Die Übertragung von Firmenanteilen birgt Zündstoff in jeder Familie. Richtig kompliziert wird es bei Patchwork-Unternehmerfamilien.

Ruinöser Rosenkrieg oder coole Kumpanei – in den Medien werden beide Bilder von Patchworkfamilien gezeichnet. Prominente aus Politik, Wirtschaft, Sport, Film und Musik geben manchmal das Bild einer modernen, manchmal das einer zerrütteten Patchworkfamilie. Es geht um Gefühle, Macht und meistens sehr viel Geld.

In Unternehmerfamilien hängt zusätzlich noch das Unternehmen mit drin – samt seiner Mitarbeiter und seinem Engagement in der Region. Und obwohl die Patchworkfamilie gesellschaftsfähig geworden ist, fällt es Familienunternehmern aufgrund tradierter Werte schwer, sich mit dieser gesellschaftlichen Veränderung bewusst und sachlich auseinanderzusetzen. Jedoch: „Keine Unternehmerfamilie kann es sich leisten, dieses Thema zu tabuisieren“, sagt Kirsten Baus vom gleichnamigen Institut für Familienstrategie. Ob die Unternehmerfamilie ein Tabu daraus macht oder nicht, hängt davon ab, wie stabil die Familienbande als solche sind und wie offen sie für neue Interpretationen des Familienbegriffs ist.

Dabei ist zu differenzieren: „Gesellschafterfamilie ist nicht gleich zusetzen mit Unternehmerfamilie“, warnt Baus. Während die Ehefrau in vielen Familien explizit nicht zur Gesellschafterfamilie gehört, weil sie keine Anteile hält, ist sie dennoch Teil der Unternehmerfamilie. Und gehört die Ex-Frau, mit der der Unternehmer gemeinsame Kinder hat, der Familie an? Oder die leiblichen, vielleicht schon erwachsenen Kinder der zweiten Ehefrau? Dass nicht alle Familienmitglieder im Unternehmen selbst oder anderen Gremien eine Rolle spielen können, ist klar. „Aber ein Zugehörigkeitsgefühl kann Konflikte entschärfen. Erst die bewusste Ab- und Ausgrenzung führt zu Schwierigkeiten“, warnt Baus.

Was ist fair?

Um das Familienvermögen und das Unternehmen langfristig zu schützen, könnte es sich der Familienunternehmer einfach machen: Nur seine leiblichen Kinder werden zu gleichen Teilen Firmenanteile erben und so zur Gesellschafterfamilie gehören. Das Gesetz berücksichtigt Stiefkinder nicht, sie sind weder erbteils- noch pflichtteilsberechtigt. Sie müssten hierfür adoptiert werden. Möchte der Unternehmer das alles allerdings anders regeln, weil er ein anderes Verständnis einer fairen und gerechten Verteilung hat, bleiben ihm das Testament oder der Erbschaftsvertrag als Gestaltungselement. Dort kann er zum Beispiel auch regeln, dass seine Ex-Ehefrau im Falle seines Todes nicht die Vermögenssorge der noch minderjährigen Kinder regeln darf.

Es gibt vor diesem Hintergrund vor allem zwei Konfliktlinien, die in Patchwork-Unternehmerfamilien besonders ausgeprägt sein können: der Altersunterschied zwischen dem Unternehmer selbst und seinen Kindern aus zweiter oder dritter Ehe sowie die zunehmende Internationalität von Unternehmerfamilien.

So kann das Pflichtteilsrecht zum Risiko werden: „Verzichtsvereinbarungen sind in Patchworkfamilien problematischer, weil Kinder einer zweiten oder dritten Ehe nicht selten noch minderjährig sind und daher keinen Verzicht erklären können“, sagt Prof. Dr. Rainer Lorz von der Sozietät Hennerkes, Kirch dörfer & Lorz. Wenn der Erblasser stirbt und die Kinder aus erster Ehe bereits auf ihren Pflichtteil verzichtet haben, steht die Frage nach der Gleichbehandlung der leiblichen Kinder ungelöst im Raum. „Wenn sich dann der Verzicht nicht nur auf den Pflichtteil beschränkt, sondern als umfassender Erbverzicht fälschlicherweise auch auf das gesetzliche Erbrecht erstreckt wurde, genießen die ‚Nachzügler‘ alle erbrechtlichen Vorteile,“ so Lorz. Kirsten Baus macht die Beobachtung, dass es durchaus eine Neigung gibt, dass jüngere Ehen und die daraus resultierenden Kinder bevorzugt werden. „Frühere Beziehungen sind nicht mehr so präsent“, stellt sie fest.

Familie neu definieren

Das zweite Risiko ist das ausländische Erb- und Eherecht. Viele Unternehmerkinder studieren oder arbeiten im Ausland, lernen dort ihre Lebensgefährten kennen und gründen eine Familie. „Während in Deutschland das Vermögen auch bei Scheidungen durch Eheverträge und Güterstandsklauseln, die in Gesellschaftsverträgen festgelegt werden, gut geschützt werden kann, gelten im Ausland oft ganz andere Regeln“, warnt Lorz: „Güterstandsregelungen lassen sich manchmal kaum durchsetzen, weder im Fall der ‚klassischen Ehe‘ noch im Fall von Lebenspartnergemeinschaften.“

Bei beziehungsreichen, internationalen Familien wird man nicht alles rechtlich regeln können. Daher ist es umso wichtiger, sich der Komplexität des Familiengefüges emotional und rechtlich so weit zu nähern wie möglich. „Gesellschafts- und Erbrecht sollten möglichst in Einklang gebracht werden“, sagt Lorz. Was wiederum zurück führt zur Kernfrage, wer denn zur Familie gehört und wer nicht.

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