Frosta-Vorstand Felix Ahlers sucht Alternative zur Entwicklungshilfe

In den Jahren 1985 und 2009 erschienen zwei Bücher mit fast identischem Titel: „Tödliche Hilfe“ von der deutschen Entwicklungshelferin Brigitte Erler und „Dead Aid“ von der in Sambia geborenen amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlerin Dambisa Moyo. Beide beleuchten aus verschiedenen Perspektiven das gleiche Problem: dass klassische Entwicklungshilfe in den Ländern des globalen Südens mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Felix Ahlers kennt beide Bücher. Der 59-Jährige ist Vorstandsvorsitzender – als gelernter Koch bezeichnet er sich selbst auch als „Chef de Cuisine“ – beim Tiefkühlproduktehersteller Frosta AG in Bremerhaven. Der Sohn des Frosta-Gründers Dirk Ahlers leitet das Familienunternehmen in zweiter Generation.Spenden oder gründen?Vor rund 20 Jahren begann Felix Ahlers, sich intensiver mit dem afrikanischen Kontinent und dem Thema Entwicklungshilfe auseinanderzusetzen. Unter anderem bereiste er Äthiopien. Was er dort sah, passte zu dem, was Erler und Moyo in ihren Büchern beschreiben. „Mein Eindruck war: Das Geld wird vor Ort quasi verteilt, was eigentlich kontraproduktiv ist, denn die Menschen werden dadurch passiv und verlieren ihre Selbstinitiative“, erinnert sich Ahlers. „Meine Frage war seitdem: Wie kriegt man es hin, sie zu motivieren und in Selbstverantwortung zu bringen?“ Till Wahnbaeck ist Geschäftsführer der Impacc gGmbH mit Sitz in Hamburg. / Foto: Gerhard Linnekogel Auf der Suche nach Ansätzen startete Ahlers zunächst „ein kleines Kaffeeprojekt“, wie er es nennt, eine Gründung in Addis Abeba: Gemeinsam mit Erzeugern vor Ort holte er den Röstprozess nach Äthiopien – und damit auch die Wertschöpfung und besser bezahlte Jobs, denn so kann der Kaffee nicht nur als Rohstoff, sondern als fertiges Produkt exportiert werden. Parallel dazu spendet die Frosta AG jährlich 2 Prozent ihrer Dividende für soziale Projekte. Die Hälfte davon, so Ahlers, werde an Standorten des Unternehmens in Deutschland eingesetzt, die andere Hälfte fließt ins Ausland: „Wir kaufen ja viel Rohwaren aus dem Ausland, und meistens sind das sehr viel ärmere Länder als Deutschland. Daher geht auch die Hälfte der Spendengelder in diese Länder.“ Doch auch hier bleibt die Frage nach dem Impact.Für einen Teil dieses Spendengeldes hat Felix Ahlers nun eine Verwendung gefunden, die beide Ansätze miteinander zu verbinden scheint: Seit Mitte 2025 kooperiert die Frosta AG mit der Impacc gGmbH. „Wir sind eine gemeinnützige Organisation, die Armutsbekämpfung in Afrika betreibt, aber nicht auf die klassische Art und Weise, indem Spenden in Projekte gesteckt werden, und wenn das Geld alle ist, ist das Projekt zu Ende“, erklärt Impacc-Gründer Till Wahnbaeck. „Wir arbeiten quasi wie ein klassischer Risikokapitalgeber: Wir machen aus Spenden Investitionen.“Aktuell hat Impacc rund ein Dutzend Firmen im Portfolio, die in ganz verschiedenen Branchen tätig sind, darunter etwa Landwirtschaft und Maschinenbau. „Als Investor sind wir branchenagnostisch“, sagt Till Wahnbaeck. „Das Kriterium für uns ist: Handelt es sich um Geschäftsmodelle, die in der Lage sind, Jobs zu schaffen und Menschen aus der Armut zu holen?“Landwirtschaft verändernÜblicherweise entscheidet Impacc selbst, an welchen Start-ups sich die gGmbH mit den Spendengeldern beteiligt. Im Fall Frosta war das etwas anders. Die Spenden des Unternehmens werden ausschließlich in Beteiligungen an einem konkreten Start-up umgewandelt: Irri-Hub mit Sitz in Nairobi bietet Kleinbauern eine solarbetriebene Tröpfchenbewässerung an, die mit Wasserauffangbecken kombiniert wird. Mehr als 90 Prozent der Felder in Afrika werden ausschließlich mit Niederschlag versorgt, müssten aber eigentlich zusätzlich bewässert werden, erläutert Wahnbaeck. Die typische Lösung, einen Brunnen zu bauen, führe häufig zur Absenkung des Grundwasserspiegels.Der Gründer von Irri-Hub, Eric Bosire, ist selbst Sohn eines Kleinbauern. „Er wusste: Wasser gibt es eigentlich genug, es kommt nur zur falschen Zeit und in falschen Mengen“, erzählt Wahnbaeck. Auf dieser Basis habe er ein Geschäftsmodell mit Regenwasserauffangbecken entwickelt. Die Bauern würden davon in verschiedener Hinsicht profitieren. „Dank Bewässerung kann man dafür sorgen, dass es nicht nur eine Zuckerrohrernte im Jahr gibt, sondern zwei oder drei“, sagt Till Wahnbaeck. Auch der profitable Anbau von sogenannten Cashcrops wie Erdbeeren werde dadurch möglich. Irri-Hub hat heute mehr als 20 feste Mitarbeiter und beschäftigt über 100 Agrar-Berater, Tendenz steigend.Ein Vorteil des Investitionsansatzes: Für die Messung der Wirksamkeit müsse man keine eigenen Metriken entwickeln, sondern man könne sich die üblichen Kriterien eines Risikokapitalgebers zunutze machen, betont Wahnbaeck. „Als Investoren sitzen wir meistens mit im Aufsichtsrat der Unternehmen und haben so vollen Zugriff auf die Zahlen wie Umsatz, Profitabilität, Cashflow, Jobs. Deshalb ist Wirkungsberichterstattung für uns vergleichsweise einfach und transparent.“ Diese Daten könnten auch Spender ab einer gewissen Summe über eine digitale Plattform abrufen.Info1961 gründete Dirk Ahlers die Frosta Handelsgesellschaft mbH und baute einen Tiefkühlkostbetrieb auf. Als einer der ersten Unternehmer in Deutschland setzte er auf Fischtrawler, die den Fisch direkt nach dem Fang auf hoher See schockfrosten konnten. 1997 ging Frosta an die Börse, wobei die Familie Ahlers immer noch die Mehrheit hält: 35 Prozent der Aktien sind im Streubesitz, den Rest hält die Familie, namentlich der heutige CEO Felix Ahlers, sein Vater Dirk und seine Schwester – ein recht kleines Gremium, in dem unkompliziert entschieden werden könne, sagt Felix Ahlers. Zugleich sei die Transparenz gegenüber den anderen Eigentümern sehr wichtig, daher gebe es etwa die klare Regel, dass 2 Prozent der Dividende gespendet werden. Felix Ahlers findet das Modell „genial“. Er ist in dieser Konstellation zwar Spender, denkt aber eigentlich wie ein engagierter Investor. „Von unserer Seite war es wichtig, dass wir ein Start-up aus einem Bereich finden, in dem wir uns auskennen und vielleicht auch über Geld hinaus helfen können. Wenn die Firma mal in den Export gehen will oder es um den Anbau einer neuen Sorte geht, können wir aus unserem eigenen Netzwerk Experten dazuholen.“ Das sei eine schöne zusätzliche Perspektive der Hilfe.Wird die Ausnahme die Regel?Ahlers wie Wahnbaeck sind hoffnungsvoll, dass es in Zukunft mehr von dieser Form des Engagements geben wird. Das scheint durchaus realistisch, denn diese Möglichkeit gibt es noch nicht lange. Bis zum März 2021 war es aufgrund des Gemeinnützigkeitsrechts in Deutschland nicht erlaubt, Spenden in Beteiligungen umzuwandeln. „Wir sind die erste Organisation, die das vom Finanzamt verbriefte Recht hat, aus Spenden Beteiligungen zu machen“, sagt Till Wahnbaeck. „In dem Moment, wo das Geld investiert ist, gilt es als verausgabt.“Wie bei jeder Form des Risikokapitals kann das Investment scheitern. Zugleich gilt: Wenn die Unternehmen erfolgreich genug werden, so dass sich Impacc als Investor zurückziehen kann und ausbezahlt wird, ist die gemeinnützige GmbH verpflichtet, das Geld erneut zu investieren – sehr zur Freude von Felix Ahlers und Till Wahnbaeck. „Wir haben gerade unseren ersten Exit unterschrieben, wir bekommen sogar mehr Geld zurück, als wir reingesteckt haben“, so Wahnbaeck. Das funktioniere natürlich nicht immer. „Aber wenn es ein-, zwei- oder fünfmal funktioniert, dann arbeitet das Geld wesentlich länger und effektiver, als wenn man es gleich zu Anfang für ein Projekt ausgegeben hätte.“InfoDie Impacc gGmbH wandelt Spenden in Beteiligungen an afrikanischen Start-ups um. Ziel ist es, lokale Gründer zu stärken und nachhaltige Jobs zu schaffen. Pro Investment fließen meist 100.000 bis 300.000 Euro, was in der Regel 5 bis 10 Prozent der Anteile entspricht. Das Team arbeitet von drei Standorten aus: einer festen Stelle in Deutschland, vier Mitarbeitenden in Kenia und einer weiteren in Äthiopien. Der Investmenthorizont für die Start-up-Beteiligungen liegt bei fünf bis zehn Jahren, anschließend verkauft Impacc seine Anteile meist an spätere Investoren oder über Management-Buy-outs. Gegründet wurde Impacc von Till Wahnbaeck, dem früheren Chef der Welthungerhilfe.

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