Träge und sperrig ist der Gesundheitssektor, für den das Familienunternehmen opta data Softwareanwendungen entwickelt. Die Geschäftsführer Mark Steinbach und Andreas Fischer trotzen den behäbigen Behörden und
treiben die Digitalisierung voran. Jeweils die Hälfte des Wachstums erzielen sie organisch und durch Zukäufe.

Am Anfang war die Lochkarte. Sie machte erstmals eine Automatisierung in der Datenverarbeitung möglich, die vorher zeitaufwendige Handarbeit war. Daraus machten auch zwei Unternehmer in Essen ein Geschäftsmodell. Nach ihrer Gründungsphase schnitten Karl-Heinz Windhaus und Peter Steinbach die Lochkartentechnik zunächst auf Optiker zu, im Anschluss auf weitere Berufsgruppen der Gesundheitsbranche. Das Ziel: den administrativen Prozess der Abrechnung zu vereinfachen.

Die Wachstumsgeschichte von opta data

Heute erinnert nichts mehr bei opta data an diese historische Technik. Besucher grüßt der neue Firmen-Campus am Rande des Essener Nordviertels mit einer Glasfront und hellen Büroräumen. Die Architektur symbolisiert den Weg des Unternehmens seit der Gründung 1970: immer größer, immer breiter, immer innovativer. Aus dem Abrechnungsdienstleister ist ein Softwareunternehmen geworden, mit digitalen Lösungen für 50 Berufsgruppen der Gesundheitsbranche: Hebammen verwalten mit opta-data-Software ihre Praxen digital; Kliniken nutzen Big Data, um Dienstpläne zu erstellen; Ergotherapeuten schicken elektronische Kostenvoranschläge an Patienten und Krankenkassen; Orthopädietechniker managen ihre Forderungen über ein digitales Inkassotool; Pflegedienste verwalten ihre Routen über eine ERP-Software. Bei Softwarelösungen für den Gesundheitssektor ist opta data nach eigenen Angaben Marktführer, ebenso bei digitaler Abrechnung. Mehr als 9 Milliarden Euro rechnen die Kunden jährlich über opta data ab, davon etwa 3 Milliarden über digitale Kanäle. Mit über 2.700 Mitarbeitern erwirtschaftet die Firmengruppe mehr als 200 Millionen Euro Jahresumsatz. Seit 2010 wuchs der Umsatz um 114 Prozent, jährlich kommen im Schnitt 27 Prozent neue Kunden hinzu.

„Mein Vater und seine Partner waren ihrer Zeit enorm voraus. Sie haben erkannt, wie wichtig Automatisierung und Digitalisierung für die Gesundheitsbranche werden würden – und haben sie entwickelt“, sagt Geschäftsführer Mark Steinbach. Damals wie heute seien alle Lösungen im Programm des Unternehmens eigene Entwicklungen. „Mit ihnen treffen wir nicht nur die Anforderungen unserer Kundengruppen. Wir entwickeln auch Lösungen für Probleme, die niemand im Digitalen suchen würde“, erklärt er. „Einen Schritt voraus“ ist das marketingwirksame Firmenmotto.

Die Familien der Gründer lenken weiterhin die Gruppe. 2005 übernahm Mark Steinbach die Mehrheitsgesellschafter-Anteile seines Vaters Peter und wurde Teil der Geschäftsführung. Zwei Söhne des zweiten Gründers Karl-Heinz Windhaus sind heute ebenfalls operativ dabei, einer leitet eine der Tochtergesellschaften. Partnerschaftlich mit Mark Steinbach leitet Andreas Fischer die opta-data-Gruppe. Er kam vor mehr als 30 Jahren als Systemanalytiker und Programmierer und war betraut mit der Milleniumsproblematik, als alle Computer auf eine Netzwerklösung umgestellt werden mussten. Im Anschluss wurde Fischer in die Geschäftsführung berufen. „Unsere Zusammenarbeit mit dem Gesellschafterkreis ist sehr eng und direkt. Wir sind schnell entscheidungsfähig und freuen uns über das nahezu bedingungslose Vertrauen für die Verfolgung unserer Strategie“, sagt Fischer.

Integration von fast 30 Tochterfirmen

Der Weg nach oben gelang der Unternehmensgruppe auch, weil zum Wachstum von innen das anorganische hinzukam. Schon 1977 gründete opta data die erste Tochtergesellschaft, inzwischen besteht die Unternehmensgruppe aus rund 30 Gesellschaften. Die ursprünglich eher zufällig getätigten Zukäufe lenkten Steinbach und Fischer in strategische Bahnen. Fast dauerhaft stehen die beiden Chefs im Kontakt mit Wettbewerbern. „Wenn diese Unternehmer akut eine Nachfolge suchen, sollen sie wissen, dass wir bereitstehen“, erklärt Andreas Fischer. „Und dass wir ihr Lebenswerk ohne Kahlschläge weiterführen werden.“

Niemand wisse besser als ein Familienunternehmen, wie wichtig Gründern die Zukunft ihres Unternehmens sei, sagt Elmar Jakob, Geschäftsführer des M&A-Beratungshauses Ipontix. Ihn haben Steinbach und Fischer 2008 ins Boot geholt, um noch breiter nach weiteren Gesellschaften für ihre Gruppe zu suchen. „Seit der Corona-Pandemie stehen wir in einem härteren Wettbewerb, da auch Private-Equity-Investoren erkannt haben, wie attraktiv innovative Unternehmen im Gesundheitssektor sind“, berichtet Jakob. Bei Übernahmegesprächen ist opta data immer seltener derjenige, der die höchste Summe bietet. Und doch entscheiden sich viele Inhaber für eine Zukunft ihres Betriebs unter dem Dach der Gruppe. „Am Beispiel unserer jetzigen Gesellschaften können wir beweisen, dass wir nicht nur auf Quartalszahlen schauen, sondern vor allem strategisch denken“, so Steinbach.

Am liebsten fügen die Geschäftsführer Unternehmen ihrer Gruppe hinzu, deren Management im Amt bleibt, wenigstens für einige Jahre. Denn sie kaufen nicht, um die Konkurrenz zu schwächen, sondern möchten weitere Berufsgruppen als Kunden erschließen und innovative Köpfe an sich binden. „Wir haben noch nie Leute entlassen im Zuge einer Übernahme. Der Fachkräftemangel ist auch bei Softwareingenieuren ausgeprägt. Wir sind daher froh um jeden, den wir haben, und investieren deshalb nachhaltig in die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter“, so Fischer. Die Integration neuer Tochterfirmen startet mit einem mehrtägigen Workshop. Für die weitere Betreuung gibt es eine eigene Abteilung: Deren Mitarbeiter begleiten die Integration eng, „aber ohne starre Vorgaben zu machen. Bewährte und gut funktionierende Unternehmensstrukturen wollen wir nicht antasten“, so Steinbach. Nur selten verstärken sie das Management der Firmen, indem jemand aus der Muttergesellschaft entsandt wird.

Mit den Kunden steht opta data ebenso eng im Gespräch wie mit potentiellen Übernahmekandidaten. „Um weiterhin organisch wachsen zu können, müssen wir immer wissen, wo unsere Kunden Probleme haben, und Ideen entwickeln, wie wir sie lösen können“, erklärt Steinbach. Manchmal entstehen dadurch komplett neue Geschäftsmodelle: So berichteten Pflegedienste und Physiotherapeuten häufig, wie langwierig die Abrechnung mit den gesetzlichen
Krankenkassen sei. Die Zahlungsziele von bis zu 120 Tagen reizten diese regelmäßig aus, dadurch gerieten die Therapeuten ebenfalls in Zahlungsrückstände gegenüber ihren Lieferanten, eine verlässliche Liquiditätsplanung sei kaum möglich. Steinbach und Fischer entwickelten daraufhin eine Zwischenfinanzierung für ihre Kunden. Über eine App können Erbringer von Gesundheitsleistungen nun flexibel einen Kredit bei opta data anfordern, mit dem sie Abrechnungsfristen mit den Krankenkassen überbrücken und die eigene Liquidität verlässlicher planen können. „Das Angebot wird sehr rege genutzt“, freut sich Fischer.

Netzwerk in die Politik

Auch in Zukunft möchten die beiden Geschäftsführer das Unternehmenswachstum jeweils zur Hälfte organisch und anorganisch erarbeiten. Potential dafür sei ausreichend vorhanden. „Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels bleibt das deutsche Gesundheitswesen ein absoluter Wachstumsmarkt“, sagt Steinbach. Das sehe auch die Politik so, die die Einführung einer sogenannten Telematikinfrastruktur plant. Dadurch würden künftig Anwendungspunkte für digitale Lösungen entstehen. „Darauf sind wir gut vorbereitet und haben schon jetzt passende und zukunftsweisende Lösungen in der Schublade.“ Aktuell hinkt die Digitalisierung des Gesundheitssystems ihren Möglichkeiten aber stark hinterher; die Pläne zur elektronischen Patientenakte setzt die Politik nicht um. Auch die Kostenträger sind nicht für ihre Dynamik bekannt.

Um die Entwicklung voranzutreiben, steht opta data in ständigem Kontakt mit den beteiligten Stellen, etwa dem Bundesgesundheitsministerium. Einen eigenen kleinen Unternehmensbereich haben Steinbach und Fischer dafür eingerichtet, dessen Mitarbeiter in der Gesundheitspolitik netzwerken und dafür werben, was in der Branche nötig und möglich ist. Auch innerhalb des Unternehmens verlassen sich die beiden nicht auf Zufälle. Sie haben eigens einen Zukunftsforscher engagiert, um strategisch Themen zu identifizieren, die künftig für die Gesundheitsbranche und im Arbeitsmarkt relevant werden. Unter anderem mit der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien gab opta data in den vergangenen Jahren Studien in Auftrag, etwa zum Pflegenotstand, und entwickelt Ideen, wie er gelöst werden kann. „Es entspricht nicht unserem Naturell, abzuwarten, was passiert. Wir gestalten aktiv die Zukunft“, sagt Steinbach

 

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