Wolfram Michallik, seit Anfang 2019 arbeiten Sie an der Errichtung einer Familienstiftung. Wie kam es dazu?
Wir befinden uns mit WERO in einem herausfordernden Marktumfeld. Wenn wir das Unternehmen dynamisch weiterentwickeln wollen, müssen wir Gewinnrücklagen bilden. Bei gleichzeitiger Volatilität der Erträge bedeutet das für die Gesellschafter der Firma eine gewisse finanzielle Unsicherheit. Zum Beispiel entstehen steuerliche Belastungen durch Gewinne, die ihnen zugerechnet, aber zum Teil gar nicht ausgeschüttet werden. Bei der Berechnung von Elterngeld oder Krankenversicherungsbeiträgen schlägt das spürbar zu Buche und belastet insbesondere das Einkommen der jungen Familien. Wir sind aktuell 13 Gesellschafter, davon stammen drei aus der zweiten und zehn aus der dritten Generation. In vierter Generation gibt es bereits zehn Kinder, alle im Kindergartenalter. Die Familienstiftung (Link zur wir-Themenseite) ist unserer Meinung nach ein geeignetes Mittel, die Zuwendungen an die Gesellschafter zu verstetigen und den Familien eine bessere Planbarkeit zu ermöglichen.
War das das einzige Argument?
Nein. Angesichts des Wachstums der Familie laufen wir in der bisherigen Form in eine Zersplitterung der Gesellschafterstruktur hinein. Das erschwert nicht nur den Einigungsprozess, sondern vor allem auch die Kommunikation mit unserem externen Geschäftsführer, der die Firma operativ leitet – ich nehme als Geschäftsführer nur noch gewisse Sonderaufgaben wahr. Die Familienstiftung soll gewährleisten, dass die Geschäftsführung einen klaren Ansprechpartner hat: den Stiftungsvorstand. Diese Scharnierfunktion des Stiftungsvorstands ist für uns sehr interessant. Denn Kommunikation und Entscheidungsfindung funktionieren in der Familie nach ganz anderen Regeln als im Unternehmen. Und so bleiben die familieninternen Prozesse alle innerhalb der Stiftung, ohne das Geschäft zu beeinflussen.

Foto: WERO GmbH & Co. KG
Wie haben Ihre zwölf Mitgesellschafter auf die Idee der Stiftungsgründung reagiert?
Mit Interesse, aber auch mit Vorbehalten. Wir hatten gerade unsere Gesellschaftsverträge neu überarbeitet und im Mai 2018 unterzeichnet. Als ich Anfang 2019 die erste E-Mail mit der Idee zur Stiftungsgründung verschickte, war die Reaktion verhalten: Muss das wirklich sein? Und natürlich gab es auch inhaltliche Bedenken. Wir haben in den vergangenen Jahren als Familie stark auf ein Selbstverständnis als Unternehmerfamilie hingearbeitet, in die sich alle mit Interesse einbringen. Vor diesem Hintergrund war die Frage: Geben wir mit einer Stiftungsgründung nicht nur unwiderruflich unser Eigentum aus der Hand, sondern auch unsere unternehmerische Identität auf? Hinzu kam, dass die Stiftung bei einigen Gesellschaftern grundsätzlich im Verdacht der Steuertrickserei stand.
Wie haben Sie auf diese Bedenken reagiert?
Das Gute an einer Familienstiftung nach deutschem Recht ist ja, dass Sie sie sehr frei gestalten können, beispielsweise ist das einzige vorgeschriebene Stiftungsorgan der Vorstand. Wir haben uns als Familie darauf geeinigt, dass die Stiftung als Trägerin von Unternehmensbeteiligungen eine sehr unternehmerische Rolle spielen soll: Die Familie soll den Kurs der Stiftung und damit auch der Unternehmen weiterhin im gleichen Umfang mitbestimmen und beeinflussen, wie es heute der Fall ist. Unser Ziel ist eine Familienstiftung, die als aktive Unternehmensholding unsere Unternehmen führt, entwickelt und – auch durch Zukäufe – aktiv managt.
Und der steuerliche Aspekt?
Wir streben eine Konstellation ohne steuerliche Winkelzüge an, also zum Beispiel ohne Verlagerung ins Ausland oder Ähnliches. Steuerlich gesehen geht es darum, dass die Gewinnrücklagen, die im Unternehmen bleiben, nicht durch die Gesellschafter versteuert werden und die heutigen Gesellschafter zukünftig ihre Zuwendung als Kapitalerträge versteuern können. Davon abgesehen werden die üblichen Unternehmens- und Ertragssteuern fällig. In dieser Form ist die Stiftung definitiv kein Steuersparmodell, auch wenn das manchmal so verkauft wird.
Wie verlief bisher der innerfamiliäre Prozess?
Das Thema in einem vergleichsweise großen Gesellschafterkreis anzugehen ist tatsächlich eine sehr interessante Aufgabe – in der Literatur findet man meist „den Stifter“ oder vielleicht noch „das Stifterpaar“. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Wenn wir diesen Schritt überhaupt gehen können, dann jetzt, bevor der Kreis noch größer wird. Glücklicherweise haben wir einen guten Zusammenhalt in der Familie und auch einiges an Routine darin, gemeinsam wichtige Themen zu bearbeiten, sei es die Entnahme- und Ausschüttungspolitik, die Erarbeitung einer Familienverfassung, die Überarbeitung der Gesellschafterverträge oder auch die Klärung der Nachfolge in der Geschäftsführung. So haben wir auch relativ schnell eine sechsköpfige Arbeitsgruppe gebildet, die aktuell eine Stiftungssatzung ausarbeitet. Diese Routine in der Zusammenarbeit hilft uns jetzt sehr.
Info
Die WERO GmbH & Co. KG ist ein dienstleistungsorientierter Industrieausstatter im Bereich betriebliche Erste Hilfe und Arbeitsschutz. Das Unternehmen erwirtschaftet laut Gesellschafter-Geschäftsführer Wolfram Michallik mit 250 Mitarbeitern etwa 36 Millionen Euro Umsatz. Seit 2015 verfolgt WERO einen strategisch ausgerichteten Wachstumskurs, der neben dem organischen Wachstum auch Ausgründungen und den Zukauf von Unternehmen umfasst. 2019 hat Wolfram Michallik die operative Geschäftsführung vollständig auf den langjährigen Mitarbeiter Sebastian Aubele übertragen.War Ihnen das klar, als Sie die Idee ins Rennen gebracht und damit den Prozess angestoßen haben?
Als ich die Möglichkeit der Stiftungsgründung in den Raum stellte, dachte ich, wir müssten alles noch mal ganz neu denken. Ein Berater, der uns in dem Prozess unterstützt, stellte schnell klar: Ihr habt gut vorgearbeitet, die Stiftung ist ein logischer nächster Schritt. Wenn es diesen Zusammenhalt nicht gäbe, müssten wir das erst nachholen. Mit dieser Erfahrung im Rücken bin ich übrigens der Überzeugung, dass es grob fahrlässig ist, bei der Gründung einer Familienstiftung auf vorgefertigte Vorlagen zurückzugreifen, ohne sehr gründlich die Familiensituation und -dynamik anzuschauen.
Oft hört der Familienzusammenhalt ja beim Geld auf. Bei Ihnen nicht?
Unsere Aufgabe als Familie ist es, die Basis dafür zu schaffen, dass die Zugehörigkeit zum Unternehmen auch in der vierten Generation noch attraktiv ist. Im Moment driften die Unterschiede in der Ausschüttungshöhe sehr auseinander, konkret fließen zwei Drittel der Zuwendungen an drei Gesellschafter meiner, also der zweiten Generation. Die anderen zehn teilen sich das verbleibende Drittel. In der vierten Generation wären Anteile und Ausschüttungen noch viel kleiner. Das kann den Zusammenhalt gefährden. Wir sind der Überzeugung, dass ein Familienunternehmen nur funktioniert, wenn es für alle attraktiv ist. Die Stiftung gibt uns eine Chance, die Zuwendungen freier zu gestalten und zu verteilen. Hinzu kommen neue Möglichkeiten, wie zum Beispiel Kinder von Geburt an zu begünstigen.
Das setzt aber voraus, dass die im Moment stärker Begünstigten bereit sind, sich einzuschränken.
Das stimmt. Ich für meinen Teil kann sagen: Was ich von der Firma an Ausschüttungen bekomme, kann ich nicht mehr in Gänze ausgeben, ich lege es an und werde es irgendwann vererben. Macht es da nicht viel mehr Sinn, eine andere Lösung zu finden? Unsere Familienstiftung ist als Solidargemeinschaft zu verstehen, wenn Sie so wollen als Familienversorgungswerk: Die Mitglieder sollen vor allem einen abgesicherten Start ins Leben mit guter Bildung sowie im Alter Versorgungssicherheit haben. Wenn ich weiß, dass ich im Alter gut versorgt bin, brauche ich auch vorher nicht zu horten. Lieber sollen unsere Unternehmen einen Teil dieser Liquidität zur Verfügung haben, um sich positiv zu entwickeln.