Herr Stotmeister, 2014 hat die damalige Sto AG zur SE & Co. KGaA umfirmiert – und seitdem unter anderem zwei Aufsichtsräte. Wie kam es zu dieser komplizierten Struktur?
Die AG war die richtige Rechtsform, solange die Familie mit im Vorstand war. In den Jahren 2015 und 2016 haben mein Bruder Gerd und ich uns aus der Vorstandsverantwortung zurückgezogen. Wir haben frühzeitig verschiedene Möglichkeiten erwogen, unter anderem die monistische Struktur der SE mit mir als Vorsitzendem des Verwaltungsrats. Diese Lösung haben mir meine Anwälte dringend empfohlen. Das wollte ich aber nicht. Es ging uns ja gerade darum, dass der Laden in Zukunft auch losgelöst von meiner Person laufen kann – ich bin inzwischen 66. Um ehrlich zu sein: Ich wundere mich manchmal, wie Menschen an ihren Positionen kleben. Man muss einen Schritt zurücktreten und versuchen, die Dinge bestmöglich zu regeln. Ich sehe das ähnlich wie bei einem Ehevertrag: Ich habe früh gelernt, dass sich mit Ehevertrag eine Beziehung viel stabiler ausrichten lässt.
Warum ist die SE & Co. KGaA für Sto die richtige Lösung?
Die Frage war: Welche Optionen gibt es, um eine Struktur zu schaffen, in der die Familie auch dann noch korrigierend eingreifen kann, wenn kein Familienmitglied mehr im Vorstand vertreten ist. Die Familie sollte einen relativ starken Einfluss haben auf die Wahl des Aufsichtsrats und damit auch auf den Vorstand. Die beste Option dafür war, zur KGaA umzuwandeln und die SE als Managementgesellschaft einzuschieben.
Wie sind hier die Aufgaben verteilt?
Die SE ist für die operative Führung der Geschäfte verantwortlich. Alle Anteile liegen bei der Unternehmerfamilie. Ihr Aufsichtsrat bestellt und überwacht den Vorstand, er besteht aus sechs Kapitaleignervertretern, davon zwei Familienmitglieder. Der Aufsichtsrat der Sto SE & Co. KGaA überwacht die STO Management SE bei der Geschäftsführung. Die KGaA ist rechtlich so etwas wie eine abgeschwächte Aktiengesellschaft: Unsere Börsenpräsenz ist unverändert, die stimmberechtigungslosen Vorzugsaktien sind nach wie vor am Markt. Die stimmberechtigten Stammaktien liegen mehrheitlich bei der Familie, die damit auch die Aufsichtsratsmitglieder benennt. Zugleich ist die KGaA im Sinne des Aktienrechts voll mitbestimmt, was ja auch gut ist im Sinne einer Sparringspartnerschaft und für den Austausch von Ideen und Wünschen. So haben wir die Möglichkeit geschaffen, beide Welten zu erhalten.
„Ich wundere mich manchmal, wie Menschen an ihren Positionen kleben“
Welche Grundsätze hat die Familie bei der Besetzung der Aufsichtsgremien?
Als wir 1987 zur AG umfirmierten, saßen im Aufsichtsrat mein Vater als Vorsitzender zusammen mit einem Mitgesellschafter sowie einigen Freunden und Begleitern. Zu dem Zeitpunkt war der Aufsichtsrat noch nicht mitbestimmt. Seit etwa 1996 haben wir begonnen, das Gremium nach strategischen Kriterien zu besetzen, das heißt, wir holen über den Aufsichtsrat Kompetenzen ins Haus, die es nicht ausreichend gibt. Wir sind in den Bereichen energetische Sanierung und Wärmedämmverbundsystem zu Hause. Da war es zum Beispiel wichtig, Wissen über Heizungstechnik zu gewinnen, dafür hatte ich damals Dr. Martin Viessmann gewonnen. Nachdem mein Vater 2002 aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden ist, hat sich diese Tendenz noch verdichtet. Heute bringt Peter Zürn aus der Würth-Gruppe Wissen vom größten Direktvertriebler der Welt mit. Cornelia Reinecke von der Sick AG ist als Fachfrau für Personal Sparringspartnerin für unseren HR-Chef – um nur zwei Beispiele zu nennen.
Sie und Ihr Bruder sitzen als Familienvertreter im Aufsichtsrat der SE, nicht aber der KGaA. Warum?
Ich habe mich bewusst entschieden, nicht im Aufsichtsrat der KGaA zu sitzen, mein Bruder hat glücklicherweise mitgespielt. Das ermöglicht eine bessere Trennung der divergierenden Interessen und Konflikte. Den Vorsitz im Aufsichtsrat der KGaA hat Dr. Max-Burkhard Zwosta, mit dem wir seit langem vertrauensvoll zusammenarbeiten und der als Familienexterner besser zwischen Kapitaleignern und Arbeitnehmervertretern vermitteln kann.
Wie organisieren Sie die Arbeit beider Gremien untereinander?
Wir mussten ein System finden, um Redundanzen zu vermeiden und nicht immer wieder über dieselben Themen zu reden. Am Tag vor den zwei Aufsichtsratssitzungen treffen sich zunächst der Prüfungsausschuss und der Finanzausschuss des KGaA-Aufsichtsrats. Am nächsten Tag folgt vormittags die Aufsichtsratssitzung der SE, wo alle relevanten Themen auf Kapitaleignerseite diskutiert werden. Parallel dazu gibt es eine Zusammenkunft der Mitarbeiterseite der KGaA, die die Themen des Vortags aufgreift und wo ein leitender Angestellter Rede und Antwort steht. So schaffen wir Möglichkeiten für eine freie Diskussion unter den Kapitaleignervertretern einerseits und unter den Mitarbeitervertretern andererseits. Nachmittags gibt es die KGaA-Sitzung mit den Aufsichtsratsmitgliedern der Kapitaleigner- und Arbeitnehmervertreter, die von Dr. Zwosta geleitet wird. Hier wird jeder Tagesordnungspunkt noch mal vorgestellt und besprochen. Am Ende steht eine Empfehlung des KGaA-Aufsichtsrats. Danach wird noch mal eine kurze SE-Aufsichtsratssitzung durchgeführt, dort werden die Entscheidungen durch formale Beschlüsse getroffen.
Info
Die Wurzeln des Baustoffherstellers Sto reichen bis ins Jahr 1835 zurück. 1936 übernimmt Wilhelm Stotmeister das damalige Zementwerk. 1962 erfolgt die Gründung der Stotmeister & Co. Farben und Baustoff KG. 1987 baut Fritz Stotmeister, Familienunternehmer in zweiter Generation, die Firma zu einer Aktiengesellschaft um. Ein Jahr später übernimmt Sohn Jochen den Vorstandsvorsitz, Fritz Stotmeister wird Vorsitzender des Aufsichtsrats. Seitdem werden an der Börse stimmrechtslose Sto-Vorzugsaktien frei gehandelt, die stimmberechtigten Stammaktien sind zu rund 90 Prozent im Besitz der Familie. 2014 folgt die Umfirmierung zur Sto SE & Co. KGaA. In den beiden folgenden Jahren steigen mit Jochen Stotmeister und seinem Bruder Gerd die vorerst letzten beiden Familienvertreter aus dem Vorstand der Firma aus und wechseln in den Aufsichtsrat der STO Management SE.Ist es Ihr Ziel, auch operativ wieder Familienmitglieder im Unternehmen zu haben?
Die Möglichkeit besteht auf jeden Fall. Als wir 1988 zur AG umfirmiert haben und ich den Vorstandsvorsitz übernahm, sagte mein Vater zu meinem Bruder und mir: „Man weiß nie, was ihr zwei da zustande bringt.“ Es ist ja das Recht des Älteren, gewisse Zweifel zu hegen. Auch heute haben wir zum Einstieg von Familienmitgliedern ins Unternehmen relativ strenge Auffassungen. Nach dem übereinstimmenden Verständnis unserer Familien haben zwei der insgesamt zehn Vertreter der nächsten Generation die Möglichkeit, in eine Führungsposition der SE & Co. KGaA zu kommen. Hierbei erwarten wir, dass die Kandidaten sich durch entsprechende Ausbildung, Erfahrung in Fremdgesellschaften und im Ausland beweisen müssen, so wie es auch bei mir damals galt.
Allerdings war die Umfirmierung ja auf den Ausstieg der Familie auf den Vorstand zugeschnitten. Braucht es dann wieder eine Änderung, wenn ein oder mehrere Familienmitglieder auf Vorstandsebene nachrücken?
Nein. Ich bin überzeugt, dass wir jetzt gut aufgestellt sind, um als Familie an verschiedenen Stellen im Unternehmen zu wirken. Die zehn Vertreter der nächsten Generation haben unter sich ausgemacht: Wir sprechen zwei oder drei Kandidaten die Eignung für das operative Geschäft zu, und wir sprechen einem die Eignung für die Aufsichtsfunktion zu, der Rest bewirbt sich nicht um Posten. Einer von den Kandidaten für das Operative wird wohl ab 2020 in einer von uns kürzlich akquirierten Firma tätig sein, dort zwei Jahre mit dem ehemaligen Besitzer zusammenarbeiten und dann mindestens drei bis vier Jahre als Geschäftsführer bleiben, bevor er andere Aufgaben in der Gruppe übernehmen kann. Bei den Aufsichtsgremien steht eine meiner Töchter in den Startlöchern, sie arbeitet eng mit mir zusammen und soll eines Tages meine Funktion übernehmen. Sie wurde in der letzten Hauptversammlung der KGaA zum stellvertretenden Mitglied ernannt und wird voraussichtlich zeitnah in den Aufsichtsrat der SE nachrücken.