Die GLS Sprachschule ist ein „Blumenkohl“, der in alle Richtungen weiterwächst. Im Kern bleibt sie aber ein Familienunternehmen, das gerade dabei ist, sich für die Zukunft neu aufzustellen. Nach dem Einstieg der Schwestern ­Verena und Reemda Jaeschke als Vertreterinnen der zweiten Generation wird 2024 die Änderung der Rechtsform und der Eigentümerstruktur finalisiert.

Das lateinische Wort „Campus“ bedeutet eigentlich „Feld“. Der Campus der GLS Sprachschule in Berlin-Prenzlauer Berg ist jedoch ein besonderes Feld. Hier wird kein Gemüse angebaut, sondern Menschen werden weitergebildet. Dabei hat das absolut gar nichts von dem Flair, das man oft mit „Erwachsenenbildung“ und „Volkshochschule“ assoziiert: stattdessen ein frisch renovierter riesiger Altbau mit Zugang von der berühmten Kastanienallee aus, ein großer Garten, eine Campuskatze, Smartboards und Touchscreens in allen Klassenräumen – und ein Swimmingpool. „Das war die Vision, die unsere Mutter hatte“, erzählt Dr. Verena Jaeschke. „Sie wollte einen Campus gründen.“

Mehr, viel mehr als eine Schule

Während des virtuellen Rundgangs auf der Website des Unternehmens lässt sich die Geografie genau nachvollziehen: Der Campus verbindet die Klassenräume mit Bibliothek, Cafeteria und dem Hotel Oderberger. Das Hotel befindet sich in dem historischen Gebäude eines Schwimmbades aus dem Jahr 1902 und bietet sowohl Sprachschülern als auch „normalen“ Hotelgästen eine Unterkunft. Ursprünglich war die Erweiterung des Campus um das Oderberger nur als zusätzliche Unterkunft für Sprachschüler geplant, aber das Geschäftsmodell hat sich weiterverzweigt. Das Stadtbad Oderberger ist nicht nur der Swimmingpool des Hotels, sondern auch als öffentliches Hallenbad noch in Betrieb und kann zudem als Eventlocation genutzt werden: Der Boden des Beckens wird per Hydraulik angehoben, das Wasser zugedeckt, Stühle drauf, fertig ist der glamouröse Konferenzraum im Jugendstil. Eine Schule, ein Schwimmbad, ein Hotel – „ein Blumenkohl“, nennt Verenas Schwester Dr. Reemda Jaeschke das Unternehmen. Die einzelnen Röschen folgen dem Fibonacci-Muster und wachsen nach außen, wie bei einem Romanesco-Kohl. Und im Kern? Eine Familie.

Sogar die BBC hat schon über das wunderschöne Stadtbad Oderberger berichtet, das zur GLS Sprachschule gehört und auch als Eventlocation genutzt wird. / Foto: Martin Nicholas Kunz

„GLS“ ist die Abkürzung von „Global Language Services“. Die Sprachschule wurde 1983 von Barbara Jaeschke gegründet. „Es braucht zwei von uns, um deine Fußstapfen zu füllen“, schreibt Verena Jaeschke zum 40-jährigen Jubiläum von GLS. Über fehlende Anerkennung ihrer Lebensleistung in der NextGen kann sich Barbara Jaeschke wahrlich nicht beschweren. Verena Jaeschke führt das Unternehmen weiter, aber nicht allein, sondern gemeinsam mit ihrer Schwester Reemda. Im gemeinsamen Gespräch spürt man immer wieder die Erleichterung der beiden Schwestern, nicht allein zu sein mit der Verantwortung.

Barbara Jaeschke gehört zu der Generation von Lehrern, die in den frühen 1980er Jahren Probleme hatten, einen Job zu finden. Sie arbeitete nebenbei als Reiseleiterin für Sprachreisen. Doch das Konzept gefiel ihr nicht. Vom Wohnzimmer aus gründete sie ihr eigenes Unternehmen: „Ich und meine Typenrad-Schreibmaschine, sagt sie immer“, erzählt Verena Jaeschke und lacht. Aus der Frau mit der Schreibmaschine wurde bald ein erfolgreicher Anbieter von Sprachreisen. Zu den Reisen kam bald auch die Sprachschule dazu, und der Blumenkohl begann zu wachsen. „Unsere Mutter hat keinerlei betriebswirtschaftlichen Hintergrund“, erzählt Reemda Jaeschke. „Sie hat alle Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen. Und meistens waren sie richtig.“ Ganz im Gegensatz zu Reemda: Die Tochter hat nicht nur BWL studiert, sondern darin auch promoviert und in einer Unternehmensberatung schnell Karriere gemacht. „Mit jeder Karrierestufe, die ich aufstieg, bekam ich mehr Gehalt und mehr Verantwortung“, erzählt Reemda rückblickend, „aber dann habe ich mich irgendwann ­gefragt: Wozu?“

Was fehlte, war der tiefere Sinn. Den fand sie, als sie gemeinsam mit ihrer Schwester Verena in das Familienunternehmen einstieg. Verena Jaeschke ist Kulturwissenschaftlerin und hat sich schon im Studium intensiv mit Marketing und Projektmanagement beschäftigt. Ihre Doktorarbeit schrieb sie zum Thema Architektur und Machtstrukturen im Römischen Reich. Das Wissen über die „power of place“ ist also tief im Unternehmen verwurzelt.

Drei Erben, zwei Geschäftsführer

GLS wird also heute von einer Mutter mit zwei Töchtern geführt. „Was ist eigentlich mit den Männern in Ihrer Familie?“ fragt ein Teilnehmer auf dem „wir-Forum Familienvermögen“, wo Reemda Jaeschke als Teil eines Nachfolger-Panels auf der Bühne sitzt. Reemda antwortet höflich und geduldig: Sie und Verena hätten noch einen Bruder, der aber bisher kein Interesse daran gezeigt habe, in die Geschäftsführung von GLS einzusteigen. Ihre Schwester Verena reagiert im Interview mit dem „wir“-Magazin auf dieselbe Frage deutlich genervter: Würde das Unternehmen von einem Vater und zwei Söhnen geführt, würden die schließlich auch nicht dauernd gefragt, was denn mit den Frauen in ihrer Familie los sei. „Unser Bruder kann uns mit seinem Blick von außen oft sehr wertvollen Input geben,“ erzählt Reemda Jaeschke, seine Expertise als Jurist könnten sie gut gebrauchen. „Wir trennen ganz klar zwischen Besitz und Gestaltung der Firma,“ erklärt sie mit Nachdruck.

Bis vor kurzem war die Mutter noch als eingetragene Kauffrau alleinige Anteilseignerin, doch das wird 2024 geändert. Die Rechtsform der GLS Sprachschule wird dann eine GmbH & Co. KG, und je ein Viertel der Anteile wird auf die drei Kinder Verena, Reemda und Hauke übertragen. Auch die Mutter behält 25 Prozent. Die Stimmrechte korrelieren mit den Anteilen, aber Verena und Reemda werden als Geschäftsführerinnen über besondere Befugnisse verfügen. Ihr Bruder Hauke ist also tatsächlich in die Zukunft des Unternehmens involviert, aber er wird sich im Hintergrund halten.

Der historische Gebäudekomplex in der Berliner Kastanienallee. / Foto: Sophie Weise

Verena und Reemda Jaeschke sind als Geschäftsführer angestellt und wünschen sich ausdrücklich von den Gesellschaftern eine Kontrollinstanz, die ihnen Feedback gibt. „Sind wir die richtigen Geschäftsführer für das Unternehmen?“, will Reemda von ihnen wissen, und zwar in regelmäßigen Abständen. Die Gesellschafter organisieren sich in einem Familien-Jour-Fixe, und die Familie trifft sich auch als Familie regelmäßig und verbringt ein langes Wochenende miteinander.

Resilient in die Zukunft

Der Blumenkohl wächst in alle Richtungen; das Unternehmen ist zu groß geworden für seine bisherige Struktur. 170 Mitarbeiter hat GLS jetzt, der Umsatz liegt bei über 30 Millionen Euro. Dass das unternehmerische Risiko immer noch allein von der Mutter getragen wird, ist inzwischen nicht mehr vertretbar, erklärt Reemda. Ihr Vorname kommt aus dem Friesischen und bedeutet „die Reine“ und „die Kühne“. „Wow!“ kommentiert Verena, „da sehe ich gleich so eine Diana-Statue vor meinem inneren Auge.“ Zu ihrer Schwester empfindet sich Reemda als „komplementär“, und tatsächlich entsteht der Eindruck, dass die beiden Schwestern sich sehr gut ergänzen. In der Geschäftsführung verantwortet Reemda die Sprachschule und Verena den Bereich Hospitality, was sowohl das Oderberger Hotel als auch die Events umfasst. Dann gibt es noch die „Querlayer“, wie Reemda sie nennt: Sie ist in jedem Bereich involviert, sobald es um Finanzen geht, und Verena ist überall für das Business Development zuständig. Die Mutter führt traditionell die Reiseagentur und ist in allen Bereichen als Gründerin gefragt.

So harmonisch war es in der Geschäftsführung von GLS allerdings nicht immer. Im Podcast „Team A“ des „Harvard Business Manager“ schilderten die beiden Schwestern Verena und Reemda Jaeschke im März 2023 ausführlich ihre ausgetüftelte Konfliktkultur, die sie erst als Erwachsene im gemeinsamen Familienunternehmen erarbeiten mussten. „Als Kinder haben wir uns kaum gestritten.“ Aus den unausweichlich dann doch entstehenden Konflikten, sobald beide Schwestern als Erwachsene im selben Unternehmen arbeiten, erwuchs eine Familiencharta, die noch heute verbindliche Werte für die Zukunft festschreibt: „Kommunikation“ ist der Schlüsselbegriff. Der GLS Campus ist ein weites Feld und braucht eine verbindliche Struktur.

Kommunikation, Feedbackschleifen und die ständige Einladung zur Kritik verleihen dem Unternehmen GLS eine Dynamik, die in Zukunft ein Garant für Resilienz werden kann. Barbara Jaeschke, die Gründerin, nähert sich zwar dem Rentenalter, ist aber für die unmittelbare Zukunft weiterhin fest eingeplant. Und der Vater? Hatte „im Konzernumfeld“ seine eigene Karriere gemacht und ist jetzt im Ruhestand, erzählt Verena Jaeschke.
In der Gründungsphase des Unternehmens spielte er aber eine wichtige Rolle: Nicht nur hielt er seiner Frau Barbara in Sachen Sorgearbeit den Rücken frei (was in den 1980er Jahren nicht selbstverständlich war), sondern brachte sich auch tatkräftig ins Unternehmen mit ein, „projektbasiert“, wie Verena Jaeschke es nennt. Als GLS noch ein Start-up war und nur Sprachreisen anbot, arbeitete Barbara Jaeschkes Mann in dem jungen Unternehmen mit – als Busfahrer.

Aktuelle Beiträge