In der Kapitalmarkteinschätzung definieren sich Family Offices durch eine Sicht auf die zukünftigen Ertragserwartungen der verschiedenen Anlageklassen. Vergangenheitswerte sind dabei keine Hilfe.

„Für das Gewesene gibt der Kaufmann nichts“ – diese Eugen Schmalenbach zugeschriebene Weisheit klingt heute selbstverständlich. Trotzdem gibt es viele Menschen, die sich gerade bei der Vermögensanlage zu stark auf vergangene Erfolge und Kennzahlen konzentrieren. Beispielhaft sei hier der vermutlich am meisten missachtete Hinweis zu nennen: „Vergangene Performance ist kein Indikator für zukünftige Ergebnisse.“

Unvoreingenommene Analyse

Gerade im Vermögensmanagement, in dem es darum geht, das bestehende Vermögen der Kunden zukunftsfest zu machen, ist es zwingend notwendig, den Blick vom Gewesenen auf das Kommende zu richten. Denn das Erreichen des Anlageziels ist von zukünftigen Entwicklungen abhängig und nicht von historischen. In diesem Zusammenhang kommt Family Offices eine entscheidende Rolle zu: Sie ermöglichen eine unvoreingenommene Analyse sowohl der Marktentwicklungen als auch des Vermögens, um eine auf die Zukunft ausgerichtete Steuerung sicherzustellen.

Christian Neuhaus, Chief Client Officer und Co-Founder, FINVIA Holding GmbH

Christian Neuhaus, Chief Client Officer und Co-Founder, FINVIA Holding GmbH / Foto: Finvia

Family Offices brauchen Know-how, Kapitalmarktexpertise und Zugänge zu allen relevanten Anlageklassen, um Anlageoptionen auf der Grundlage von Prognosen zu ermitteln, wobei ein besonderes Augenmerk auf langfristige Entwicklungen gelegt wird. Diese Prognosen basieren auf einer Vielzahl von Faktoren, einschließlich makroökonomischer Trends, politischer Entwicklungen und technologischer Fortschritte. Im Gegensatz dazu sind kurzfristige Kapitalmarkteinschätzungen nicht zuverlässig und stiften keinen inhaltlichen Mehrwert.

Andere Marktteilnehmer, die eigene Produkte vertreiben möchten oder nur eine begrenzte Auswahl an Anlageklassen anbieten, haben zwangsweise einen anderen Blick auf die Zukunft. Insbesondere wenn die eigenen Produkte in der Vergangenheit eine starke Wertentwicklung aufgewiesen haben, wird in der Einschätzung der Zukunft eher nach Bestätigungen Ausschau gehalten, die eine Begründung liefern, warum der vergangene Erfolg sich in der Zukunft fortsetzt.

Der zukunftsgerichtete Blick von „außen“ ohne Produktinteressen ist in immer volatileren Kapitalmarktzyklen und einer komplex werdenden Zeit mit äußerst heterogenen Investitionsmöglichkeiten entscheidend. Diese Rolle können Family Offices ausfüllen, die ihre Kunden bei der Auswahl und Umsetzung ihrer individuellen Anlagestrategien unterstützen.

Strategische Allokation

Der erste und fundamentale Schritt bei der Erstellung eines zukunftssicheren Vermögens ist die strategische Allokation der Anlageklassen (in der Fachwelt strategische Asset-Allokation, kurz SAA), die von vielen Family Offices als zentraler Baustein ihrer Anlagestrategie angesehen wird. Die SAA ist ein Prozess, bei dem die Aufteilung auf Anlageklassen identifiziert wird, die am besten geeignet ist, das Ziel des Vermögensinhabers zu erreichen. Gleichzeitig werden damit die Leitplanken für das zukünftige Vermögensmanagement gesetzt.

Die SAA muss dazu mit den zukünftig erwarteten Erträgen der einzelnen Anlageklassen „atmen“. Wenn durch gestiegene Aktienmarktnotierungen beispielsweise die Ertragserwartungen für Aktien in den nächsten zehn Jahren nur noch bei 3,6 Prozent p.a. liegen sollten, dann macht bei einem exemplarischen Anlageziel von 5 Prozent p.a. eine Erhöhung der Aktienallokation denkbar wenig Sinn. Durch geänderte Ertragserwartungen werden somit Anpassungen im Vermögen initiiert, mit dem Ziel, die zukünftige Performance zu optimieren.

Liquide Anlageklassen

Geht es um die Umsetzung der Anlagestrategie, greift die Auswahl der erfolgreichsten Manager des zurückliegenden Jahres viel zu kurz. Viele kennen die Geschichten von hochgelobten Vermögensverwaltern, die auf Basis historischer Performances empfohlen wurden – um später an der Marktrealität zu scheitern. Sind Wachstums- und Technologiewerte im Jahr 2021 eine profitable Investmentidee gewesen? Basierend auf der vergangenen Performance sicherlich. Unter Einbezug der zukünftigen Ertragserwartungen war es das allerdings nicht, wie auch die Folgezeit unter Beweis gestellt hat. All diejenigen, die sich auf eine Fortsetzung der Vergangenheit verlassen haben, mussten hier leider einen schweren Dämpfer hinnehmen.

Daher gilt insbesondere für liquide Anlagen: Es ist von entscheidender Bedeutung, die Investments an den Anlagestilen, Regionen und Sektoren auszurichten, die als zukunftsweisend gelten. Die historische Wertentwicklung bietet keinen Mehrwert als Entscheidungsgrundlage.

Alternative Anlageklassen

Alternative Anlagen umfassen eine große Bandbreite verschiedener Anlageklassen. Dazu gehören beispielsweise Immobilien, Rohstoffe, Private Equity, Venture Capital oder Private Debt. Diese Anlageklassen bieten oft höhere Renditen als traditionelle Anlageklassen wie Aktien und Anleihen, aber sie erfordern auch eine höhere Expertise und ein tieferes Verständnis des Marktes. Die meisten Family Offices verfügen über ein großes, langfristig gewachsenes Netzwerk und exklusive Zugänge zu Fondsmanagern. Damit werden den Kunden die Vorzüge dieser Anlagen den eröffnet, die ihnen sonst verwehrt geblieben wären.

Interessanterweise profitieren Anleger bei alternativen Anlagen von einer Besonderheit: Im Gegensatz zu liquiden Anlageklassen kann mit einer gewissen Zuverlässigkeit von der historischen auf die zukünftige relative Performance geschlossen werden – jedoch nicht auf die absolute Höhe der Wertentwicklung.

Alternative Anlagen zeichnen sich durch Illiquidität aus. In der Regel sind investierte Gelder ohne wirkliche vorzeitige Rückzahlungsmöglichkeiten über Jahre fest gebunden. Wenn die Vorteile dieser Anlageklassen im Vermögen genutzt werden sollen, ist eine zukunftsorientierte, langfristige Ertrags- und Liquiditätsplanung unerlässlich, denn Illiquidität sollte für die Zukunft vermieden werden.

Digitales Vermögenscontrolling

Wenn wir den Blick nach vorne richten, müssen wir natürlich auch aus dem Vergangenen lernen. Es geht dabei vor allem um die Fähigkeit, auf zukünftige Entwicklungen schnell und effektiv zu reagieren. Ein fortschrittliches, digitales Vermögenscontrolling erlaubt es, das eigene Portfolio kontinuierlich zu überwachen und zu optimieren. Dabei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt, wie zum Beispiel die individuellen Anlageziele, die Risikotoleranz, die Marktentwicklungen und die steuerlichen Rahmenbedingungen.

Durch diese ganzheitliche Betrachtung kann das Vermögen gezielt gesteuert und angepasst werden, um den individuellen Anforderungen gerecht zu werden. Ein modernes Vermögenscontrolling ist die Entscheidungsgrundlage, um Anpassungen auf die Zukunft vorzunehmen und das eigene Vermögen langfristig zu erhalten und auszubauen.

Der Blick in die Zukunft ist nicht das einzige Merkmal, das einen Partner beim Verwalten des eigenen Vermögens auszeichnet. Neutralität sollte ebenso im Vordergrund stehen wie die gebotene Weitsicht. Family Offices sind in der Lage, die gesamte Klaviatur der Vermögensverwaltung zu nutzen und maßgeschneiderte Lösungen für ihre Kunden zu entwickeln. Zusammenfassend helfen Family Offices Hochvermögenden dabei, das Bestehende durch zukunftsgerichtetes Agieren langfristig zu sichern.

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