Ohne Zukäufe würde die Zukunft seines Unternehmens nicht rosig aussehen, wusste Sven Lindemann. Sein Vater hatte 1984 die Hanse Orga Group – heute Serrala – gegründet, einen Softwarehersteller für Finanzdienstleistungen. In den vergangenen Jahren ist der Kampf gegen agile Start-ups und neue Technologien härter geworden, der Markt von Konsolidierungen geprägt – fressen oder gefressen werden. Aus eigener Kraft konnte der Geschäftsführende Gesellschafter allerdings nicht die nötigen Akquisitionen stemmen. Ein Investor musste her. Knapp ein Dutzend Kapitalgeber stellten sich im Jahr 2014 vor. Erst zwei Jahre später fand Lindemann mit Waterland Private-Equity aus den Niederladen einen Partner, der zu seinen Plänen passte. Genau 50 Prozent an dem Softwareunternehmen, das heute etwa 600 Mitarbeiter beschäftigt, gab der Hamburger an Waterland ab.

Foto: Simplon
Private-Equity-Investorenspringen aber nicht nur ein, wenn Wachstumskapital dringend gebraucht wird. Auch bei Gesellschafterwechseln und einer ungelösten Nachfolge werden sie immer häufiger von Familienunternehmen als Finanzierungsalternative in Betracht gezogen. Das „Heuschrecken-Image“ der Branche hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Befragungen von über 300 Familienunternehmen durch die Wirtschaftsprüfer PwC zeigen, dass sich im Jahr 2011 nur 18 Prozent der befragten Unternehmer eine Beteiligung von Private Equity vorstellen konnten und lediglich ein Prozent der Unternehmen bereits eine Beteiligung mit einem PE-Investoren eingegangen war. Im Jahr 2017 wiesen schon drei Prozent eine Beteiligung nach und immerhin 83 Prozent der Unternehmer zogen eine Zusammenarbeit mit Fremdinvestoren in Betracht.
Familie Groneweg übt noch starken Einfluss aus, sie hat die Mehrheit behalten. Der Gründer Dieter Groneweg, der im April 2016 verstarb, hatte die Anteile auf seine Frau und die beiden Töchter übertragen. Aus der Familie fand sich niemand, der langfristig im Management des Unternehmens aus der Nahrungsmittelbranche mit 60 Millionen Euro Umsatz und etwa 600 Mitarbeitern aktiv werden wollte. Im Jahr 2017 erwarb VR Equitypartner eine Minderheitsbeteiligung der Anteile – und brachte über eine Kapitalerhöhung weiteres Kapital ein, um das Unternehmenswachstum zu beschleunigen. „Für Familie Groneweg war es wichtig, keine Anteile zu veräußern und somit Kontinuität und Bekenntnis zum Unternehmen zu zeigen“, sagt Peter Sachse, Geschäftsführer bei VR Equitypartner. Die Familie hat über den Beirat der Groneweg-Gruppe weiter Einfluss.
Kaum Familie – große Kritik

Foto: Serrala
Während Familie Hämmerle den Rückzug sehr bewusst aus privaten Gründen gewählt hatte, hagelte es in Hard am Bodensee Tadel. Zu wenig Familie sei nach dem Deal mit der Hannover Finanz Gruppe übrig geblieben. Familie Hämmerle, die für Sicherheit und Kontinuität stand, sei zu weit weg vom Unternehmen. In Hard witterten die Kritiker wirtschaftliche und monetäre Engpässe. Die Bewohner der Kleinstadt fürchteten zudem um den Produktionsstandort Hard – hatte der fremde deutsche Finanzinvestor ja mehr als die Hälfte an der Firma erworben. Das Image des Familienunternehmens war nach der Transaktion im Jahr 2013 zunächst angekratzt.
Vertrauen und Überzeugungsarbeit
Wer füllt das Vakuum, das die Familie hinterlässt? Bei Simplon musste der neue Geschäftsführer Stefan Vollbach, der von der Sportmarke Allsport kam und vorher über ein Jahrzehnt bei dem Skihersteller Head arbeitete, nicht nur verunsicherte Mitarbeiter für sich gewinnen, sondern auch grundlegende Überzeugungsarbeit leisten. Er wiederholte gebetsmühlenartig, dass das Unternehmen finanziell gut dastehe und es lediglich einen Wachstumspartner gebraucht habe. Heute, fünf Jahr später, mit einem Umsatzsprung von 18 Millionen auf fast 27 Millionen, dem Ausbau des Stammsitzes und einem Mitarbeiteranstieg von 47 auf über 100 Personen, ist nichts mehr von den Ressentiments gegenüber Private-Equity zu spüren. „Wir haben den Faktor Familie unterschätzt und hätten die Kommunikation des Einstiegs der Hannover Finanz viel besser erklären müssen“, gibt Vollbach heute zu.

Foto: Groneweg
Allerdings nicht allein: „Wir sind kein stiller Gesellschafter“, sagt Dr. Gregor Hengst, Geschäftsführer bei Waterland in München, dazu. „Wir wollen einen Platz am Familientisch, mit dem Ziel, in engem Zusammenspiel partnerschaftliche Entscheidungen zu treffen.“ Zwei neue Gesichter kamen auf Entscheiderebene hinzu: Dirk Schilling, der Finanzvorstand beim Reiseveranstalter Alltours war, wurde als CFO nach Hamburg geholt. Mit Christoph Dubies kam ein Interner von Waterland als Chief Strategy Officer an die Elbe.
Ein neues Selbstverständnis
Lindemann steht zum Investor – sowohl seinem Vater als auch seinen Mitarbeitern gegenüber. Die Führungsetage denke nun anders, gibt Lindemann zu, der durch und durch Produkt- und Salesprofi ist: „Waterland schaut auf Kennzahlen wie EBITDA und Profitabilität sehr viel stärker, als wir das vorher getan haben. Ich schätze den Austausch sehr, Serrala braucht diese Expertise.“

Foto: Groneweg
Trotz allem darf sich ein Familienunternehmen nichts vormachen: Wurzeln werden gekappt, wenn neue Gesellschafter kommen. Von manch einer Tradition müssen sich die Unternehmen trennen. Die Hanse Orga Gruppe änderte Mitte 2018 ihren Namen in Serrala. Das Wortspiel aus dem indischen Wort für einfach („Saral“) und der Bezeichnung einer spanischen Gebirgskette Sierra de la Serrella solle Internationalität, Robustheit und das Streben nach Komplexitätsreduktion vermitteln, erklärt Sven Lindemann.
Den Namen der Gruppe zu ändern sei ihm nicht leichtgefallen, gibt er zu. Das Vermächtnis seines Vaters brauchte allerdings einen neuen Namen. Der Zukunft wegen. „Ich würde es wieder so machen“, sagt Lindemann rückblickend auf die gesamte Transaktion und die Arbeit mit den neuen Gesellschaftern. In Hamburg ist schließlich viel Familienunternehmen übrig geblieben.