Pia Berghaus ist in vierter Generation Nachfolgerin beim Chemiegroßhändler Möller Chemie. Sie tritt mit ihrem Vater Rainer Berghaus als Führungsduo in Erscheinung, doch auch ihr Bruder Kai Berghaus ist im Unternehmen. Wie stellt sich die Familie für die Zukunft auf?

Pia Berghaus, wann haben Sie sich entschlossen, ins Unternehmen einzusteigen?

Final entschieden habe ich mich bei der Auswahl des Studiums. Aus dem Grund habe ich im Bachelor das Fach International Business und im Master Strategisches Marketingmanagement gewählt. Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, welchen beruflichen Weg meine beiden jüngeren Brüder in Zukunft einschlagen würden, und da mich das Familienunternehmen immer interessiert hat und mir am Herzen lag, bin ich nach Studium und Berufserfahrung im Chemiehandel 2016 ins Unternehmen eingestiegen. Darüber hinaus war es mir immer wichtig, dass Möller Chemie im Besitz der Familie bleibt.

Welche Unternehmensbereiche verantworten Sie bei Möller Chemie?

Übergeordnet sind es die Bereiche Marketing, Einkauf, Verkauf und Personal. Meine Hauptaufgaben liegen in der Außendarstellung unseres Unternehmens sowie in der Entwicklung unserer Mitarbeiter. Wir haben 120 Mitarbeiter bei einem jährlichen Umsatz von rund 150 Millionen Euro, und wir kümmern uns intensiv um sie. Denn sie sind unser wichtigstes Asset. Stolz verabschieden wir dieses Jahr eine Mitarbeiterin nach 47 Jahren bei Möller in den Ruhestand. Es müssen nicht immer 47 Jahre sein, aber bei Möller setzen wir auf Langfristigkeit. Des Weiteren legen wir einen großen Fokus auf unsere Unternehmenskultur, denn wie in jeder Firma spielt sie eine entscheidende Rolle.

Stand jetzt verantwortet Ihr jüngerer Bruder Kai den Finanzbereich von Möller Chemie, Ihr Vater ist alleiniger Geschäftsführer. Sie werden als „Vice President“ bezeichnet. Wie läuft die Übergabe?

Die Übergabe läuft sehr gut. Mein Vater gibt immer mehr Verantwortungsbereiche ab, wodurch wir unsere Rolle finden und tiefer hineinwachsen. Wir hatten uns darauf verständigt, dass wir nicht zu lange parallel in der Geschäftsführung tätig sein möchten. Am Ende wird er für meinen Bruder und für mich eine beratende Rolle einnehmen.

Welche Themen stehen für Sie als NextGen dabei im Vordergrund?

Digitalisierung zum Beispiel. Da sind mein Bruder Kai und ich uns sehr einig: Wir sehen in der Digitalisierung sehr viel Potenzial, zum Beispiel bei der Auftragsabwicklung und dem Kommunikationsfluss. Ganz wichtig bei der Planung eines neuen IT-Systems ist es, den Mut zu haben, neue Wege zu gehen. Eigene Prozesse müssen mit den Systemprozessen verglichen werden. Auch hier spielt die interne Kommunikation eine wichtige Rolle, denn die Kollegen müssen mitgenommen werden.

Ist ökologische Nachhaltigkeit auch so ein Thema, das Sie als junge Generation anders angehen als Ihr Vater?

Natürlich beschäftigen wir uns mit Nachhaltigkeit. Jeder Einzelne ist gefordert, seinen Beitrag zu leisten. Es gibt verschiedene Ansätze, die wir verfolgen. Ein einfaches Beispiel ist, dass wir allein durch die Digitalisierung eine deutliche Reduzierung beim Papierverbrauch erreichen. Aber auch Zertifizierungen, wie zum Beispiel die von ecovadis, die die Qualität des Nachhaltigkeitsmanagements aufzeigen, treiben uns in eine umweltfreundlichere Richtung. Das zeigt sich auch in unserem Produktportfolio, dass unser Angebot an grünen oder biobasierten Produkten zunimmt. Ein ebenfalls bedeutendes Thema in der Zukunft werden Recyclingkonzepte sein, indem Güter der Wiederverwertung zugeführt werden. Sicher ist, Nachhaltigkeit ist ein kontinuierlicher Optimierungsprozess, der einen wichtigen Stellenwert hat.

Sie engagieren sich auch für das Thema Frauen in Führungspositionen, zum Beispiel beim Unternehmerinnen-Netzwerk in Ihrer Region. Laut dem Bundesarbeitgeberverband Chemie gibt es in der Chemiebranche überdurchschnittlich viele Frauen, die Chefinnenposten innehaben. Woran liegt das?

Das ist nicht die Erfahrung, die ich gemacht habe. Bei Möller sind wir sehr gut aufgestellt, wir haben viele junge Frauen in der Führungsebene. Aber bei den meisten Veranstaltungen, an denen ich teilnehme, ist der Frauenanteil doch eher gering. Es wird zwar langsam besser, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Generell findet jedoch ein Generationenwechsel in der Industrie statt, was mich persönlich freut. Der Austausch mit jungen Menschen ist mir ausgesprochen wichtig und bringt mir viele neue Impulse.

Wie sind Sie in der Unternehmerfamilie zur heutigen Aufgabenverteilung im operativen Geschäft gekommen?

Meine beiden Brüder und ich hatten immer die Wahl, entweder eines Tages ins Familienunternehmen einzusteigen oder einen ganz anderen Weg zu gehen. Wichtig für unsere Eltern war, dass wir unseren Beruf leidenschaftlich ausüben. So hat sich beispielsweise der Dritte von uns für einen Gesundheitsfachberuf entschieden, denn er liebt es, Menschen im Krankheitsfall zu helfen. Dennoch fühlt er sich mit dem Unternehmen nach wie vor eng verbunden. Kai und ich haben die Aufgaben untereinander gut aufgeteilt. Er macht alles, was mit Finanzen und Controlling zu tun hat; in Excel-Tabellen geht er richtig auf (lacht). Ich kümmere mich hingegen in erster Linie um unsere Mitarbeiter, unsere Unternehmenskommunikation sowie um Kunden und Lieferanten.

In Ihrer Konstellation treffen mehrere Rollen aufeinander. Spüren Sie Auswirkungen der geschäftlichen Beziehung auf die familiäre Beziehung?

Nein, wir haben eine sehr enge Bindung, und auch mein Einstieg in die Firma hat hieran nichts verändert. Meinen Bruder habe ich durch die gemeinsame Arbeit nochmal auf eine andere Art und Weise kennengelernt. Es hat unsere Beziehung also eher erweitert – vertieft. Auch wenn es Konflikte gibt: Drei Menschen (mein Vater, mein Bruder und ich) mit unterschiedlichen Stärken und Ansichten finden immer eine gute Lösung. Es ist schön zu wissen, dass wir ein so tolles Team sind und unser Familienunternehmen unsere familiäre Beziehung stärkt.

Wie tauscht sich die Familie aus?

Unsere Familie (meine Eltern, meine Brüder und ich) halten 100 Prozent der Anteile. Privat sehen wir uns häufig, so dass es viele Möglichkeiten des Austauschs gibt. Viele Familienunternehmer kennen das: Sobald man zusammenkommt, isst oder einfach nur so Zeit miteinander verbringt, gibt es immer Firmenthemen, die besprochen werden. Zusätzlich treffen wir uns regelmäßig zu Gesellschafterversammlungen, um zum einen alle Familienmitglieder über die aktuelle Situation zu informieren und zum anderen die erforderlichen Entscheidungen zu treffen.

Werden Sie die nächste CEO von Möller Chemie?

Das wird sich zeigen. Unser Plan ist, dass ich in Zukunft das Unternehmen gemeinsam mit meinem Bruder führen werde. Bei vielen Familienunternehmen wird schon frühzeitig festgelegt, wer das Unternehmen übernehmen soll. Bei uns ist das nicht so, es entwickelt sich. Eine Doppelspitze könnte ich mir gut vorstellen. Am Ende müssen wir so handeln, dass das Unternehmen enkelfähig ist.

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