Gareth Ackerman ist südafrikanischer Familienunternehmer in zweiter Generation. Als Chairman of the Board wacht er über den Einzelhändler Pick n Pay mit 90.000 Mitarbeitern. Im Interview spricht er über die Governance
in Familie und Unternehmen, über die Vor- und Nachteile der Notierung an der Johannesburger Börse und über die schwierige Zukunft globaler Familienunternehmen.

Gareth Ackerman, als Chairman of the Board vertreten Sie die zweite Generation von Pick n Pay. Wie haben Sie das Unterneh­men und Ihren Vater Raymond gesehen, als Sie jung waren?

Mein Vater arbeitete für ein großes Unternehmen in Johannesburg. Als ich etwa neun Jahre alt war, wurde er aufgrund von Unstimmigkeiten über die Strategie gefeuert. Wir zogen in der Folge nach Kapstadt, und mein Vater kaufte dort 1967 vier kleine Läden namens Pick n Pay. Heute haben wir knapp 2.000 Läden. Er hat sie von Grund auf neu aufgebaut. Pick n Pay war also immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich bin damit aufgewachsen. Als Kind nahm mich mein Vater jeden Freitag mit zu Ladenbesuchen. In den Schulferien und später auch an der Universität arbeitete ich im Unternehmen und habe das Geld, das ich verdiente, dazu verwendet, Anteile an unserem Unternehmen zu kaufen.

Sie haben einmal in einem Interview gesagt, dass Vetternwirt­schaft für Familienunternehmen gefährlich sein kann. Können Sie das näher erläutern?

Im Grunde ist es ein statistisches Wunder, wenn gerade ein Familienmitglied die beste Person für eine Stelle ist. Genau darin liegt die Gefahr der Vetternwirtschaft. Wenn man ungeachtet der Fähigkeiten und Qualifikationen Positionen mit Familienmitgliedern besetzt, dann kann man auf lange Sicht kein funktionierendes Unternehmen aufbauen.

In unserer Familienverfassung ist klar festgelegt, dass sich Familienmitglieder Positionen verdienen müssen – durch Kompetenz. Sie müssen sich offen um Positionen im Unternehmen bewerben. Daneben ermutigen wir unsere Familienmitglieder auch, zuerst woanders zu arbeiten. So habe ich es beispielsweise auch getan. Damit gewinnt man eine breitere und idealerweise globale Perspektive.

Sie waren fast zehn Jahre lang Geschäftsführer von Pick n Pay. Dann haben Sie sich entschieden, die Seite zu wechseln. Wel­chen Einfluss haben Sie heute in ihrer neuen Position als Chair­man of the Board auf das Unternehmen?

Ich entschied mich, für eine gewisse Zeit nicht mehr Vollzeit im Unternehmen zu sein. Also gründete ich mein eigenes Corporate-Finance-Business und verbrachte einige Zeit mit dem Studium von Critical-Management-Studies in Oxford. Dann bin ich als Chairman of the Board – also in einer Non-Executive-Rolle – zu Pick n Pay zurückgekehrt. Was das Zeitbudget angeht, bin ich wieder so gut wie Vollzeit im Unternehmen dabei. In meiner aktuellen Rolle konzentriere ich mich nun im Gegensatz zu meiner Rolle als CEO auf die breiter angelegte Strategie. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass das Unternehmen auf lange Sicht fokussiert bleibt und dass die Werte unseres Unternehmens in der Art und Weise, wie wir handeln, vollständig verwurzelt bleiben.

Der CEO berichtet direkt an mich, nicht an das Board generell. Regelmäßige Treffen mit ihm und den anderen wichtigen Führungskräften des Unternehmens sind normal. Ich verdiene hierbei kein Gehalt oder einen Bonus, sondern nur ein Honorar und natürlich Dividenden. Ich glaube, das gibt mir ein hohes Maß an Objektivität und ermöglicht es mir, längerfristige Entscheidungen zu treffen.

Pick n Pay ist ein börsennotiertes Unternehmen, Ihre Familie ist der größte Aktionär mit 25 Prozent der Anteile. Außerdem haben Sie 53 Prozent der Stimmrechte. Welche Regeln gibt es, um sicherzustellen, dass Familien­ und Geschäftsangelegenhei­ten nicht miteinander verstrickt werden?

Ein privates Unternehmen hat natürlich einen großen Spielraum. Im Gegensatz dazu ist ein öffentliches Unternehmen, wie wir es sind, viel mehr Regeln und Richtlinien innerhalb der Berichterstattung und der Corporate Governance unterworfen. Darüber hinaus haben wir uns bestimmte Covenants gegeben, die vom Board of Directors beschlossen werden. Ein Beispiel ist, wie der Cashflow aus dem Unternehmen verwendet wird. Zu den Covenants gehört auch die Dividendenausschüttungsquote. Unser Management arbeitet ebenfalls innerhalb dieser Covenants.

Wir haben auch Regeln aufgestellt, die die Kommunikation zwischen Familienmitgliedern und Mitarbeitern des Unternehmens beschreiben. Wenn Familienmitglieder etwas im Unternehmen ansprechen wollen, dann tun sie das über mich, denn ich bin sowohl Vorsitzender des Familienrats als auch Chairman of the Board von Pick n Pay. Umgekehrt gilt: Wenn Themen aus dem Unternehmen mit der Familie abgesprochen werden, geht es ebenfalls über mich. So wird verhindert, dass sich nicht operative Familienmitglieder in das Unternehmen einmischen, es sei denn, sie sind selbst Mitglied des Boards und in die Prozesse involviert.

Wie gehen Sie als Familie mit möglichen Interessenkonflikten um, wenn es um große Entscheidungen geht?

Wir haben eine Reihe von Vorstandsausschüssen, die im Einklang mit der Corporate Governance stehen und alle wichtigen Entscheidungen treffen. Wenn es absehbar ist, dass wir als Familie in einen Interessenkonflikt geraten, ziehen wir uns von der Entscheidungsfindung komplett zurück. Dann springt eine unabhängige Instanz ein. Wir haben auch ein unabhängiges Corporate-Finance-Committee, in dem kein Familienmitglied sitzt, sondern nur unabhängige Non-Executive Directors. Im Fall einer Entscheidung, bei der ein potentieller Interessenkonflikt auftreten könnte, beschließt das Gremium Vorschläge ohne uns. So verhält es sich auch, wenn das Management etwas auf den Weg bringen möchte und das Gefühl hat, dass der Plan in irgendeiner Weise mit der Familie in Konflikt geraten könnte. Die unabhängigen Gremien, die von nicht geschäftsführenden Personen besetzt sind, beurteilen die Angelegenheit und stimmen darüber ab. Nur wenn sie in einer Sache mit Ja stimmen, wird die Angelegenheit der Familie vorgelegt, und als Anteilseignerfamilie können wir dann selbst darüber abstimmen.

Bei Pick n Pay ist der CEO aktuell ein Nicht-­Familienmitglied und Sie sind als Chairman ein Vermittler zwischen der Aktio­närsfamilie und den Führungskräften. Im Hinblick auf Ihren potentiellen Nachfolger: Bedeutet diese Struktur, dass ein Fa­milienmitglied diese Rolle übernehmen muss?

Das ist eine Frage, der wir uns derzeit widmen. Die nächste Generation ist Anfang 30, die Frage der Nachfolge muss also sehr genau überlegt werden. Was wir in jedem Fall sicherstellen müssen, ist, dass derjenige, der das Unternehmen leitet, es im Interesse des Hauptaktionärs leitet.

Aus einer breiteren Perspektive gefragt: Hat die nächste Gene­ration von Unternehmern das Interesse daran verloren, in Fa­milienunternehmen einzusteigen?

Das ist ein sehr reales Problem, nicht nur bei Pick n Pay. Wenn Sie ein Familienunternehmen leiten, müssen Sie einen schmalen Grat zwischen der Aufgabe, Ergebnisse zu erzielen, und der Aufgabe, ein Erbe anzutreten, beschreiten. Findet sich niemand, der das Erbe antritt, muss sich die Familie fragen, ob man das Unternehmen zu einer Kapitalgesellschaft werden lässt, die der Familie Cashflow liefert, oder ob das Unternehmen verkauft werden sollte.

Global gesehen ändern sich die Arbeitsweisen. Viele Menschen wollen nicht mehr für große Unternehmen arbeiten. Manchmal ist die nächste Generation von Familienunternehmern nicht bereit, sich jahrelang an das Unternehmen zu binden.

Werden also Unternehmerfamilien verschwinden?

Die Frage ist, ob das Selbstverständnis als Eigentümerfamilie eines Unternehmens dasselbe ist wie das als Unternehmerfamilie. Pick n Pay wird wahrscheinlich immer Lebensmittel verkaufen. Unsere Familienunternehmung ist daneben genauso Familieninvestment, da wir eine Reihe von Investitionen tätigen, um Renditen für das Familienvermögen zu schaffen.

Als börsennotiertes Unternehmen muss Pick n Pay immer im Rahmen der Statuten für gelistete Unternehmen in Südafri­ka funktionieren. Haben Sie sich jemals gewünscht, dass das Unternehmen nicht an der Johannesburger Börse gehandelt wird?

Es gibt viele Vorteile, börsennotiert zu sein. Einer der wichtigsten ist, dass man direkte und indirekte Anteilseigner aus der Bevölkerung hat und somit Teil des öffentlichen Lebens ist. Allerdings sind Governance und Compliance schwerwiegende Aspekte, und deshalb ist es viel einfacher, ein privates Unternehmen zu sein.

Die Ironie unseres Börsengangs ist, dass wir uns lediglich einmal an der Börse Kapital beschafft haben. Das war 1968. Und mein Vater ging nicht an die Börse, weil er Kapital brauchte, sondern weil er die Beteiligungsstruktur verändern wollte – eine klassische Private-Equity-Strategie zu dieser Zeit. Alles, was wir bis jetzt erreicht haben, ist das Ergebnis von intern generierten Cashflows. Für Akquisitionen oder größere Wachstumspläne müssen wir kreative Wege der Finanzierung finden, da wir nicht die Kontrolle durch den Verkauf von Aktien verlieren wollen.

Unter dem Strich würde ich, wenn wir heute ein Familienunternehmen in komplettem Familienbesitz wären, nicht an die Börse gehen. Jetzt sind wir untrennbar mit der Börse verbunden, und das ist unser Schicksal. Denn Schulden aufzunehmen, um 75 Prozent der Aktionäre herauszukaufen, wäre viel zu teuer.

Zu einigen leichteren Themen: Der neue CEO von Pick n Pay ist Pieter Boone. Man kennt ihn als COO von Metro. Was ist Ihre Meinung zu deutschen Familienunternehmen?

Ich habe im Laufe der Jahre sehr gute Erfahrungen mit deutschen Familienunternehmen gemacht, weil ich Co-Vorsitzender des „Consumer Goods Forum“ war. Ich finde, die Kultur der Familienunternehmen wurde in Deutschland stärker verankert als in anderen Märkten der Welt, und das ist bis heute so geblieben. Das mag an den rechtlichen Strukturen liegen, die Familienunternehmen dazu ermutigen, in Familienbesitz zu bleiben.

Wie beurteilen Sie im Vergleich dazu Südafrika als Standort?

Ich denke, wir machen es wirklich gut. Südafrika hat, obwohl es geografisch etwas isoliert ist, einige der besten Corporate-Governance-Vorschriften der Welt und eine sehr gute Kultur der Wirtschaftsprüfung. Die Märkte vertrauen der Johannesburger Börse, und als Ergebnis haben wir eine gut gehandelte Währung und eine hoch bewertete Börse, die mit Abstand die größte in Afrika und eine der wichtigsten Börsen der Welt ist – obwohl sie im globalen Vergleich recht klein daherkommt. Für uns als börsennotiertes Familienunternehmen folgt daraus, das Unternehmen gut führen zu müssen. Denn wenn es dadurch an der Börse respektiert wird, kommt es in die globalen Indizes und ermöglicht breitere Investitionen in unser Unternehmen.

Die südafrikanische Wirtschaft wurde bis vor etwa 15 Jahren von großen Familienunternehmen dominiert. Dies ist heute nicht mehr der Fall wegen der gestiegenen Anforderungen an die globale Corporate Governance, der strengen Börsenvorschriften und der sich ändernden Unternehmensgesetzgebung. Unternehmerfamilien sind der Meinung, dass die Regulierung das Unternehmertum erstickt. Und sie sind nicht bereit, eine wachsende Anzahl von Corporate-Governance-Anforderungen zu erfüllen, schließlich haben sie ihre Unternehmen doch selbst aufgebaut. Deshalb haben in Südafrika einige von ihnen verkauft.

Ein globaler Trend?

Im Einzelhandelssektor haben sich einige große Supermarktunternehmen in Aktiengesellschaften umgewandelt. Wachstum und Wettbewerb üben Druck auf Familienunternehmen aus: Wenn man mit einigen der besten globalen Unternehmen konkurrieren will und muss, braucht man Kapital. Oft möchte man das nicht von den Banken leihen, wenn man auf das Risiko-Rendite-Verhältnis blickt. Die Konsequenz für Familienunternehmen ist, dass sie entweder Kapital durch eine Börsennotierung aufnehmen, was Compliance- und Corporate-Governance-Probleme mit sich bringt. Oder sie werden, wenn sie bereits börsennotiert sind, mit Verwässerungsproblemen bei Eigentumsverhältnissen konfrontiert, wodurch sie die Kontrolle über das Unternehmen verlieren könnten.

Die Schlussfolgerung ist, dass die Globalisierung zu einer ernsthaften Bedrohung für große Familienunternehmen geworden ist, weil sie sich rekapitalisieren müssen. Ein sehr früher Verkauf des ganzen Unternehmens hat den Vorteil, dass man als kontrollierender Mehrheitsaktionär eine höhere Bewertung auf seine Anteile erhält. Selbst wenn Sie keinen differenzierten Aktienpreis von den anderen Anteilseignern erhalten, können Sie dennoch einen höheren Aufschlag verlangen. Und das ist wahrscheinlich der Grund, warum viele Familienunternehmen auf der ganzen Welt verkauft werden.

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