In Unternehmerfamilien wird immer wieder einmal über den Verkauf des Unternehmens nachgedacht. Das mag Probleme lösen, schafft aber auch neue: Es kann weitaus komplizierter und schwieriger sein, liquides Vermögen über Generationen zu erhalten, als ein mittelständisches Unternehmen zu führen.

Immer wieder gibt es Gesellschafter in Unternehmerfamilien, die die mangelnde Liquidität ihres im Unternehmen gebundenen Vermögens bemängeln und einen Verkauf des Unternehmens fordern. Gleichzeitig wollen sie das Vermögen jedoch für die nächste Generation erhalten. Den wenigsten ist dabei klar, dass die Verwaltung und die Anlage eines großen Finanzvermögens höchst anspruchsvolle Aufgaben sind und dass es äußerst schwierig ist, mit der reinen Vermögensverwaltung ähnliche Ergebnisse zu erzielen, wie sie langfristig durch das Belassen des Vermögens im Unternehmen erreicht werden. Ein Rechenbeispiel: Wir gehen von der optimistischen Annahme aus, dass eine Unternehmerfamilie mit der Vermögensanlage längerfristig im Durchschnitt eine Rendite von 6 bis 7 Prozent erzielen kann. Damit kann – bei bescheidenen Entnahmen – das Vermögen erhalten bleiben, es kann aber kein Wachstum erreicht werden wie dies jedes lebensfähige Unternehmen erzielen kann.

Ein junger Vermögender, der gerade einige Jahre guter Konjunkturentwicklung ausnutzen konnte, glaubt vielleicht, dass es ihm – aber nur ihm – gelingen könnte, nachhaltig zweistellige Renditen an der Börse oder durch „smarte“ Investments zu erzielen. Dabei unterschätzt er grundsätzlich, dass der Markt höhere Renditen nur bei höherem Risiko zulässt. Und selbst wenn es solche hochrentablen Anlagemöglichkeiten gäbe, würden die zwischen dem originären Anlageobjekt und dem Investor tätigen intermediären Institutionen die Superrendite für sich abschöpfen. So benötigen etwa Private-Equity-Fonds bei der Anlage ihrer Mittel schon deshalb eine Bruttorendite von über 20 Prozent, weil die intermediär Beteiligten gut ein Drittel für ihre Leistung beanspruchen.

Der Steuern fordernde Staat

Eine große Gefahr für den Erhalt des Vermögens ist die Besteuerung, und zwar aller nominalen Erträge einschließlich der inflationsbedingten „Scheingewinne“. Das ist vielen Vermögenden und auch den meisten Politikern nicht in ihrer vollen Brutalität bewusst. Setzen wir eine Nominalrendite von 7 Prozent an, so beträgt die Einkommensteuer bei einer weltweit durchschnittlichen Steuerquote von 30 Prozent rund 2 Prozent des Vermögenswerts. Höher darf die Steuerquote nicht sein, da sonst ein Vermögenserhalt unmöglich würde. Damit das Vermögen real in seiner Ertragskraft erhalten bleibt, muss die Ertragskraft des Investments mit der Inflationsrate steigen.

Dies gilt für Investitionen in Vermögensgüter, deren Cashflow tendenziell mit der Inflationsrate steigt, also z.B. für Unternehmensbeteiligungen und Immobilien. Hier können die Erträge weitgehend als reale Erträge verbucht werden. In einem langfristig orientierten Vermögensmanagement muss von den nominalen Erträgen immer ein Betrag in Höhe der Inflationsrate thesauriert und dem Anlagestock hinzugefügt werden. Ein bestehender Vermögensstock muss bei einer Inflation von 3 Prozent per annum also in etwa 23 Jahren nominal verdoppelt werden, um die gleiche reale Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Substanzverlust durch realisierte Risiken

Die größte Gefahr für den Vermögenserhalt ergibt sich nicht aus unterdurchschnittlichen Erträgen, sondern aus der Reduzierung des Vermögensstocks durch realisierte Risiken (z.B. ökonomische, politische oder ökologische Risiken). Dies hat eine doppelt negative Wirkung. Zum einen führt ein gleichbleibender Renditesatz bei einem reduzierten Vermögensstock zu einer reduzierten Ergebnissumme, zum anderen muss aus den laufenden Erträgen eine Rücklage gebildet werden, um den Vermögensstock wieder auf die alte Höhe zu bringen. Die schon für den Inflationsausgleich erforderliche „Leistungserhaltungsrücklage“ ist auch für diese Verluste aufzufüllen.

Der einzelne Investor verfügt für die realistische Einschätzung solcher Risiken nur über sehr begrenzte Möglichkeiten und Erfahrungswerte. Die Erforschung des menschlichen Entscheidungsverhaltens zeigt typische Beschränkungen auf, denen wir alle durch unsere psychische Konstitution mehr oder minder deutlich unterliegen. Das prozyklische Verhalten im Crash an der Börse ist eine dieser bekannten Erscheinungen. Eine besonders gravierende Beschränkung für die menschliche Urteilsfähigkeit ist die vergleichsweise kurze Lebensspanne als Erwachsener. So hat ein heute 40-jähriger Europäer keine Erfahrung mit Krieg, Umstürzen, Enteignungen, Deflation, galoppierender Inflation und Versorgungsengpässen.

Wenn man sich die zahlreichen Möglichkeiten eines Vermögensverlusts vergegenwärtigt, so ist es naheliegend, davon auszugehen, dass über die Dauer von ein oder zwei Generationen eines oder mehrere dieser Risiken eintreten. Tatsächlich wurden in der Vergangenheit ganze Bereiche von Vermögensanlagen vernichtet oder zumindest gravierend geschmälert. Daher braucht man in der Vermögensverwaltung den Rat von Beratern, die gewohnt sind, in sehr langen Zeiträumen zu denken. Privatbankiers rühmen sich dieser Tugend wohl mit gewissem Recht.

Ein weiteres substantielles Risiko für den Vermögenserhalt stellt die Erbschaftsteuer dar, die bei großen Vermögen bis zu 30 Prozent ausmachen kann und die aus versteuertem Einkommen oder aus der Veräußerung von Teilen des Vermögens zu leisten ist. Zwar werden alle zehn Jahre Freibeträge zugestanden, die sind aber im Hinblick auf große Vermögen eher belanglos. Die Schlussfolgerung ist einfach: Wenn ein Vermögen erbschaftsteuerpflichtig ist, ist es ausgeschlossen, dieses über die Generationen erhalten zu können. Für den Vermögenserhalt muss ein großer Teil in steuerbefreiten Anlagen – wie eben einem Familienunternehmen – oder in weitgehend befreiten Anlagen wie Land- und Forstvermögen investiert sein.

Generationenübergang und Erbschaftsteuer

Zusammenfassend können wir feststellen, dass die reale Ertragskraft über die Generationenfolge erhalten bleibt, wenn der Vermögensstock durch Rücklagen aus den laufenden Erträgen so erhöht wird, dass die Verluste aus Inflation, aperiodischen und außerordentlichen Substanzverlusten sowie der Erbschaftsteuer ausgeglichen werden. Im Rechnungswesen von Stiftungen nennt man dies die „Leistungserhaltungsrücklage“.

Zu den Steuern kommen – für große Vermögen nicht vermeidbare – Verwaltungskosten für das Vermögensmanagement, die Buchführung, die Steuerberatung, die Rechtsberatung und weitere verwandte Dienstleistungen hinzu. Als Faustregel gilt, dass die Kosten für diese Dienstleistungen nicht mehr als 1 Prozent des Vermögens betragen dürfen. Es dürfte aber auch schwierig sein, diese Dienstleistungen für viel weniger als 1 Prozent qualifiziert zu erhalten. Die Kosten für eine gute Vermögensverwaltung eines großen Vermögens bei einer darauf spezialisierten Bank sollten zwar deutlich unter Prozent liegen. Jedoch kommen dann noch Steuerberatungskosten und Kosten für juristische Beratung hinzu. Insgesamt kommt man dann auf 1 Prozent. Kritisch zu hinterfragen ist, ob sich die Kosten eines eigenen Family Office gegenüber einer einfachen Vermögensverwaltung bei einer Bank lohnen. Für „mittlere“ Vermögen fällt hier auch noch einmal knapp 1 Prozent an.

Die Beispielrechnung in nebenstehender Abbildung lässt sich innerhalb plausibler Grenzen dem Einzelfall anpassen. Letztlich wird man jedoch immer wieder zum gleichen Ergebnis kommen: Selbst wenn die Realrendite aller Anlagen 4 bis 5 Prozent über der Inflationsrate liegt, ist ein Vermögenserhalt bei Finanzanlagen nicht möglich, wenn

  • normale Einkommensteuer anfällt und
  • normale Erbschaftsteuer zu zahlen ist und
  • mehr als 1 Prozent verzehrt wird und
  • mehr als 1 Prozent Kosten für die Vermögensverwaltung einschließlich Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung, Finanzberatung usw. anfallen und
  • (durch welche Ereignisse auch immer) in einer Generation mehr als ein Zehntel des Vermögens „entwertet“ wird.

Grundsätzlich kann man nicht davon ausgehen, ein Ziel zuverlässig zu erreichen, wenn dafür mehrere Voraussetzungen eingehalten werden müssen: Man kann hoffen, dass es klappt, darf aber nicht damit rechnen. Wenn das so ist, dann braucht man für den Erhalt des Vermögensbestands eine laufende Ertragsquelle, Berufseinkommen oder Dividenden aus einem Unternehmen, um eine der nicht eingehaltenen Bedingungen ausgleichen zu können. Aus der laufenden Ertragsquelle können z.B. ein höherer Verzehr für den Lebensunterhalt beglichen oder außerordentliche Verluste im Vermögensbestand wieder kompensiert werden.

Wenn man weniger als 1 Prozent des Vermögens verbrauchen kann, um den Vermögensbestand nicht zu gefährden, dann ist klar, dass man ein Vermögen von 10 Millionen Euro braucht, um 100.000 Euro verbrauchen zu können. Allerdings wächst dieses Vermögen nicht. Ein Industrieunternehmen mit ca. 20 Millionen Euro Umsatz dürfte bei normalen Renditerelationen einen ähnlichen Vermögenswert darstellen. Es sollte ebenfalls einen Ausschüttungsbetrag von 100.000 Euro ermöglichen. Der Vorteil der Beteiligung am Unternehmen ist allerdings viel größer, denn dieses Unternehmen kann und sollte langfristig wachsen. Bevor eine Unternehmerfamilie also über einen Verkauf nachdenkt, sollte sie sich darüber im Klaren sein, dass sie das Vermögen nur dann erhalten kann, wenn sie es wiederum in neue, direkte und unternehmerische Beteiligungen investiert.

Prof. Dr. Hermut Kormann ist als Honorarprofessor an der Universität Leipzig und an der Zeppelin University Friedrichshafen in der Forschung und Lehre zu Familienunternehmen engagiert. Er war zwei Jahrzehnte als Nichtfamilienmitglied in der Führung des Heidenheimer Familienunternehmens Voith tätig. Er hat Mandate in verschiedenen Aufsichtsgremien und berät Unternehmerfamilien. Das angeführte Rechenbeispiel ist ein Auszug aus seinem jetzt bei Springer erschienenen Buch „Zusammenhalt der Unternehmerfamilie – Verträge, Vermögensmanagement, Kommunikation“.

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