Sportsponsoring: Zwischen Fan und Finanzier

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Für viele Fußballfans ist Willi „Ente“ Lippens eine Institution. Er spielte Ende der sechziger und in den siebziger Jahren hochklassigen Fußball in Deutschland. Selbst heute ist er noch so manchem bekannt, weil er 1965 einen der kuriosesten Platzverweise in der damaligen Regionalliga kassierte. Der Schiedsrichter verwarnte den linken Flügelstürmer von Rot-Weiss Essen (RWE) mit den Worten: „Herr Lippens, ich verwarne Ihnen“ [sic]. Der antwortete: „Herr Schiedsrichter, ich danke Sie.“ Lippens kassierte postwendend die rote Karte und wurde im Nachgang wegen respektlosen Verhaltens zwei weitere Wochen gesperrt. Die Legende des Spruchs ging so weit, dass Lippens nach seiner Karriere als Fußballer eine Gaststätte zwischen Bottrop und Essen eröffnete, die den Namen „Ich danke Sie“ trug.

Lippens wusste aber nicht nur rhetorisch zu kontern, sondern auch sportlich zu brillieren. Zwischen 1965 und 1976 erzielte er in 327 Spielen für Rot-Weiss Essen herausragende 186 Tore. Es klopften in dieser Zeit einige größere Vereine an. Aber Lippens müsse doch in Essen bleiben, war der Anspruch in der Stadt und im Verein. Und so ergab es sich, dass die Essener Privatbrauerei Jacob Stauder Geld zur Verfügung stellte, um den bekannten Spieler bei RWE zu halten. Man könne diese Zeit als Anfänge des Sportsponsorings bezeichnen, sagt Thomas Stauder, der das Unternehmen heute gemeinsam mit seinem Cousin Axel in fünfter Generation führt. „Außerdem erinnere ich mich aus dieser Zeit an eine Erzählung meines Vaters, dass er Geld zahlte, damit ‚Stauder Pils‘ an der Anzeigetafel steht, wo der Spielstand abgebildet wurde.“ Thomas Stauder sprach im Rahmen der Veranstaltung „wir-Tage“, die im März in der Zeche Zollverein in Essen stattfand, gemeinsam mit Michael Stoschek, Gesellschafter und Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Brose Fahrzeugteile SE & Co. KG, über Sportsponsoring.

Mit Herz und dem richtigen Bier

Familienunternehmer und Rot-Weiss- Essen-Fan: Thomas Stauder, Geschäftsführer der Privatbrauerei Stauder, bei den „wir-Tagen“
Familienunternehmer und Rot-Weiss- Essen-Fan: Thomas Stauder, Geschäftsführer der Privatbrauerei Stauder, bei den „wir-Tagen“.

Stauder blickt gern zurück auf die großen Zeiten von Rot-Weiss Essen. Man könne nur davon träumen, welchen Stellenwert der Verein damals gehabt habe, schwärmt er. In den fünfziger Jahren gewann RWE sowohl eine deutsche Meisterschaft als auch den DFB-Pokal. Schon damals waren das Bier der Stauders und der Verein eng miteinander verwoben, denn Caspar Stauder, Thomas Stauders Urgroßvater, war mit einem der Vereinsgründer, Georg Melches, gut befreundet. Aber institutionalisiert wie heute war das Sponsoring zu diesen Zeiten natürlich noch nicht, sagt Stauder.

Was aber bis heute geblieben ist: Familie Stauder ist Fan und Sponsor zugleich. „Wir setzen mit Stauder-Bier stark auf die regionale Verwurzelung unseres Familienunternehmens. Das plus die Stadionerfahrung, die meist mit Bier einhergeht, macht das Sponsoring von RWE für uns interessant“, sagt der Familienunternehmer. Die glorreichen Zeiten von RWE sind allerdings vorbei, aktuell spielt das Team in der dritten Liga. Aber Höhen und Tiefen gehören für Fußballfan dazu. Und auch für den Sponsor.

Bevor Thomas Stauder und sein Cousin Axel 2005 an die Unternehmensspitze kamen, wurde fremdes Bier im Essener Stadion gezapft. Andere Brauereien aus dem Umkreis waren mit mehr Geldern auf den Verein zugegangen, die Vorgängergeneration wollte nicht mehr mithalten, erzählt Stauder. Erst durch die Insolvenz des Vereins 2010 wurden die Karten neu gemischt: Die alten Bierpartner stiegen aus, Stauder wieder ein. Die Rückkehr zu RWE lag aber nicht in alten Sentimentalitäten begründet und war für die Stauders mehr als eine Herzensangelegenheit.

Marke und Verein verbinden

Denn den wirtschaftlichen Erfolg des Sponsorings macht Thomas Stauder an verschiedenen unternehmerischen Zielen fest. Vor allem zwei Kernaspekte seien für das Unternehmen entscheidend, das einen Umsatz von rund 22 Millionen Euro macht und circa 100 Mitarbeiter hat. Zum einen zähle für ihn, dass er nicht nur als Sponsor agiere, sondern auch als Bierpartner. Die Umsätze, die Stauder bei Heimspielen mache, seien nicht außer Acht zu lassen. Seitdem es wieder Stauder-Bier aus Essen im Stadion an der Hafenstraße in Essen gebe, werde übrigens auch mehr getrunken, versichert der Unternehmer.

Neben dem Umsatz an der Hafenstraße will Thomas Stauder mit dem Sponsoring zum anderen die Marke in Essen weiter stärken. „Präferenz schaffen“, sagt er in diesem Zusammenhang oft. „Wir wollen eine Verbindung schaffen zwischen Verein und Marke: ‚Unser Bier und unser Verein‘ soll es bei den Sportclubs und Fans heißen.“ Sport sei ein Verbindungspunkt zwischen Menschen und das – oftmals – mit positiven Emotionen, mit denen auch das Bier assoziiert werden soll.

Unternehmer, Sportler und Sportfan: Michael Stoschek, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Brose Unternehmensgruppe.
Unternehmer, Sportler und Sportfan: Michael Stoschek, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Brose Unternehmensgruppe.

Das gilt bei Stauder nicht nur für den Profisport. Bei mehr als 100 Vereinen und verschiedensten Sportarten ist die Marke im Umkreis Essen beteiligt. Oft sei schwer zu trennen, wo man Sponsor und wo Finanzier sei. „Wenn wir einem Verein helfen, die Terrasse des Vereinsheims zu bauen, ist das dann nun Sponsoring oder eine Finanzierung?“, fragt Stauder. Die Hauptsache sei, dass man als Marke präsent sei, auch wenn man den Erfolg dieses Marketings trotz beauftragter Marktforschung nicht so gut messen könne wie den Umsatz im Stadion.

Leistung und Teamgeist

Wie unterschiedlich die Ziele des Sportsponsorings sein können, erläuterte Unternehmer Michael Stoschek auf den „wir-Tagen“. Stoschek verkörpert die dritte Generation der Unternehmerfamilie, die hinter dem Automobilzulieferer Brose Fahrzeugteile steht. Das Unternehmen hat seine Zentrale im oberfränkischen Coburg, einen Umsatz von 7,5 Milliarden Euro und circa 31.000 Mitarbeiter weltweit. Als Familienunternehmen bekenne sich Brose zu seiner gesellschaftlichen Verantwortung und fördere an seinen weltweiten Standorten als Sponsor Kultur, Bildung, Soziales und in Deutschland verschiedene Sportaktivitäten, sagt Stoschek. Das bedeutendste Engagement sei das Sponsoring des Basketball-Bundesliga-Vereins in Bamberg. Bamberg ist knapp 40 Autominuten von Coburg entfernt. Seit der Saison 2006/2007 heißt das Basketball-Team dort Brose Bamberg.

Der Automobilmarkt sei ein Markt, der sehr umkämpft sei und in dem man mit einer gesunden sportlichen und strapazierfähigen Einstellung bestehe, sagt Stoschek. Das Automobilzuliefergeschäft sei extrem wettbewerbsintensiv und fordere den Mitarbeitern – wie im Leistungssport – sehr viel ab. Das Engagement im Basketball-Sport habe auch deshalb nahegelegen, weil diese Sportart nicht nur technisch anspruchsvoll sei, sondern auch viel Teamgeist verlange.

Sportsponsoring: In guten wie in schlechten Zeiten?

Nach dem Einstieg von Brose als Sponsor dominierte das Bamberger Basketball-Team die Bundesliga für eine Dekade in beispielloser Art und Weise. In zehn Spielzeiten gewann Bamberg acht Mal die deutsche Meisterschaft. Zudem sicherten sich die Franken im gleichen Zeitraum vier Mal den Pokalsieg. Und der sportliche Erfolg zahlte messbar auf das Unternehmen ein. „Nach jeder Meisterschaft schalteten wir in den großen Tageszeitungen in Deutschland Anzeigen, um den Erfolg zu feiern, aber auch mit dem Hinweis, dass wir nach Mitarbeitern suchen“, erklärt Stoschek. In den Tagen nach der Meisterschaft seien die Bewerbungszahlen um bis zu 60 Prozent angestiegen, erinnert sich der Unternehmer. Der Slogan „Join the winnig team“ sei extrem gut angekommen, und der sportliche Erfolg habe Arbeitskräfte angelockt.

Aber wie schon der in Essen geborene Fußballspieler und -trainer Otto Rehhagel sagte: „Mal verliert man, und mal gewinnen die anderen.“ Der Misserfolg scheint im Sport irgendwann unausweichlich zu sein. Das gilt auch für den einstigen deutschen Basketball-Primus Bamberg. Nach der Meisterschaft 2017 sprang für die Franken kein Ligatitel mehr heraus. Und abgesehen von einem Pokalsieg 2019 dümpelt Brose Bamberg im Moment eher im Mittelfeld der Bundesliga herum und hat in dieser Saison sogar den Einzug in die Playoffs verpasst. Da tauche im Gesellschafterkreis die Frage auf, ob das Engagement noch imagefördernd sei, sagt Stoschek.

Das Engagement hängt vom Geschäft ab

Derzeit ist das Familienunternehmen Brose Alleingesellschafter der Bamberger Basketball GmbH. Diese Rolle müsse aufgegeben werden, weil der Betrieb einer Sportgesellschaft durch die Unternehmenssatzung nicht weiter möglich sei, sagt Stoschek. Im Automobilmarkt seien die Zeiten im Moment alles andere als rosig. Stoschek und das Unternehmen Brose würden auch in sportlich schwierigen Phasen als Sponsor hinter dem Club stehen, heißt es vom Unternehmen. Allerdings habe der Etat, wie auch in vielen anderen Bereichen, aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation als Automobilzulieferer reduziert werden müssen.

Man muss es schaffen, die Rolle des Fans von der des Unternehmers zu trennen, so scheint es. Das gilt auch für den Fußball. Als RWE-Fan wünscht sich Thomas Stauder natürlich den Klassenerhalt. Als Sponsor gilt für ihn, dass die Höhe der finanziellen Mittel vom sportlichen Erfolg abhängen muss. „Natürlich ist unser finanzielles Engagement vertraglich damit verknüpft, in welcher Liga RWE gerade spielt“, sagt der Unternehmer. Somit hofft Thomas Stauder in seiner Rolle als Sponsor schlussendlich, dass er weiterhin viel für sein Sponsoring bezahlen muss. Das mag für Außenstehende erst einmal kurios klingen, aber Stauder ist eben auch Fan. Und als Fan sind manche Dinge anders als im Unternehmertum. Manchmal auch einfacher. Denn zumindest im Stadion hat Stauder seine Nachfolge bereits geregelt: Sein Sohn steht bei Heimspielen schon mit auf der Tribüne im Stadion an der Hafenstraße. Die Produkte des Familienunternehmens darf er aber noch nicht konsumieren.

Hat Internationalen Journalismus in Magdeburg studiert. Schrieb schon davor für die Südwest Presse in seiner Heimat Ulm. Sammelte zudem Auslandserfahrung bei der Allgemeinen Zeitung in Windhoek, Namibia, sowie bei Kwanza TV in Daressalam, Tansania. Seit 2017 Redakteur bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA und Mitglied im Redaktionsteam des wir-Magazins.