Eltern möchten, dass ihre Kinder den Beruf wählen, der sie glücklich macht. Sie möchten auch, dass das Familienunternehmen viele Generationen fortbesteht. Wie groß kann, wie groß darf der Einfluss der Eltern auf die Berufswahl der Kinder sein?

Unternehmereltern leben in einem Zwiespalt. Einerseits sollen ihre Kinder frei von eigenen Wünschen und ohne Druck den eigenen Berufs- und Lebensweg finden. Andererseits wollen sie den Kindern dennoch vermitteln, dass es ein Herzenswunsch wäre, wenn die Kinder das aufgebaute Lebenswerk weiterführen. Gerade wenn das Familienunternehmen schon über mehrere Generationen existiert oder die Eltern erst vor nicht all zu langer Zeit die Firmenübergabe mit all ihren Herausforderungen selbst erlebt haben, wird dieser Zwiespalt verstärkt empfunden. Wie können Eltern mit diesem Zwiespalt umgehen? Welchen Einfluss haben sie überhaupt auf die Berufswahl ihrer Kinder?

Was willst Du werden, wenn du groß bist?

Für die Entwicklung der eigenen Identität ist die Berufswahl von zentraler Bedeutung. Das Erkennen beruflicher Interessen, Werte und Ziele gilt dabei als wesentliche Entwicklungsaufgabe für Heranwachsende auf ihrem Weg ins Erwachsenenalter. Berufswahl wird, anders als der Begriff es suggerieren mag, in der Wissenschaft nicht als ein singuläres Ereignis verstanden, sondern als ein Entwicklungsprozess, der bereits früh im Leben beginnt. Ungeachtet der späteren tatsächlichen Entscheidung, die ja häufig durchaus revidierbar ist, ist die subjektive Bedeutsamkeit der Frage „Was will ich einmal werden?“ bei Jugendlichen als sehr hoch einzuschätzen.

Bisher ist zur Wahrnehmung und Gestaltung des Nachfolgeprozesses aus Sicht der nachrückenden Generation wenig bekannt. Aus Biografien geht allerdings hervor, dass die Entscheidung zur Nachfolge bei den späteren Unternehmensnachfolgern bereits sehr früh im Leben gefallen ist, so dass manche Autoren gar von einem lebenslangen Prozess der Nachfolge sprechen.

Um die Entstehung des Berufswunsches „Nachfolge im Familienunternehmen“ (im folgenden Nachfolgeabsicht genannt) genauer zu untersuchen, haben wir eine Studie durchgeführt und Eltern und deren Kinder im Alter von 14 bis 18 Jahren befragt. Ein zentrales Ergebnis: Nicht nur das persönliche Interesse, sondern auch die Vorbildrolle sowie die Erwartungshaltung der Eltern sind für das Entstehen des Nachfolgewunsches verantwortlich.

Sind meine Eltern zufrieden?

Eltern beeinflussen die Entwicklung beruflicher Interessen und Neigungen nicht allein durch aktive Erziehungsmaßnahmen, sondern auch durch das Vorleben als berufliches Rollenmodell. Jugendliche erlangen Einblicke in die Anforderungen, aber auch in die Belohnungen, die die Ausübung eines bestimmten Berufes mit sich bringt. Gerade in Familienunternehmen, in denen die Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem häufig fließend sind, kann man von einem grundsätzlich vorhandenen Wissen über den elterlichen Beruf ausgehen. Das Erleben dieses elterlichen Rollenmodells hilft den Jugendlichen, den Lebensweg als Nachfolger abzuschätzen und zu bewerten. Anders formuliert, sie können durch Beobachtung der Eltern feststellen, wie sie, als Nachfolger, selbst werden könnten und ob sie gerne so werden würden.

In unserer Studie zeigte sich, dass die Erwartungen der Kinder an den Beruf Nachfolger in hohem Maße von der Wahrnehmung des elterlichen Rollenmodells bestimmt werden. Was erzählen die Eltern von ihrem Alltag? Genießen die Eltern einen hohen Status? Haben sie ein zufriedenstellendes Einkommen? Der Berufswunsch Nachfolger richtet sich also danach, wie attraktiv er bei den Eltern wahrgenommen wird. Dabei waren hohes Ansehen und finanzieller Erfolg besonders wichtig, so dass man zumindest bei den Jugendlichen in dieser Studie davon ausgehen kann, dass Nachfolge dann attraktiv ist, wenn dadurch ein hoher sozioökonomischer Status erreicht werden kann. Umgekehrt heißt das eben auch, dass ein durch Misserfolg geprägtes elterliches Beispiel dazu beiträgt, sich anderweitig zu orientieren.

Als Ergänzung zu diesen Ergebnissen und um Genaueres über die Motive für die geäußerte Nachfolgeabsicht zu erfahren, haben wir die Jugendlichen danach befragt, was sie an der Nachfolge reizt bzw. was sie daran eher abschreckt. Knapp die Hälfte der Jugendlichen schätzen die Selbständigkeit, die sie bei den Eltern beobachten können, als reizvoll ein (z.B. „Chef sein“, „selbst bestimmen“). Jeweils ein Drittel fand es zudem reizvoll, die Familientradition fortzuführen sowie mit der Betriebsübernahme eine berufliche Tätigkeit auszuüben, die ihren Berufsinteressen entspricht. Ein Viertel der Jugendlichen nannte zudem einen finanziellen Anreiz zur Nachfolge.

Was schreckte die Jugendlichen am Beruf Nachfolger im Familienunternehmen eher ab? 58 Prozent der Jugendlichen gaben an, dass lange Arbeitszeiten, viel Arbeit (auch am Wochenende) und Stress die Kehrseiten einer Firmenübernahme darstellen. Zudem sprechen finanzielles Risiko und daraus resultierende Unsicherheit (39 Prozent) gegen die Nachfolge. Ein Viertel gab an, kein Interesse an der Branche bzw. dem Unternehmerberuf zu haben und 11 Prozent sahen sich der Verantwortung für das Unternehmen und die Mitarbeiter nicht gewachsen. Die von Unternehmern häufig zitierte Aussage, Unternehmertum bedeute „selbst“ und „ständig“ tätig zu sein, spiegelt sich demnach interessanterweise bereits im Jugendalter in den Motiven potentieller Nachfolger wider.

Die Erwartungen und beruflichen Bestrebungen der Eltern für ihre Kinder sind eng verknüpft mit den beruflichen Zielen der Kinder. Die Eltern geben den Rahmen an Möglichkeiten vor, den ihre Kinder als akzeptable berufliche Optionen einschätzen. Zudem legen Jugendbefragungen nahe, dass Kinder ihre Eltern als die wichtigsten Ratgeber für die Berufswahl erachten.

Was erwarten meine Eltern von mir?

Uns interessierte in der Studie vor allem die Frage, wie Kinder die Erwartungen ihrer Eltern wahrnehmen. Das heißt, wie erfahren Kinder was ihre Eltern erwarten? Äußern sich die Eltern direkt, oder muss die Erwartungshaltung von den Kindern indirekt erschlossen werden?

Die Studie liefert Anhaltspunkte, dass den Jugendlichen die elterlichen Wünsche eher unklar sind. Oft wird über Fragen der Nachfolge nicht offen mit den Kindern geredet. Sei es, weil die Eltern sich nicht in wichtige Lebensbereiche der Kinder einmischen wollen, oder weil sie keines der Kinder bevorzugen oder vermeintlich zurückweisen wollen. Die Jugendlichen wussten in der Regel nicht, was die Eltern von ihnen in Nachfolgefragen erwarteten. Die elterlichen Wünsche standen in keinem statistisch nachweisbaren Zusammenhang mit den Erwartungen, die die Jugendlichen wahrgenommenen haben. Auffällig ist, dass in dieser Studie die Mädchen nicht das Gefühl hatten, dass ihre Eltern nicht mit ihnen in der Nachfolge rechneten. Dies galt insbesondere dann, wenn es in der Familie auch Söhne gab. Dieser Befund ist insofern bemerkenswert, als dass die Eltern angaben, weder unterschiedliche Erwartungen an ihre Söhne und Töchter zu hegen, noch beide Geschlechter unterschiedlich auf die Nachfolge vorzubereiten.

Was lässt sich aus unseren Studienergebnissen für Eltern ableiten, die ihre Kinder bei der Berufswahl unterstützen möchten? Sowohl unsere jugendlichen Studienteilnehmer als auch die Unternehmereltern empfanden es als wichtig, die Kinder „machen zu lassen“. Kinder sollten ihre Betätigungsfelder und Bereiche, in denen sie Verantwortung übernehmen, selbst wählen. Das betrifft auch Aufgaben im Unternehmen: Aufgaben, an denen die Kinder Freude finden und die ein gewisses Maß an Eigenständigkeit und Verantwortungsübernahme erfordern, ermöglichen persönliches Wachstum und fördern letztlich auch unternehmerische Potentiale. Beispielsweise können persönliche Interessen der Kinder wie Fotografie, Webdesign oder Veranstaltungsorganisation mit firmeninternen Aufgaben verknüpft werden.

Eltern können ihre Kinder weiter unterstützen, indem sie Gelegenheiten schaffen, bei denen ihre Kinder andere Unternehmerkinder treffen können. In der Schule ist dies häufig nicht möglich, und Kinder erleben es zum Teil als unangenehm, im Klassenverband als „Unternehmerkind“ gesehen zu werden. Die Möglichkeit, sich ungezwungen mit anderen Unternehmerkindern auszutauschen, hilft, sich mit dem eigenen Selbst auseinanderzusetzen und das Selbstbild zu stärken.

Ein wichtiger Punkt für die Berufs- und Lebensplanung der Kinder besteht schließlich in der Kommunikation zwischen Eltern und Kindern. Gespräche sollten nicht bewusst vermieden werden, aus dem Bemühen heraus, sich nicht in die Lebensplanungen einzumischen. Die Äußerung der eigenen Wünsche ist nicht gleichbedeutend mit Forderungen. Frühzeitig ins Gespräch zu kommen, auch darüber, ob den Kindern ein Weg im Familienunternehmen offen steht, hilft beiden Seiten, sich ohne (Zeit-) Druck mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine Nachfolge eine reelle berufliche Option sein kann. Frühe Gespräche über die Nachfolge sollten jedoch nicht von Festlegungen auf ein Kind als Nachfolger geprägt sein. Auch eine schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt festgelegte Rolle eines „Kronprinzen“ kann den Prozess der beruflichen Entwicklung erschweren und zu Enttäuschungen auf beiden Seiten führen. Ob Gespräche, die die Eltern initiieren, von den Kindern eher als Unterstützung wahrgenommen werden, oder als Druck, sich für Nachfolge interessieren zu müssen – das muss jede Familie für sich ausprobieren und herausfinden.

Dr. Elke Schröder und Nicolas Arnaud forschen am Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

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