Nachhaltigkeit ist eine Chance für die NextGen im Familienunternehmen – und umgekehrt. Allerdings zeigt ein Blick in aktuelle Untersuchungen: Im Moment klaffen Potential und Wirklichkeit weit auseinander. Von einem
umfassenden, strategischen Verständnis des Themas ist die Mehrheit der Befragten noch weit entfernt. Was nun?

Es klingt wie die Geschichte von den zwei Königskindern. Auf der einen Seite stehen die Nachfolger im Familienunternehmen: Sie sind auf der Suche nach einem eigenen Ansatz, einer Vision, um einen entscheidenden Beitrag zur Zukunftsfähigkeit des Unternehmens leisten zu können. Auf der anderen Seite steht die Notwendigkeit nach einem ganzheitlicheren Wirtschaften, das neben ökonomischen und sozialen auch echte ökologische Unternehmensziele definiert und das landläufig unter dem Namen Nachhaltigkeit subsumiert wird. Sie könnten so gut zusammenpassen. Aber wer einen Blick in die aktuellen Umfragen zum Thema „Next Gen und Nachhaltigkeit“ wirft, der wird enttäuscht.

Das Primat der Ökonomie

„Die NextGen will den Wandel, agiert aber zögerlich“, so fasst der diesjährige „Global NextGen Survey“ von PwC die Situation zusammen. Für die 2022er Ausgabe der Befragung wurden mehr als 1.000 Nachfolger aus Familienunternehmen aus insgesamt 68 Ländern befragt, davon 100 aus dem DACH-Raum, auf denen hier der Fokus liegen soll. Dabei zeigt sich schnell, dass die NextGen-Vertreter bei sich selbst eine größere Nähe zum Thema Nachhaltigkeit sehen als bei der aktuell im Unternehmen aktiven Vorgängergeneration. 67 Prozent der Befragten sind überzeugt davon, dass Nachhaltigkeit für ihr Familienunternehmen eine Chance ist, eine führende Rolle bei der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu spielen. In der Vorgängergeneration sind nur 53 Prozent dieser Ansicht, wie die jährlich alternierende Befragung der älteren Zielgruppe im „Family Business Survey 2021“ zeigt. 77 Prozent der NextGen-Vertreter fühlen sich dafür verantwortlich, den Klimawandel und die damit verbundenen Konsequenzen aktiv zu bekämpfen, nur 61 Prozent der Vorgängergeneration sehen das auch so.

 

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Zugleich zeigt die Befragung deutlich: In der Umsetzung ist von der jungen Generation zunächst keine Revolution zu erwarten. Nach ihren Prioritäten für die nächsten zwei Jahre befragt, geben 58 Prozent der Teilnehmer das Umsatzwachstum als wichtigstes Ziel an und liegen somit ganz auf Linie mit einem traditionellen Wirtschaftsverständnis. Deutlich abgeschlagen – nach Themen wie Talentmanagement sowie Markt-, Technologie- und
produktbezogenen Themen – stehen erst auf Platz 7 die Steigerung der Investitionen in Nachhaltigkeit, die für 30 Prozent der Befragten Priorität hat, und auf Platz 9 die Reduktion der Umweltauswirkungen des Unternehmens (29 Prozent).

Ähnlich verhalten beschreiben die Befragten auch die eigene Beteiligung mit Blick auf diese Prioritäten: Nur 28 Prozent geben an, schon heute in das Thema Investitionen in Nachhaltigkeit eingebunden zu sein. In zwei Jahren sehen sich 50 Prozent in diesem Bereich aktiv. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Thema Reduktion der Umweltauswirkungen: Hier sind heute 27 Prozent der Befragten eingebunden, in den nächsten zwei Jahren wollen es 45 Prozent sein. Zudem sind 53 Prozent der Ansicht, dass das Familienunternehmen im Bereich Nachhaltigkeit zu langsam ist und mehr tun muss. Offenbar sieht die NextGen das Thema Nachhaltigkeit zunehmend als ihre eigene Aufgabe an. Das Primat der ökonomischen Dimension ist allerdings nach wie vor stark und die eigene Rolle der Next-Gen-Vertreter in Sachen Nachhaltigkeit bisher eher perspektivisch.

Ein ähnliches Bild zeigt eine aktuelle Befragung von Haus Next, einem Spin-off des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen (FIF) an der Zeppelin Universität, im Auftrag der Transformations- und Restrukturierungsberatung Struktur Management Partner (SMP). Für die Untersuchung wurden 31 qualitative Interviews mit deutschen NextGen-Vertretern durchgeführt. Davon sehen 97 Prozent das Thema Nachhaltigkeit als Chance für das Unternehmen, eine Mehrheit sieht das eigene Familienunternehmen dabei sogar schon jetzt als Vorreiter.

 

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Diese Einschätzung relativiert sich allerdings deutlich, je mehr die Befragung ins Detail geht. Um das Verständnis von Nachhaltigkeit konkreter zu fassen, arbeitet die Befragung mit dem sogenannten Drei-Säulen-Modell: Dabei bilden die ökonomische, die soziale und die ökologische Dimension gleichberechtigt die Säulen für verantwortungsvolles Wirtschaften. Die Untersuchung zeigt, dass diese Gleichberechtigung faktisch noch lange nicht erreicht ist. Auf die Frage, ob das Unternehmen ökonomische Nachhaltigkeit als tragende Säule für soziale und ökologische Nachhaltigkeit betrachtet, antworten 82 Prozent der Befragten mit Ja. Übersetzt könnte das heißen: Nachhaltigkeit muss man sich leisten können. Tatsächlich wird einer der Studienteilnehmer mit der Aussage zitiert, wer „Gelder übrig“ habe, könne damit verschiedene Maßnahmen unterstützen. Lediglich zwei der befragten Personen priorisieren im Vergleich der drei Säulen die soziale Dimension, nur eine die ökologische.

NextGen: Generation Strategie

Analog dazu geht aus der Studie hervor, dass sich das Verständnis von Nachhaltigkeit zwischen den Generationen wandelt. So gibt eine Mehrheit der Befragten an, dass die Aspekte der ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit schon in der Vorgängergeneration einen großen Stellenwert im Unternehmen hatten, wenn auch nicht unter diesem Begriff. „Aus den qualitativen Antworten geht hervor, dass die NowGen in der Vergangenheit unter Nachhaltigkeit häufig die Frage des Umweltschutzes verstanden hat – und diese dann auch eher als Bürde versteht, die vor allem Kosten verursacht, ökonomisch aber nur selten von Nutzen ist“, sagt Konrad Fröhlich, Seniorpartner bei SMP. Dass hier Handlungsbedarf besteht, hat offenbar auch die NextGen selbst erkannt: 90 Prozent der befragten Junioren möchten zukünftig einen größeren Fokus auf ökologische Nachhaltigkeit legen. „Die Juniorengeneration begreift Nachhaltigkeit zunehmend als gleichberechtigten Dreiklang“, erklärt Fröhlich. „Der eigentliche Paradigmenwechsel wird sein, Nachhaltigkeit umfassend zu einem strategischen Unternehmensziel zu machen.“

Bis dahin bleibt in den jeweiligen Organisationen noch einiges zu tun. Stand jetzt geben 74 Prozent der Befragten an, konkrete Nachhaltigkeitsziele zu haben, aber nur 29 Prozent haben tatsächlich eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie – ein ähnliches Ergebnis verzeichnet auch die PwC-Studie mit 32 Prozent. Bisher erstellen laut der Untersuchung von Haus Next und SMP nur 15 Prozent ein offizielles Nachhaltigkeitsreporting. Immerhin: Die Mehrheit der Befragten strebt nach einer Professionalisierung der Nachhaltigkeitsbemühungen im Unternehmen und will zum Beispiel eine entsprechende Stabsstelle einrichten, um die Umsetzung von
Maßnahmen in der Praxis zu gewährleisten.

Aber auch in den Köpfen der NextGen selbst scheint es noch Nachholbedarf zu geben. Die Tatsache, dass die Mehrheit der NextGen-Vertreter eine intrinsische Motivation des Familienunternehmens als Treiber für mehr Nachhaltigkeit angibt, sehen die Autoren der Studie kritisch: Dahinter verberge sich womöglich die Tatsache, dass der Druck durch externe Treiber wie Kunden, Finanziers, Gesellschaft und politische Rahmenbedingungen – darunter zum Beispiel die 2024 in Kraft tretende Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU – durch die nachfolgende Generation unterschätzt werde. Man möchte ergänzen, dass die NextGen zugleich offenbar auch die Chancen für das Geschäft und das Geschäftsmodell, die ein umfassendes Verständnis von Nachhaltigkeit bringen könnte, unterschätzt: Keiner der Befragten erwägt eine ganzheitliche Transformation des eigenen Betriebs in den kommenden Jahren.

Zum Stichwort Nachholbedarf fällt auch eine Zahl aus dem „Global NextGen Survey“ von PwC auf: Mit Blick auf die persönliche Qualifikation für eine zukünftige Führungsrolle glauben nur 17 Prozent der Befragten, sich im Bereich Nachhaltigkeit/ESG weiterbilden zu müssen – auch das ist aufgrund der hohen Komplexität des Themas womöglich eine Fehleinschätzung. Auf dem Weg der NextGen-Vertreter zu Anwälten der Nachhaltigkeit im
Familienunternehmen gibt es noch viele Hürden.

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