Ton Goedmakers tritt in die Fußstapfen seines Vaters, seines Onkels und seines Großvaters. Bei dem niederländischen Dienstleister Vebego ist er seit Anfang des Jahres CEO und verantwortlich für 34.000 Mitarbeiter. Seine Vision: Die fragmentierte Unternehmensgruppe soll zusammenwachsen. Dafür braucht es neue Strukturen – auch im Vorstand.

Ton Goedmakers sitzt an seinem Schreibtisch. Der Niederländer hält eine Flasche Wein in die Kamera seines Laptops. Er lacht und erzählt, dass sich sein Vater nach dem Abgang aus dem operativen Geschäft des Familienunternehmens Vebego vor knapp zehn Jahren seither dem Wein widmet. Goedwinemakers heißt das Weingut und hat seinen Sitz in Österreich südlich von Graz. Die Mitarbeiter seien stolz auf das Produkt und könnten sich mit dem nachhaltigen Bio-Anbau gut identifizieren. Er anscheinend auch, sonst stünde die Flasche nicht in Griffweite seines Schreibtisches. „Die haben eine tolle Story, arbeiten mit Herzblut und Spirit“, sagt Ton Goedmakers über die neue Unternehmung seines Vaters.

Im Vergleich zum Weingut, das ein paar Mitarbeiter und ein vermarktbares Produkt hat, ist Vebego in anderen Sphären unterwegs. Das Unternehmen beschäftigt über 34.000 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro. Als Dienstleister im Facility-Management, in der Reinigungsdienstleistung, in der Landschaftsgestaltung und im Gesundheitswesen muss es ohne Produkt punkten. „Unsere Mitarbeiter sind unser einziges Kapital.“

Harsche Worte für Vebego aus dem Netz

Handlungsbedarf gibt es. Das „Familienunternehmen mit Impact“, wie es sich selbst auf der eigenen Webseite beschreibt, muss auf einer bekannten Online-Plattform zur Bewertung von Unternehmen Kritik einstecken. Vebego solle sich darauf besinnen, was das Unternehmen früher ausgemacht habe, schreibt eine ehemalige Führungskraft ins Netz. Die restliche Firma sei gut, schreibt eine andere Person, kritisiert aber explizit einen Standort und bewertet diesen Arbeitsplatz mit einem von fünf Sternen. Diese schlechte Bewertung sieht man öfter auf dem Profil von Vebego.

„Vertrauen im Familienunternehmen ist schwer wiederaufzubauen, wenn es einmal weg ist“, sagt Ton Goedmakers und verweist auf eine bekannte Persönlichkeit aus der deutschen Sphäre der Familienunternehmen: Jörg Mittelsten Scheid, den früheren Vorwerk-Chef. Dessen Gedanken zu Vertrauen teilt Goedmakers. In Zeiten von Social Media und Bewertungsplattformen sind Ungereimtheiten indes schnell publik gemacht. „Glaubwürdigkeit kommt zu Fuß ins Unternehmen und geht per Glasfaser“, sagt der CEO.

Die Herausforderung für die Unternehmerfamilie Goedmakers und ihr Unternehmen ist, dass sich unter dem Dach der Vebego-Gruppe viele kleine Unternehmen befinden. In der zweiten Generation unter seinem Vater und seinem Onkel ist das Unternehmen stark gewachsen. „Es gibt heute Hunderte verschiedene Groß- und kleine Einzelunternehmer und Aktivitäten. Die Kultur ist dezentral und überall verschieden“, sagt Ton Goedmakers.
Er stieg 2007 ins Familienunternehmen ein und ist seit 2018 im Vorstand. Sein Onkel Ronald Goedmakers, bis Ende 2020 Vorstandsvorsitzender, übergab ihm den Posten nach 15 Jahren an der Spitze. Zusammen erarbeiteten die beiden Gesellschafter in den zwei Jahren, in denen sie gemeinsam im Vorstand waren, ihre Vision für Vebego.

Ton Goedmakers will an seinen Großvater erinnern

Aus den fragmentieren Tochterunternehmen soll eine „Firmenfamilie“ zusammenwachsen, die sich in ihren Werten und Einstellungen auf das besinnt, was die Familie seit der Gründung 1943 leben möchte. Großvater Ton „Tonny“ Goedmakers gründete damals einen Putzdienst, um dem Einsatz im Zweiten Weltkrieg zu entgehen. „Tonny“ habe vielen Menschen aus der „Basis der Gesellschaft“ einen Arbeitsplatz gegeben und jede Person, woher sie auch immer kam, welche Handicaps sie auch immer mitbrachte, gleich behandelt. Während der Enkel über seinen Großvater spricht, schaut dieser aus einem bunten Gemälde an der Wand dem Interview zu.

Auch sein persönlicher Einstieg habe etwas damit zu tun gehabt, Impact zu schaffen und positiv auf Menschen zu wirken, versichert Ton Goedmakers: Lehrer zu werden, das hätte er sich gut vorstellen können. In so einer Rolle helfe man der Gesellschaft. Wenn Lehrer ihre Arbeit gut machen, können sie auf rund 30 Schüler im Jahr positiv einwirken, rechnet Ton Goedmakers vor.

Auf über 30.000 Mitarbeiter Impact zu haben schlug für ihn dann die Vorstellung des Lehrerdaseins, und er entschied sich für den Einstieg ins Unternehmen. „Ich will nicht das erfolgreichste Unternehmen sein, was Zahlen angeht, ich möchte, dass Vebego den Leuten etwas Schönes bedeutet“, erläutert der Niederländer.

Sich diese Vision auf die Fahne zu schreiben und zu kommunizieren sei das eine, die Umsetzung im Unternehmensalltag das andere, sagt Ton Goedmakers. Und ein Kommentar im Netz weist genau darauf hin: Man solle doch die eigenen Firmengrundsätze einhalten. Die beiden Goedmakers an der Spitze des Unternehmens – Ronald und sein Neffe Ton –waren lange Zeit zu eingespannt im Tagesgeschäft, so dass langfristige Ziele aus dem Sichtfeld gerieten. Das, was die Eigentümerfamilie an Impact ins Unternehmen tragen wolle, sei auf der Strecke geblieben, berichtet Ton Goedmakers.

Ein neues Denken muss her, entschieden die beiden. Und mit dem offiziellen Generationenwechsel im Vorstand Anfang 2021 sind auch zwei neue Mitglieder in das Gremium gekommen. Einer davon ist Dr. Giuseppe Santagada. Er ist COO Deutschland und Schweiz. Mark van Haasteren wurde ebenfalls am 1. Januar als COO für Belgien und Niederlande in den Vorstand berufen. Die beiden sollen die Unternehmerfamilie im Tagesgeschäft entlasten, sagt Ton Goedmakers. „Management kann man outsourcen. Die Aufgaben als Eigentümer nicht. Wenn ich zu wenig Zeit für die langfristigen Pläne und die Unternehmenskultur habe, die ich als Eigentümer prägen will, dann muss ich Dinge aus dem Tagesgeschäft abgeben.“

Der Transformationsprozess hört bei Personalentscheidungen im Vorstand nicht auf. Managementebenen bei Vebego müssen aufgebrochen werden, lautet eine Maßnahme für die Zukunft. Das verspricht eine effizientere Zusammenarbeit, kürzere Wege und den Abbau von Bürokratie – gleichermaßen Kritikpunkte, die sich im Netz wiederfinden. Die einzelnen Tochterunternehmen sollen miteinander besser verdrahtet und die Werte, die die Unternehmerfamilie in die Firma tragen möchte, verinnerlicht werden.

Auf dem Weg dahin muss die Familie harte Entscheidungen treffen. Vor allem, wenn man sich von langjährigen Mitarbeitern trennen muss, sagt Ton Goedmakers, weil sie den Weg nicht mitgehen wollten beziehungsweise nicht zu diesem passen würden.

Die sichtbare Unternehmerfamilie

In diesem Prozess kann sich die Unternehmerfamilie nicht verstecken, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter. Ganz im Gegenteil: „Wir müssen uns zeigen. Wir müssen Aktionäre mit Gesicht sein.“ Die Kinder seines Onkels, die ebenfalls die dritte Generation der Eigentümerfamilien repräsentieren, stellten sich jüngst in einem Online-Workshop den 100 Top-Führungskräften der Gruppe vor. „Wir müssen die Entscheider bei uns im Unternehmen davon überzeugen, für uns zu arbeiten und sich mit uns auf den Weg zu machen“, erklärt Ton Goedmakers.

COO Santagada, der zugleich CEO in der Vebego Schweiz Holding ist, findet, dass eine engagierte und sichtbare Eigentümerfamilie vor allem in Zeiten der Unsicherheit durch die Pandemie viel wert ist. „Wenn ein Manager – trotz großer Akzeptanz und Glaubwürdigkeit – etwas sagt, dann hat das einen kleineren Effekt auf die Belegschaft wie die Aussage eines Eigentümers“, sagt Santagada. Sich als Familie zu positionieren komme gut an, wenn es auf die richtigen Leute treffe. Denn, darauf weist Santagada auch hin, im Rahmen der laufenden Restrukturierung würden die Teams bei Einstellungen darauf achten, dass die neuen Mitarbeiter „familientauglich“ seien und gut zum Familienunternehmen Vebego passten.

Die neue Konstellation im Vorstand erleichtere Santagada zudem die Führung des Tagesgeschäfts. Ein Vertreter der Eigentümerfamilie, der weiterhin im Vorstand involviert ist, mache ihm die Kommunikation um einiges leichter. „Ton ist nah genug dran am Geschäft. Wenn wir Cases diskutieren, muss ich keine Hollywood-Geschichten erzählen, um Ideen zu pitchen.“

Wachstum durch Zukäufe

Die Veränderungen im Unternehmen und die Rolle der Familie als tragender Instanz der Unternehmenswerte sollen auch dabei helfen, die Wachstumspläne umzusetzen. Die Ambition ist es, die Anzahl der Jobs in absehbarer Zeit auf 60.000 ansteigen zu lassen. Ein positives Standing als Familienunternehmen werde hier Einfluss haben, ist sich der CEO sicher. Denn Ton Goedmakers findet, eine Familie im Unternehmen schafft Vertrauen und deutet auf Langfristigkeit hin.

Das seien gute Argumente, die es brauche, denn das geplante Wachstum sei nur in Kombination mit Zukäufen zu stemmen. Vebego ist bis dato vor allem in der Schweiz und in den Niederladen vertreten. Im deutschen Markt sehen die Niederländer Potential für Transaktionen. „Wenn ich mit einem Unternehmer spreche, dessen Firma gut zu uns passen würde, muss ich mit meinem Namen und in meiner Rolle vertrauenswürdig genug sein, dass er mir seine Unternehmung anvertraut“, sagt er. Ein gutes Standing bei den Mitarbeitern und eine positive Unternehmenskultur würden sich nicht nur nach innen auswirken.

Die Schritte, die Vebego geht, werden auch auf der Bewertungsplattform gesehen. „Das Unternehmen ist in einem Transformationsprozess“, schreibt ein User. Ein anderer Kommentator meint: „Auf dem Weg in die Zukunft gibt es viele spannende Aufgaben anzupacken, wenn man dies will und kann.“ Diese Nachricht ist an die am Unternehmen interessierten User adressiert, lässt sich aber eins zu eins auf die Unternehmerfamilie ummünzen. Das Weingut der Familie ist indes nicht auf dem Bewertungsportal zu finden. Dafür ist es schlicht zu klein.

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