Die WIFU-Stiftung hat eine Studie zum Thema „Legacy“ veröffentlicht. Dieser englische Begriff ist in diesem Zusammenhang wohl am besten mit „Vermächtnis“ übersetzt und bezeichnet laut Definition in der Studie eine „Bedeutung, die mit der Identität eines Akteurs verbunden ist (…) (und die) sich dauerhaft in den Kognitionen, Emotionen und Verhaltensweisen derjenigen manifestiert, die bleiben.“ Für Familienunternehmen bedeutet das, dass Aspekte der Gründerpersönlichkeiten sich auch in den Gedanken, Worten und Taten der Nachfolgergenerationen widerspiegeln.
Dabei stehen in der Studie der WIFU-Stiftung drei Aspekte im Vordergrund: die soziale, biologische und materielle Legacy. Materielle Legacy bedeutet die Sicherung des Familienvermögens, biologische Legacy die familieninterne Nachfolge und die soziale Legacy die Unternehmenskultur. Denn bei der sozialen Legacy geht es nicht um die Einbettung des Familienunternehmens in die Gesellschaft, also die regionale Verflechtung, oder die Identifikation mit dem eigenen Land, sondern um die Geschichte des Familienunternehmens. Die Autoren Matheus Franco und Thomas Clauß nennen die soziale Legacy „die Weitergabe von Werten, Normen und Erzählungen“.
Zu diesen Aspekten der Unternehmens-Legacy hat die WIFU-Stiftung Daten aus der internationalen Jahresbefragung des STEP Project Global Consortium untersucht. Auf diese Weise kann die Studie auf eine Datenbasis von 2.145 internationalen Familienunternehmen zurückgreifen, die Ende 2023 zu ihrer Legacy befragt wurden. Dabei ging es nicht nur um das reine Vorhandensein einer solchen, sondern auch um ihre Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg.
Unternehmenserfolg ist in der WIFU-Studie wiederum ebenfalls dreifach definiert. Der ökonomische Erfolg ist dabei einer von drei gleichwertigen Aspekten: Nachhaltiger Unternehmenserfolg ist hier gemäß des Triple-Bottom-Ansatzes in „People, Profit, Planet“ unterteilt – also in sozialen, ökologischen und ökonomischen Erfolg. Aus diesem Grund-Setting ergeben sich vielfältige Analysemöglichkeiten: Welcher Aspekt der Legacy hat welche Auswirkungen auf welchen Aspekt des Unternehmenserfolgs? Und wie unterscheiden sich Familienunternehmen darin im internationalen Vergleich?
Um das herauszufinden, wurden Entscheider in Familienunternehmen befragt, typischerweise der CEO oder ein anderes hochrangiges Familienmitglied. Sie bewerteten jeweils ihre Zustimmung (1: Stimme gar nicht zu; 5: Stimme voll zu) zu Aussagen bezüglich der abgefragten Konstrukte, wie der Bedeutung von Legacy, der Einbindung der Next Gen, und des Unternehmenserfolgs.
Vermächtnis und Performance
Die ökologische Erfolgsdimension bezieht sich auf den verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen und die Minimierung des ökologischen Fußabdrucks. Studien zeigen hier ein widersprüchliches Bild, was den Unterschied zwischen Familienunternehmen und anderen Unternehmen angeht, schreibt das WIFU-Institut: Einerseits performen Familienunternehmen hier besser als andere Unternehmen, weil die langfristige Perspektive und das Reputationsbewusstsein verantwortungsvolleres Handeln zur Folge haben. Andererseits haben die Risikoaversion und die Priorisierung des Familienvermögens hier negative Auswirkungen. Das zeigt sich auch in der Datenauswertung der Legacy-Dimensionen: Die materielle Legacy schlägt hier mit Negativwerten zu Buche, während biologische und vor allem auch soziale Legacy in Bezug auf den ökologischen Unternehmenserfolg einen entscheidenden Erfolgsfaktor darstellen.
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Der soziale Unternehmenserfolg ist in der Begriffswelt der WIFU-Studie tatsächlich „sozial“ und nicht „kulturell“ insofern, als es hier nicht um Erzählungen, sondern um Menschen geht. Der soziale Erfolg wird hier definiert als der „Beitrag des Unternehmens zum Wohlergehen seiner Stakeholder, einschließlich Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und der Gesellschaft“. Sozial erfolgreiche Unternehmen haben eine starke Mitarbeiterbindung und einen exzellenten Ruf.
Die „soziale Legacy“ hat einen positiven Einfluss auf diesen Aspekt des unternehmerischen Erfolgs. Sie verzeichnet sogar den höchsten Wert aller gemessenen Legacy-Dimensionen auf alle drei Aspekte: Als einzige liegt sie hier über 0,5. Die Werte kommen durch eine multiple Regressionsanalyse zustande; die genaue Vorgehensweise ist in der Originalquelle ausführlich erläutert (Seite 19). Daher auch die Unterschiedlichkeit der zugrunde liegenden Achsen in den hier dargestellten Infografiken. Bei näherem Hinsehen ist der rekordverdächtige Impact der sozialen Legacy nicht verwunderlich: Nichts stärkt die Reputation eines Unternehmens mehr als integre Rollenbilder und gutes Storytelling. Die materielle Legacy hingegen, also die Sicherung des Familienvermögens durch Erbschaftsregeln, Stiftungen, Verträge und Rechte, wirkt sich hier deutlich negativ aus.
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Man sollte meinen, dass zumindest die wirtschaftliche Performance eines Unternehmens durch die materielle Legacy gestärkt wird; immerhin wäre von der Sicherung des Familienvermögens ein stabilisierender Einfluss in finanzieller Hinsicht zu erwarten. Überraschenderweise ist das jedoch kaum der Fall: Der Impact der materiellen Legacy auf den ökonomischen Unternehmenserfolg beträgt lediglich 0,03. Die WIFU-Stiftung leitet daraus ab, „dass eine einseitige Orientierung an Vermögenserhalt und materieller Sicherung soziale Dynamiken innerhalb des Unternehmens eher behindern kann.“ Auch hier ist die soziale Legacy wieder der stärkste Erfolgsfaktor, mit einem Impact von 0,13.
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Deutschland ist im internationalen Vergleich in Sachen Legacy sozial schwach
Vor diesem Hintergrund muss der internationale Vergleich alarmierend wirken: Ist Deutschland, was die Unternehmenskultur angeht, das Land der schwachen Unternehmer? In der gemessenen Abweichung vom Mittelwert schlägt Deutschland mit 0,1 in den Negativbereich aus, was die soziale Legacy angeht. Familienunternehmen in Asien, Afrika, Nord- und Südamerika performen hier deutlich besser; die Unternehmer aus dem afrikanischen Kontinent sind hier mit 0,05 Spitzenreiter (knapp vor den Unternehmern aus dem asiatischen Raum). Die Unternehmer aus Asien zeigen ein Profil, das dem aus Europa ähnelt, wobei europäische Familienunternehmen noch mehr Wert auf die biologische Legacy legen. Nordamerika wiederum zeigt große Ähnlichkeiten mit Südamerika, wobei US-Amerikaner und Kanadier stärker sind als Familienunternehmer aus Lateinamerika, was die soziale Legacy angeht. Die biologische Legacy ist hingegen für die südamerikanischen Familienunternehmen wichtiger.
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Ein Blick in den Datenpool: Nur 2 Prozent der befragten Familienunternehmer stammen aus Deutschland (n=48); die meisten Teilnehmer stammen aus Polen, Mexiko und Spanien. Doch das Legacy-Profil dieser 48 befragten deutschen Unternehmerinnen und Unternehmer zeigt ein denkbar ungünstiges Bild: Die materielle Legacy mit ihren oben beschriebenen negativen Auswirkungen auf den nachhaltigen Unternehmenserfolg liegt mit 0,16 über dem Durchschnitt, wohingegen die biologische und die für den Unternehmenserfolg so wichtige soziale Legacy um den Faktor 0,1 vom Mittelwert abweichen – nach unten.
Handlungsempfehlungen: Was zu tun ist
Die Handlungsempfehlungen der Studienautoren, die sich für deutsche Familienunternehmen aus diesen Ergebnissen ableiten lassen, liegen auf der Hand: auf die soziale Legacy muss ein deutlich stärkeres Gewicht gelegt werden. Konkret bedeutet das vor Allem, sich um die Sozialisation der NextGen zu kümmern; Mentoren, Coaches und Role Models zu etablieren sowie die Geschichte der Unternehmerfamilie zu erzählen, ohne sie zu verklären. Die WIFU-Stiftung bilanziert im Gesamtfazit: „Die Studie zeigt, dass Legacy ein zentraler Mechanismus ist, um die Heterogenität in der Performance von Familienunternehmen zu erklären. Sie determiniert, ob ökonomische, soziale und ökologische Potenziale ausgeschöpft oder blockiert werden. Legacy kann sowohl beabsichtigte als auch unbeabsichtigte Folgen haben.“
Hat an der Uni Bamberg Germanistik, Philosophie und Kommunikationswissenschaften studiert. Zuvor arbeitete sie als Redakteurin am Zukunftsinstitut von Matthias Horx. Bei dem Magazin brand eins in Hamburg entdeckte sie ihre Liebe zum Wirtschaftsjournalismus, der sie seit März 2023 beim wir-Magazin frönen darf.

