Auch geistiges Eigentum kann man erben. Dass das genau so kompliziert sein kann wie der Umgang mit einem großen Vermögen, zeigt das Beispiel von Nicola Tyszkiewicz, einer Enkeltochter des Komikers Heinz Erhardt, die über ihre Erfahrungen mit der Erbengemeinschaft spricht.

Nicola Tyszkiewicz, Heinz Erhardt war Ihr Großvater – und eine Legende der deutschen Unterhaltungskunst. Haben Sie das als Kind verstanden?

Meine Mutter hatte ein sehr enges Verhältnis zu ihren Eltern. Entsprechend haben wir recht viel Zeit miteinander verbracht, haben zusammen Mittag gegessen und Kaffee getrunken. Ich war eben das erste Enkelkind, und er war immer sehr süß, hat mit uns Kindern auch Quatsch gemacht. Zugleich habe ich früh registriert, dass das, was er macht, kein üblicher Beruf ist. Wo er live aufgetreten ist, sind wir ab und zu hingefahren. Zu sehen, wie glücklich er die Leute gemacht hat, war eine große Freude.

Heinz Erhardt starb 1979. Hat er Anweisungen hinterlassen, was mit seinem Werk nach seinem Tod passieren soll?

Nach seinem Tod war meine Großmutter Alleinerbin. Sie hat dann wiederum nach ihrem Tod verfügt, dass die Urheberrechte an seinen Texten, Liedern und Filmen und damit auch die Ausschüttungen zu gleichen Teilen an seine vier Kinder gehen, darunter meine Mutter als älteste Tochter. Heute gibt es die Heinz Erhardt Erbengemeinschaft GbR (HEEG), die die Rechte wahrnimmt und Ausschüttungen vornimmt. Aber dass man die Rechte hat, ist ja nicht alles. Die Frage muss heißen: Was passiert kreativ mit dem Erbe? Wie schafft man es, diesen zauberhaften Nachlass auch der jüngeren Generation zu vermitteln? Ich war 20, als mein Großvater starb. Meine Großmutter und meine Mutter waren ratlos bis verzweifelt, weil sie nicht geübt waren, wie man mit seinen Werken in Zukunft umgehen sollte. Sie wussten nur, dass seine größte Angst war, vergessen zu werden. Genau das habe ich eingesogen, es ist mein Motor, das Werk von Heinz Erhardt zu promoten.

Vor wenigen Wochen fand in der Elbphilharmonie in Hamburg ein musikalischer Heinz-Erhardt-Abend statt, mit Schauspieler Dietmar Bär, Sänger Stefan Gwildis und der NDR Bigband. Welche Rolle spielen Sie bei diesem Projekt?

Es gab in der Vergangenheit immer wieder die Idee, Tribute-Alben mit Werken meines Großvaters aufzunehmen. Das erste erschien zum 100. Geburtstag im Jahr 2009, das zweite im Vorfeld seines 110. Geburtstags. Beide habe ich als Ideengeberin und Produzentin realisiert. Ich komme beruflich aus dem Veranstaltungsgeschäft, daher war mit den Alben auch immer die Idee verbunden, die Kompositionen und Texte auf die Bühne zu bringen. Leider hat uns die Pandemie einen Strich durch den ursprünglichen Tourneeplan gemacht: Von den geplanten elf Konzerten in ganz Deutschland sind drei übrig geblieben, zuletzt das Konzert in der ausverkauften Elbphilharmonie in Hamburg, das ein großer Erfolg war.

Will das Erbe ihres Großvaters Heinz Erhardt auf die Bühne bringen: Nicola Tyszkiewicz.

Will das Erbe ihres Großvaters Heinz Erhardt auf die Bühne bringen: Nicola Tyszkiewicz. / Foto: Steven Haberland

Unter den Stücken sind auch bisher unaufgeführte Werke. Wo kommen die mehr als 40 Jahre nach Erhardts Tod her?

Meine Mutter starb 2016. Als ich ihr Zimmer ausräumte, fand ich unter ihrem Bett einen Karton voller Noten. Offenbar hatte sie diese an sich genommen und dann dort vergessen. Das war völlig verrückt: Ich saß da mit einem Stapel bisher unbekannter Konzertetüden, Tangos, Lieder, Balladen … Ich bin Musikproduzentin: Mir war klar, dass darin die Chance für ein weiteres Tribute-Album lag.

Wie sind Sie dafür vorgegangen?

Der erste Weg führt zur Erbengemeinschaft. Nach dem Tod meiner Mutter hat mein Vater ihre Anteile geerbt. Er ist fast 92, und ich vertrete ich ihn per Vollmacht. In derselben Generation gibt es noch zwei Tanten, die zum Teil auch von ihren Kindern vertreten werden. Mein Onkel Gero Erhardt ist 2021 gestorben. Wer seine Anteile geerbt hat, wird uns nicht gesagt. Als ich 2018 den Miterben sagte, ich würde aus dem neuentdeckten Material gern ein zweites Tribute-Album machen, war ihre erste Reaktion: Möchtest du dir das wirklich antun? Sie gaben mir aber das Okay. Gemeinsam mit einem befreundeten Pianisten habe ich mehr als 40 Titel angeschaut und die fünf Stücke rausgefiltert, die für die Veröffentlichung am besten geeignet erschienen. Zusätzlich habe ich noch mehrere Titel in Archiven gefunden, die mein Großvater komponiert und getextet hat. Sie sind damals aufgenommen worden und lagen seitdem im Archiv. Ich habe sie für meine Produktion lizenziert und für die Erbengemeinschaft bei der Gema angemeldet.

Ihr Großvater war Filmschauspieler, Bühnenkünstler, Schriftsteller, Komponist und Musiker. Was bedeutet die Komplexität dieses Erbes in urheberrechtlicher Hinsicht?

Der Großteil der Rechte, also für seine Bücher und Gedichte, liegt beim Lappan Verlag, der zu Carlsen gehört. Das läuft auch gut, der Verlag bringt immer noch mal neue Bücher heraus, Kalender und so weiter. Dafür erhält die HEEG zweimal im Jahr Tantiemen. Wenn jemand zum Beispiel eine Veranstaltung macht, werden die Texte beim Verlag angefragt beziehungsweise bei der VG Wort angemeldet. Für die Aufführung der Originaltitel braucht man keine Genehmigung: Da diese bei der Gema angemeldet sind, dürfen sie gecovert werden. Die Lizenzabrechnungen kommen einzig der HEEG zugute – das ist auch bei meinen Produktionen so.

Dennoch kam es in der Folge der Veröffentlichung Ihres Albums zu einem Zerwürfnis mit der Familie. Warum?

Es gibt unter den Erben schon immer sehr verschiedene Meinungen dazu, was man mit dem Nachlass meines Großvaters tun sollte – und auch, wie nachdrücklich sie ihre Rechte einfordern sollten. So richtig klar wurde mir das erstmals vor rund 35 Jahren. Damals brachte die Kirch-Gruppe mehrere Erhardt-Filme auf VHS heraus. Zunächst hieß es, die Erbengemeinschaft könne daran nicht beteiligt werden. Allerdings gibt es alte Verträge, in denen Heinz Erhardt ganz klar als Mitautor angegeben wird, was seine Erben zu einer Beteiligung berechtigt. Ich habe den Anwalt von Kirch angerufen, mir die Verträge geschnappt und bin nach München gefahren. Daraufhin hat die Erbengemeinschaft seinerzeit eine Rückzahlung von gut 40.000 D-Mark bekommen und wird seitdem prozentual beteiligt – das steht der Erbengemeinschaft ja auch zu. Der Bruder meiner Mutter, Gero Erhardt, konnte mir diesen letztlich positiv verhandelten Vorstoß nicht verzeihen. Vielleicht weil er zuvor in der gleichen Sache mit seiner Anfrage gescheitert war.

Im Jahr 2018 kam es zum Rechtsstreit. Worum ging es?

Bis zu dem Zeitpunkt war ich von der Erbengemeinschaft für die Vermarktung des Erbes bevollmächtigt, das heißt, bei Entscheidungen über neue Projekte habe ich bei der HEEG angefragt, diese dann stellvertretend durchgeführt beziehungsweise beaufsichtigt. Bei der zweiten Tribute-CD habe ich den Fehler gemacht, die Nutzungsrechte an den fünf wiederentdeckten Liedern an den Verlag zu übertragen, der dieses zweite Tribute-Album auch veröffentlichte – nicht exklusiv und auf fünf Jahre befristet. Ich tat das in bester Absicht, denn wie im Vorfeld der HEEG auch schriftlich bestätigt, werden die aus diesen fünf neuen Titeln resultierenden Umsätze an die HEEG ausgeschüttet. Das hat bei den drei anderen Stämmen für große Entrüstung gesorgt, mir wurde die Vermarktungsvollmacht entzogen. Ich habe sofort gesagt: Wir holen die Rechte zurück, kein Problem, der Verlag wäre sofort mitgegangen. Aber der extrem feindselige und geldgierige Rechtsanwalt der Erbengemeinschaft hat diese Einigung abgelehnt und stattdessen verschiedene Klagen gegen meinen alten Vater und mich angestrengt. In der Folge wurden auch die Ausschüttungen an meinen damals 91-jährigen Vater widerrechtlich zurückgehalten.

Wie erklären Sie sich das?

So wie ich es sehe, ging es den anderen Parteien gar nicht um die Sachebene, die Entscheidungsfindung ist irrational. Sie haben einfach keine Lust auf neue Produktionen – aber es geht auch um Macht und Neid auf den Erfolg meiner Produktionen. Dabei wären professionelle Schritte wie eine aktive Vermarktung und ein geordnetes Archiv im Sinne aller. Dazu gehört auch, sich um Rechtsverletzungen zu kümmern. Wenn zum Beispiel irgendwelche Anbieter Tassen oder T-Shirts mit Zitaten oder Fotos meines Großvaters drucken lassen, kann man die Produzenten darauf ansprechen, dafür braucht man erst einmal keinen Rechtsanwalt. Ich habe das schon gemacht. Die Antwort der HEEG war: Das geht dich nichts an. Tut es aber doch. Denn hier finden Pflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft statt. Es geht mir gar nicht darum, alles zu verbieten – mit vielen Anbietern könnte man sich einigen, so dass beide Seiten profitieren. Aber dafür muss man auch etwas tun und nicht nur die Hand aufhalten.

Wie ist die Lage heute?

Im März 2021 haben wir eine außergerichtliche Einigung erzielt. Zu dem Zeitpunkt waren vier der sechs Gerichtsverfahren bereits zu unseren Gunsten entschieden worden – und die Kläger hatten ihrem Anwalt bereits 170.000 Euro in den Rachen geworfen, der weitestgehend freie Hand hatte und den Konflikt immer weiter verschärft hat. Ich habe das Glück, dass meine Tochter Juristin ist und mir bei vielen Fragen zur Seite stehen kann. Zudem werde ich von einem kompetenten Anwalt vertreten. Wenn ich heute neue Projekte plane, bin ich in der gleichen Situation wie alle anderen Interessenten auch. Ich mache Vorschläge, die natürlich abgelehnt werden. Aber die Tournee wird sicher nicht mein letztes Projekt rund um das Erbe meines Großvaters gewesen sein. Die drei Konzerte im Frühjahr haben gezeigt, dass das Publikum liebt, was wir ihnen zeigen. Die Zusammenarbeit mit der HEEG wird sich nicht ändern. Aber sie hat mich „an der Backe“ und ich sie, das ist lebenslänglich. Daran muss man sich eben gewöhnen.

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