Donatus Landgraf von Hessen soll gemäß Stiftungssatzung das kulturelle Erbe seiner Familie bewahren und pflegen, gleichzeitig will er aus den Wirtschaftsbetrieben der Familienstiftung eine moderne und profitable Unternehmensgruppe schaffen. Keine leichte Aufgabe.

„Friderici Memorale“ steht in Stein gemeißelt über dem Eingangsportal des altehrwürdigen Schlosshotels Kronberg, das auf einem Hügel über dem gleichnamigen Städtchen im Vordertaunus bei Frankfurt am Main thront. Wer es sich leisten kann, in dem Fünf-Sterne-Hotel abzusteigen, darf sich wie ein König fühlen. Das Erdgeschoss und das erste Stockwerk des im spätgotischen Tudorstil erbauten Schlosses haben die beiden Weltkriege sowie einen Brand, der 1969 im Dachgeschoss wütete, weitgehend unbeschadet überstanden. Die meisten der kostbaren Möbel, Gemälde und Teppiche stammen noch aus dem Besitz von Kaiserin Victoria, die Schloss Friedrichshof Ende des 19. Jahrhunderts zu Ehren ihres verstorbenen Gemahls Kaiser Friedrich III. errichten ließ. 200 Meter Luftlinie entfernt liegt der Verwaltungssitz der Hessischen Hausstiftung, die Eigentümerin des Schlosshotels Kronberg und der dazugehörigen Parkanlagen ist. Auch das Grandhotel Hessischer Hof in Frankfurt am Main, das Weingut Prinz von Hessen im Rheingau, das Gut Panker einschließlich des Hotel- Restaurants Ole Liese und des Trakehner-Gestüts sowie land- und forstwirtschaftlicher Besitz in Schleswig-Holstein zählen zum Vermögen der Familienstiftung des Hauses Hessen. Alles in allem ein für Adelsfamilien nicht untypisches Sammelsurium aus Unternehmen, die für die kommenden Generationen erhalten werden müssen. Keine leichte Aufgabe, wie Heinrich Donatus von Hessen ohne Umschweife zugibt. Der 53-Jährige ist seit dem Jahr 2013 Chef des Hauses Hessen und zeichnet als Vorstandsvorsitzender der Hessischen Hausstiftung verantwortlich für das Familienvermögen.

Stiftungsgründung aus der Not heraus

Donatus Landgraf von Hessen

Foto: Hessische Hausstiftung

Bereits 1928 hatte sein Urgroßvater um einer Verstaatlichung und der Zersplitterung des fürstlichen Privatbesitzes durch Erbgänge in der Weimarer Republik zu entgehen, die Besitztümer in eine Familienstiftung, die Kurhessische Hausstiftung (heute: Hessische Hausstiftung) eingebracht. Jahrzehntelang blieben so die Immobilien, der Grundbesitz und die Kunstschätze des Hauses Hessen vor dem Zugriff der Familie und des Staates geschützt, bis 2014 die Erbersatzsteuer erneut fällig wurde. Da die Familie Hessen den Betrag nicht ohne weiteres aufbringen konnte, ohne den wesentlichen Satzungszweck ihrer Stiftung zu gefährden, entschloss sie sich für einen ungewöhnlichen Schritt: Sie übertrug einen Großteil des zu versteuernden Vermögens in eine eigens gegründete gemeinnützige Stiftung. Die Wirtschaftsbetriebe, die steuerlich verschont wurden, verblieben in der Hessischen Hausstiftung.

Eine schwerwiegende Entscheidung für das Haus Hessen, das sich damit auf einen Schlag von einem Großteil seines Erbes trennte. Natürlich habe es im Vorfeld viele Diskussionen in der Familie gegeben, erklärt Landgraf von Hessen: „Wir haben eine funktionierende Stiftung auseinandergerissen und in zwei Stiftungen mit fast identischen Stiftungszwecken aufgeteilt.“ Dennoch sei es die richtige Entscheidung gewesen, da ist er sich sicher. „Ohne die Aufteilung des Vermögens hätte die Familie die Erbersatzsteuer zwar bezahlen, aber nicht mehr dem Stiftungszweck nachkommen können“, erklärt er weiter. Ziel beider Stiftungen ist die Erhaltung und Pflege des kulturellen Erbes des Hauses Hessen. Eine Aufgabe, der sich traditionsgemäß der männliche Erstgeborene des Hauses Hessen stellen muss.

Über die Größe des Stiftungsvermögens der 2012 gegründeten „Kulturstiftung des Hauses Hessen“ schweigt von Hessen. Lediglich dass das Vermögen sehr groß sei, lässt er sich entlocken. Neben Kulturdenkmälern, darunter das Barockschloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda, umfasst die Kulturstiftung auch den Großteil der Kunstgegenstände des Hauses Hessen-Kassel. Einen seiner berühmtesten Schätze, die „Holbein-Madonna“, verkaufte das Haus Hessen allerdings im Zuge der Stiftungsgründung, „um die neue Struktur darstellen zu können“, wie der Chef des Hauses vage ausführt. Auch dieser Schritt kostete die Familie viel Überwindung und sorgte für Aufruhr unter den Kulturpolitikern in Hessen, die das berühmte Gemälde unbedingt innerhalb ihrer Landesgrenzen behalten wollten. Schließlich floss ein Großteil des Verkaufserlöses in die Kulturstiftung, und die „Darmstädter Madonna“ wechselte in die Sammlung des Unternehmers und Kunstsammlers Reinhold Würth.

Neuheit im Stiftungsrecht

„Mit der Entreicherung der Familienstiftung haben wir Rechtsgeschichte geschrieben. So etwas gab es zuvor im Stiftungsrecht nicht“, sagt Landgraf Donatus, der auch Vorstandsvorsitzender der Kulturstiftung ist, nicht ohne Stolz. Doch der Abzug des Vermögens aus der Familienstiftung blieb nicht ohne Folgen. „Alle Vermögenswerte, die wenig Kopfschmerzen bereiten, liegen nun in der gemeinnützigen Stiftung“, führt er weiter aus. Gemeint damit sind vor allem die Immobilien, die zum Verwaltungsvermögen zählen und regelmäßig Ertrag abwerfen.

Rund 80 denkmalgeschützte Immobilien, davon vier Schlösser einschließlich der dazugehörigen Parks, muss Familienoberhaupt Heinrich Donatus von Hessen erhalten und pflegen. Dass die Stiftungen ihren kulturellen Verpflichtungen nachkommen, darüber wachen das Fideikommißgericht in Kassel und das Regierungspräsidium in Darmstadt. „Das alles zu erhalten ist eine große Aufgabe. Wir haben diese vielen schönen Objekte, und die Stiftungen haben einen großen ideellen und identitätsstiftenden Wert für unsere Familie“, sagt er. Doch die stetig wachsenden Auflagen und Gesetze sowie der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern erschweren das Geschäft in der Hotellerie und der Landwirtschaft erheblich. Die Erträge sind im Verhältnis zur Aufgabe gering.

Das soll sich nach dem Willen des Landgrafen ändern. Während Donatus von Hessens Vater Moritz, dessen Herz vor allem für die Kunst und die Gartenarchitektur schlug, die Verwaltung der Güter im Wesentlichen seinen Direktoren überließ, sieht sich Donatus von Hessen als aktiver Unternehmer und möchte das ihm anvertraute Erbe weiterentwickeln. Vor allem die Hotels, der umsatzstärkste Bereich des Unternehmensportfolios, fordern die Aufmerksamkeit des Diplom-Kaufmanns. Der Hotelmarkt ist hart umkämpft, und die Instandhaltungskosten sind hoch. Dennoch hat sich das Haus Hessen dafür entschieden, in der Hotellerie zu bleiben und sein Engagement sogar noch auszubauen.

Heinrich Donatus von Hessen: Prinz von Hessen als Markenbotschafter

Seit März 2019 werden die Hotels, das Weingut und die gastronomischen Betriebe der Hessischen Hausstiftung und der Kulturstiftung des Hauses Hessens unter der Dachmarke „Prinz von Hessen“ geführt. Ein weiteres Hotel, das Ole Liese, das bislang verpachtet war, wird ab 2020 in Eigenregie geführt. Auch personell wurde die Unternehmensgruppe neu ausgerichtet. Im Schlosshotel Kronberg, im Hessischen Hof und auf dem Weingut im Rheingau haben neue Direktoren das Ruder übernommen. Zudem wurden eine Direktorin für Sales, Marketing und PR sowie ein COO Hospitality für die Weiterentwicklung sämtlicher touristischer Angebote eingestellt. „Wir müssen uns trotz unserer begrenzten Größe so aufstellen, dass wir gegen die großen Hotelketten konkurrenzfähig sind“, erklärt von Hessen, der aus den bislang noch stark fraktionierten Wirtschaftsbetrieben eine Unternehmensgruppe schaffen will. Den Gästen soll ein Kulturerlebnis geboten werden, in dessen Zentrum die Historie der Familie von Hessen steht. Dazu gehört, dass der eher öffentlichkeitsscheue Landgraf und seine Frau Landgräfin Floria von Hessen, eine geborene Gräfin von Faber-Castell, stärker als Markenbotschafter in Erscheinung treten werden.

Das neue Konzept soll aber nicht nur mehr Gäste in die Hotels locken, sondern auch bei der Gewinnung von qualifizierten Mitarbeitern helfen. „Wir müssen unbedingt profitabler werden“, sagt der Hausherr entschlossen. Ziel sei es, die Unternehmen unter der Dachmarke so zu entwickeln, dass sie über die kulturellen Aufgaben und die Reinvestitionen hinaus Rendite abwürfen. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg, sagt der Landgraf. „Wir stehen noch ganz am Anfang.“

Info

Die Ursprünge des Hauses Hessen gehen auf das Fürstenhaus Lothringen-Brabant im Jahr 1263 zurück. Im Laufe der Jahrhunderte teilte sich das Haus in mehrere Linien auf, darunter die Häuser Hessen-Kassel (Kurhessen), Hessen-Homburg sowie Hessen-Darmstadt. 1986 übertrug Prinzessin Margaret von Hessen und bei Rhein, Adoptivmutter des Landgrafen Moritz von Hessen, ihr Vermögen auf die 1928 gegründete Hessische Hausstiftung (damals Kurhessische Haustiftung) und vereinte damit das Erbe der Häuser Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt. Donatus Landgraf von Hessen (53) ist der älteste Sohn von Moritz von Hessen und Großneffe der britischen Königin Elisabeth II. Kurz nach dem Abschluss seines Betriebswirtschaftsstudiums holte ihn sein Vater nach Kronberg, um ihn auf seine Aufgaben als künftigen Chef des Hauses Hessen vorzubereiten. 2012 übertrug die Familie ihren umfangreichen Kulturbesitz in die eigens gegründete gemeinnützige Kulturstiftung des Hauses Hessen. Nach dem Tod seines Vaters übernahm Heinrich Donatus von Hessen 2013 den Vorsitz in der Familienstiftung und in der Kulturstiftung.

Unter dem Dach der Hessischen Hausstiftung sind die Wirtschaftsbetriebe der Familie angesiedelt. Dazu gehören das Schlosshotel Kronberg, das Grandhotel Hessischer Hof in Frankfurt am Main, das Weingut Prinz von Hessen in Johannisberg (Rheingau) sowie die Güterverwaltung in Schleswig-Holstein mit dem Hotel Ole Liese, dem Restaurant Hessenstein, landwirtschaftlichen Betrieben und dem Trakehner-Gestüt Panker sowie die Fürstlichen Gartenfeste und der Feinwerk-Markt auf Schloss Fasanerie und Schloss Wolfsgarten. Seit 2019 firmieren die Unternehmen unter der Dachmarke „Prinz von Hessen“. Donatus Landgraf von Hessen ist mit Floria, einer geborenen Gräfin von Faber-Castell, verheiratet und hat drei Kinder.

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