegungen, die in Syrien vor mehr als zehn Jahren mit dem Ausbruch des Krieges starteten, entschied er, hier einen Schwerpunkt zu setzen: Die Stiftung engagiert sich für integratives Wohnen und bringt Menschen unterschiedlicher Gruppen und Herkunft zusammen. Sie ist operativ und fördernd tätig und beschäftigt etwa 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die dritte Gründung kam im Jahr 2021 hinzu. Mit der Sinngeber gGmbH – mittlerweile mit bereits acht Mitarbeitenden – will Tobias Merckle vermögenden Menschen zeigen, wie sie systematisch ihr philanthropisches Engagement aufbauen können und gleichzeitig Philanthropie vereinfachen. Den Beirat von Sinngeber hat Tobias Merckle prominent besetzt: Mitglieder der Unternehmerfamilien Deichmann, Haniel, Hipp oder Ritter sind zum Beispiel dabei, aber auch ehemalige Manager aus Konzernen – und auch Philipp Horsch sowie dessen Ehefrau Elke Horsch. „Tobias Merckle hat mich überzeugt mitzuwirken, um andere zu motivieren, eine philanthropische Haltung zu bilden“, sagt Horsch. Einige der Beiratsmitglieder sind ebenso wie Tobias Merckle christlich engagiert. „Das ist aber keine Grundvoraussetzung, Mitglied im Beirat zu werden“, sagt Merckle. „Es geht mir darum, gemeinsam mit dem Beirat eine Bewegung für Philanthropie insgesamt in Deutschland auf den Weg zu bringen.“
Horsch und Merckle eint eine christliche Haltung, die sie antreibt und die sie leitet. „Zu teilen ist in unserer Familie tief verwurzelt“, betont Horsch. Tobias Merckle schöpft Kraft aus dem Geben. „Es gibt einem viel zurück, wenn man hilft. Für einen selbst ist eine Spende nicht viel, bedeutet nicht wirklich Verzicht. Aber für die Person auf der anderen Seite bedeutet es die Welt. Eine Spende kann die Welt für diese eine Person wirklich verändern.“
Bei Sinngeber interessiert sich Philipp Horsch vor allem für den sogenannten Giving Fund, einen Stiftungsfonds, dessen gespendetes Kapital von der Vermögensverwaltung der Hoffnungsträger Stiftung angelegt wird, um daraus gemeinnützige Projekte zu finanzieren, die sich der Spender oder die Spenderin wiederum aussuchen kann. Dabei ist das Vermögen des Giving Fund Teil des Verbrauchsvermögens der Hoffnungsträger Stiftung – es darf also ausgegeben werden.
Jetzt: Geld ausgeben
Diese zeitliche Komponente war mit ausschlaggebend für Philipp Horsch und die Unternehmerfamilie, als Spender im Stiftungsfonds aktiv zu werden. „Wir wollen das Geld, das wir haben, ausgeben und nicht das Stiftungskapital immer weiter aufblähen“, erklärt Horsch. „Die Mittelverwendung in einer Stiftung unterliegt einem engen steuerrechtlichen und gesetzlichen Korsett. Was bringen Zuwendungen in unseren bereits hohen Stiftungskapitalstock, wenn das Kapital nicht direkt in Projekten arbeiten kann?“, fragt Horsch. Jetzt habe er ein gutes Hilfsmittel gefunden, das philanthropische Engagement flexibler zu gestalten. Das gilt auch für die Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen der Familienmitglieder. „Über das Spendentool des Giving Fund können wir uns thematisch nun auch breiter aufstellen“, so Horsch. Zum Beispiel beim Engagement in der Ukraine-Hilfe, die in der Satzung der HORSCH Stiftung nicht abgedeckt wird – oder aber auch bei den Themen, die anderen Familienmitgliedern am Herzen liegen.
Parallel zur Arbeit mit Sinngeber will Philip Horsch sich mit der HORSCH Stiftung verstärkt auf dem afrikanischen Kontinent engagieren. Und dort nicht mehr nur als Förderpartner agieren, sondern eigene Projekte aufsetzen. „Wir arbeiten an unserer Organisationsstruktur, damit wir gezielt Menschen in eine unternehmerische Unabhängigkeit bringen können, damit diese wiederum Arbeitsplätze schaffen“, erklärt er. Die Finanzierung der künftigen Aktivitäten steht unter guten Vorzeichen. In Zukunft sollen die Anteile der HORSCH Maschinen GmbH zu 75 Prozent in eine Familienstiftung übertragen werden und zu 25 Prozent in die bereits bestehende gemeinnützige HORSCH Stiftung.
Petra Gessner ist Diplom-Volkswirtin und seit 2015 Chefredakteurin des wir-Magazins. Ihr akademischer Weg führte sie von Freiburg im Breisgau in die USA und nach Chile, wo sie sich mit der Wirtschaftsgeschichte Lateinamerikas auseinandersetzte. Seit 2000 arbeitet sie in der F.A.Z.-Verlagsgruppe und ist Gründungsmitglied des Corporate Finance Magazins „FINANCE“, wo sie die Themen M&A und Private Equity verantwortete.

