Die Übergabe scheint geglückt: Ein Nachfolger wurde auserkoren, der Vorgänger ist ins Aufsichtsgremium weitergezogen. Nun könnte der Nachfolger neue Akzente setzen und Innovationen einführen. Eine neue Studie mit Blick auf die Schweiz zeigt: Das ist oft nicht der Fall. Warum?

Für familiär geprägte Klein- und Mittelunternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern sind Innovationen von hoher Bedeutung: Nur so können sie langfristig überleben, sich am Markt gegenüber anderen Mitbewerbern durchsetzen und damit einen Wettbewerbsvorteil erzielen. Die Unternehmensnachfolge wird häufig als Innovationschance für das Unternehmen angesehen. Der Nachfolger kann neue Impulse und Wissen in das Unternehmen einbringen, ist offen für Neues und weist oft ein anderes Risikoverhalten auf als der Vorgänger.

Allerdings: In der bestehenden Literatur wird der Einfluss des vorherigen Geschäftsführers auf die Innovationskraft des Unternehmens nach einer Unternehmensnachfolge vernachlässigt. Welche Rolle spielt der ehemalige Chef, das heißt der Übergeber, für die Unternehmensnachfolge und das damit verbundene Potential für Innovationen des Unternehmens? Das ist die Kernfrage der Studie „When the Former CEO Stays on Board: The Role of the Predecessor’s Board Retention for Product Innovation in Family Firms“*, in der wir mehr als 200 familiär geprägte Klein- und Mittelunternehmen in der Schweiz untersucht haben.

Mentor oder Bremsklotz?

Oft wird der ehemalige Geschäftsführer als Mentor angesehen, der sein jahrelanges Wissen und seine Erfahrungen über das Unternehmen und die Industrie an seinen Nachfolger weitergeben kann und so den Nachfolger bei der Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen unterstützen kann. Doch ist das wirklich so?

Die vorliegende Studie zeigt: Nein, ist es nicht. Im Gegenteil: Wenn der ehemalige Chef weiterhin Einfluss auf die Geschäftsprozesse ausüben kann – in der Form eines Verwaltungsratsmandats in der Schweiz, ähnlich dem Aufsichtsratsmandat in Deutschland –, dann wirkt sich das hinderlich auf Innovationen im Unternehmen aus. Im Durchschnitt bleibt der ehemalige Geschäftsführer nach erfolgter Übergabe elf Monate im Verwaltungsrat. Bleibt der ehemalige Geschäftsführer dagegen weitere 11,5 Monate im Verwaltungsrat, sinkt die Innovationskraft des Unternehmens um 25,9 Prozent.

Prof. Dr. Miriam Bird ist Professorin für Entrepreneurship und Family Enterprise an der TUM School of Management und Direktorin am Global Center for Family Enterprise am TUM Campus Heilbronn.

Foto: Franz Pflügl

Der Grund dafür ist, dass der ehemalige Geschäftsführer oft an Altbewährten festhält und sein „Erbe“ möglichst unversehrt erhalten möchte. Wenn der ehemalige Geschäftsführer weiter in Gremien tätig ist, dann ist der Nachfolger in seiner Entscheidungsfreiheit stark gehemmt, da er stets dem früheren Geschäftsführer Rechenschaft über seine Pläne abgeben muss. Dieser negative Einfluss verstärkt sich, wenn der ehemalige Geschäftsführer seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin selbst auswählt. In rund 46,3 Prozent der untersuchten Fälle hatte der Übergeber keinen Einfluss auf die Nachfolgerauswahl, in 24,4 Prozent war der ehemalige Chef zusammen mit dem Aufsichtsrat für die Nachfolgerauswahl zuständig, und in 29,3 Prozent aller Fälle war der ehemalige Chef allein für die Auswahl des Nachfolgers zuständig. Ist der Geschäftsführer allein für die Nachfolgerauswahl zuständig und bleibt er um 11,5 Monate länger im Verwaltungsrat als im Durchschnitt, dann sinkt die Innovationskraft des Unternehmens um 60,8 Prozent.

Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass Personen dazu tendieren, Menschen als Nachfolger auszuwählen, die ihnen sehr ähnlich sind und die daher den Status quo im Unternehmen aufrechterhalten. Der Nachfolger fühlt sich in dem Fall auch dem Vorgänger zu Dank verpflichtet und wird deshalb von der Einführung von neuen Produkten und Dienstleistungen eher Abstand nehmen.

Vertrauen schafft Spielraum

Die Studie untersucht außerdem, ob die Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie oder außerhalb der Familie, also an einen familienexternen Nachfolger stattfindet. Im Durchschnitt bestand in rund 42,9 Prozent der untersuchten Unternehmen eine familiäre Beziehung zwischen Vorgänger und Nachfolger. Im Fall von familieninterner Unternehmensnachfolge schwächt sich der negative Einfluss beim Verbleib des vorherigen Geschäftsführers in Gremien auf Produktinnovationen deutlich ab. Bei einem im Vergleich zum Durchschnitt um 11,5 Monate längeren Verbleib des ehemaligen Geschäftsführers im Verwaltungsrat sinkt die Innovationskraft im Fall einer familienexternen Nachfolge um 39,9 Prozent, während sie sich im Fall einer familieninternen Nachfolge nur um 8,8 Prozent verringert. Der eigenen Familie vertraut man mehr als familienexternen Nachfolgern, und so gewährt man dem familieninternen Nachfolger mehr Entscheidungsfreiheit in der Einführung von Innovationen. Generell gilt, je länger der Vorgänger in Aufsichtsgremien verbleibt, desto stärker wirkt sich der negative Einfluss auf Produktinnovationen aus.

Den Einfluss des Alten zügeln

Folgende Praxisimplikationen ergeben sich für den familiär geprägten Mittelstand aus der Studie: Im Rahmen der Unternehmensnachfolge sollen Familienunternehmen beachten, dass der ehemalige Geschäftsführer, sofern er weiterhin Einfluss auf Geschäftsprozesse ausüben kann, bei der Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen hinderlich sein kann und Veränderungen gegenüber oft negativ eingestellt ist. Umso wichtiger ist es, dem Nachfolger Entscheidungsfreiraum einzuräumen und zugleich die Aufgaben des Vorgängers transparent und klar zu definieren – graue Eminenzen wirken sich meist negativ auf Innovationen nach erfolgter Unternehmensnachfolge aus. Auch sollten Familienunternehmen vermeiden, dass der Vorgänger allein seinen Nachfolger bestimmt, und Governance-Mechanismen einführen, die sicherstellen, dass ein geeigneter – innovationsfreudiger – Nachfolger gefunden wird.

Im Fall von familieninterner Nachfolge bleibt festzuhalten, dass der vorherige Geschäftsführer dem Nachfolger mehr Entscheidungsfreiheit gewährt als einem familienexternen Nachfolger. Allerdings ist die Nachfolge durch ein Familienmitglied nicht immer eine Option. Umso wichtiger ist es, eine Vertrauensbasis zwischen Vorgänger und Nachfolger zu schaffen – und den Einfluss des Vorgängers zu reduzieren, insbesondere bei einer familienexternen Nachfolgelösung.

* Die Studie der Universität St. Gallen in Kooperation mit der WHU – Otto Beisheim School of Management ist im „Journal of Product Innovation Management“ (Ausgabe 37-2, S. 184–207) publiziert und ein Gemeinschaftsprojekt von Prof. Dr. Miriam Bird und ihren Ko-Autorinnen von der WHU: Prof. Dr. Nadine Kammerlander, Stephanie Querbach und Jun.-Prof. Priscilla Kraft. 

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