„Zählt eine Windkraftanlage als Impact-Investment?“, fragt Bernard Jan Wendeln, Gründer und heute Beirat des Kapitalgebers BonVenture. Jeder solle nach seinem eigenen gesunden Menschenverstand entscheiden, was er oder sie für sozial und ökologisch hält. Dieser Meinung ist auch Bert Bleicher, der über sein Family Office etwa 10 Prozent seines Gesamtvermögens in Impact-Start-ups investiert. Für ihn bedeutet Impact-Investing, dass er mit seiner Unterstützung eines Start-ups dazu beitragen kann, das Leben anderer Menschen zu verbessern. „Ein Investment in eine Medizintechnikfirma zählt für mich genauso dazu wie mein Investment in Auticon“, sagt er. Der Berliner IT-Dienstleister Auticon vermittelt Menschen mit Autismus als IT-Consultants.
Adrian Fuchs, der über Impact-Investing promoviert hat, zieht dagegen engere Grenzen: „Die Gründeridee sollte ein bestehendes soziales oder ökologisches Problem unternehmerisch und eben nicht spendenbasiert lösen“, sagt Fuchs, Vertreter der neunten Generationen eines großen Familienunternehmens und verantwortlich für Transaktionen bei der Finanzierungsagentur für Social Entrepreneurship (FASE), die Sozialunternehmer und Investoren berät und auch zusammenführt.
Die Definitionen über das, was Social Impact-Investing genau ist oder beinhaltet, sind vielfältig. Fakt ist, Impact-Investing ist ein wachsendes Feld. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung und der OECD hat kürzlich festgestellt, dass das Volumen dieses Marktes mittlerweile weltweit 288 Milliarden US-Dollar beträgt. Das ist viel mehr als die 184 Milliarden US-Dollar, die die öffentliche Hand für die Entwicklungsarbeit ausgibt. Im Mainstream angekommen ist das soziale Investieren allerdings noch nicht. „In Deutschland wird beim Thema Impact-Investments noch mehr geredet als investiert“, sagt Wendeln. Der Markt entwickle sich zwar seit zwei Jahrzehnten, aber einem Vergleich zu den angelsächsischen Ländern, in denen soziale Investments schon lange etabliert seien, halte Deutschland lange nicht stand.

Foto: FASE
Johannes Weber, Gründer von Ananda Impact Ventures, sieht in Europa England und Frankreich mit gutem Beispiel vorangehen. Auf der Insel würden „dormant bank accounts“ (private Bankkonten, die über einen gewissen Zeitraum – oft 15 Jahre – inaktiv sind) genutzt, um Start-ups über Intermediäre zu finanzieren. In Frankreich müssten Pensionsfonds einen Teil in nachhaltige Assets anlegen, sagt er.
Dabei besteht in Deutschland sehr wohl Handlungsbedarf: „Die Kluft auf dem Arbeitsmarkt birgt Zündstoff für unsere Gesellschaft. Denn es geht hier um Chancengerechtigkeit auf der einen und Fachkräftemangel auf der anderen Seite – ein Feld, auf dem Impact-Investoren gebraucht werden“, sagt Fuchs. Deshalb berät FASE zum Beispiel ein Start-up, das hilft, Schüler und Azubis an Unternehmen zu vermitteln. Eine junge Firma, die zum Beispiel über eine digitale Handelsplattform höherwertige Kleidung aus Bio-Textilien verkauft, würde aber keine Unterstützung von FASE erhalten. Ebenso wenig eine Plattform für vegane Ernährung. „Diese Art von Start-ups bedient zwar die Bedürfnisse einer grünen und kauffreudigen Kundengruppe, aber packt das gesellschaftliche oder ökologische Problem oft nicht an der Wurzel“, erklärt Fuchs.
Exit und Rendite
Bei aller sozialen Wirkung, die ein Impact-Start-up entfalten soll, steht für Investoren aber die Rendite genauso im Fokus. „Das Geschäft muss skalierbar sein, die Möglichkeit eines Exits gegeben sein“, erklärt Bleicher seine Investitionskriterien. Und: Das Drei- bis Vierfache seines Investments möchte er mit einem Exit erzielen.

Foto: Ananda Impact Ventures
Auch bei BonVenture liegt die Rendite im oberen einstelligen Bereich. Das Haus hat mittlerweile seinen vierten Fonds aufgesetzt; Zielgröße ist ein Fondsvolumen von 50 Millionen Euro. Investiert wird in ungefähr 15 bis 20 Firmen. Risikostreuung betreibt der Fonds, indem er auf verschiedene Bereiche setzt. Um nach einem Investment die Wirtschaftlichkeit der Start-ups zu verbessern, arbeitet BonVenture eng mit dem Management zusammen. „Wir wollen zum Beispiel ein Vetorecht im Beirat und die Managementstrukturen mitbestimmen“, sagt Wendeln. Meist beginnt die Professionalisierung bei der Strategieplanung, ein weiterer Verbesserungspunkt ist zudem das Reporting.
Hin und wieder greift BonVenture beim Marketing, bei der Netzwerkerweiterung oder der Kundenakquise auf das Wissen der im Fonds investierten Unternehmer oder Family Offices zurück. Bei Ananda, dessen Partner auch oft Unternehmer sind, kam es zudem schon vor, dass die Unterstützung der im Fonds investierten Player über operative Hilfestellungen hinausging. „Bei einem Unternehmen wurde eine kurzfristige Working-Capital-Finanzierung nötig, die wir als Fonds eigentlich nicht liefern. Da ist ein Family Office unkompliziert eingesprungen“, erinnert sich Weber.
Gründer eng begleiten

Foto: BonVenture
Trennungsschmerz
Wenn sich ein Start-up wirtschaftlich nicht so entwickelt wie erwartet, handelt BonVenture ebenfalls konsequent. „Diese Firmen müssen in der Folge auf Spender oder Stiftungen zugehen, um sich zu finanzieren“, sagt Wendeln klar. Eine Form der Finanzierung, die auch von vielen Gründern gesucht wird. Manchmal kommt es sogar vor, dass Gründerteams, die einen Investor gefunden haben, einen Rückzieher machen. „Das Start-up hat sich dann doch für die Unterstützung einer Stiftung entschieden, um keine Anteile und Mitsprache abzugeben“, berichtet Fuchs von einem Fall. Entfernt sich ein Start-up hingegen vom sozialen Nutzen, zieht BonVenture die Reißleine. So beispielsweise bei einem TV-Sender für Arbeitssuchende, der sich zu einem Softwarehersteller für Bewegtbilder entwickelte. „Das passte für uns nicht mehr zu unserer Definition von sozialem Nutzen. Wir haben den Exit eingeleitet“, erläutert Wendeln.

Foto: Alluti GmbH
Unternehmer wie Bert Bleicher sind Botschafter für Impact-Investing. Seine Erfahrung und seine Bilanz bislang: „Von meinen zehn Beteiligungen ist eine insolvent gegangen, zwei laufen richtig gut, und die anderen brauchen noch ein wenig Zeit“, sagt er. Und fügt hinzu: „Ich bin zufrieden.“